Gewerbeordnung
für das
Deutsche Reich.
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Inhaltsverzeichnis
Titel I. Allgemeine Bestimmungen.
Titel II. Stehender Gewerbebetrieb.
I. Allgemeine Erfordernisse.
II. Erforderniß besonderer Genehmigung.
Titel III. Gewerbebetrieb im Umherziehen.
Titel IV. Marktverkehr.
Titel V. Taxen.
Titel VI. Innungen von Gewerbetreibenden.
Titel VII. Gewerbliche Arbeiter (Gesellen, Gehülfen, Lehrlinge, Fabrikarbeiter).
Titel VIII. Gewerbliche Hülfskassen.
Titel IX. Ortsstatuten.
Titel X. Strafbestimmungen.
Schlußbestimmungen.
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Titel I. Allgemeine Bestimmungen.
§. 1.
Der
Betrieb eines Gewerbes ist Jedermann gestattet, soweit die Geschäftsfähigkeit vorliegt und nicht durch
dieses Gesetz Ausnahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben oder
zugelassen sind.
Wer gegenwärtig zum Betriebe eines Gewerbes
berechtigt ist, kann ausgeschlossen werden,
weil er den Erfordernissen dieses Gesetzes nicht genügt. Dies gilt insbesondere auch für ausländische Gewerbe.
§. 2.
Die Unterscheidung zwischen Stadt und Land in Bezug auf den Gewerbebetrieb und die Ausdehnung desselben hört auf.
§. 3.
Der
gleichzeitige Betrieb verschiedener Gewerbe, sowie desselben Gewerbes
in mehreren Betriebs- oder Verkaufsstätten ist gestattet. Eine
Beschränkung der Handwerker auf den Verkauf der selbstverfertigten
Waaren findet nicht statt. [178]
§. 4.
Den Zünften und kaufmännischen Korporationen steht ein Recht, Andere von dem Betriebe eines Gewerbes auszuschließen, nicht zu.
§. 5.
In
den Beschränkungen des Betriebes einzelner Gewerbe, welche auf den
Zoll-, Steuer- und Postgesetzen beruhen, wird durch das gegenwärtige
Gesetz nichts geändert.
§. 6.
Das
gegenwärtige Gesetz findet keine Anwendung auf die Fischerei, die
Errichtung und Verlegung von Apotheken, die Erziehung von Kindern gegen
Entgelt, das Unterrichtswesen, die advokatorische und Notariats-Praxis,
den Gewerbebetrieb der Auswanderungsunternehmer und
Auswanderungsagenten, der Versicherungsunternehmer und der
Eisenbahnunternehmungen, die Befugniß zum Halten öffentlicher Fähren und
die Rechtsverhältnisse der Schiffsmannschaften auf den Seeschiffen. –
Auf das Bergwesen, die Ausübung der Heilkunde, den Verkauf von
Arzneimitteln, den Vertrieb von Lotterieloosen und die Viehzucht findet
das gegenwärtige Gesetz nur insoweit Anwendung, als dasselbe
ausdrückliche Bestimmungen darüber enthält.
Durch Kaiserliche Verordnung wird bestimmt, welche Apothekerwaaren dem freien Verkehr zu überlassen sind.
§. 7.
Vom 1. Januar 1873 ab sind, soweit die Landesgesetze solches nicht früher verfügen, aufgehoben:
- 1.
die noch bestehenden ausschließlichen Gewerbeberechtigungen, d. h. die
mit dem Gewerbebetriebe verbundenen Berechtigungen, Anderen den Betrieb
eines Gewerbes, sei es im allgemeinen oder hinsichtlich der Benutzung
eines gewissen Betriebsmaterials, zu untersagen oder sie darin zu
beschränken;
- 2. die mit den ausschließlichen
Gewerbeberechtigungen verbundenen Zwangs- und Bannrechte, mit Ausnahme
der Abdeckereiberechtigungen;
- 3. alle Zwangs- und Bannrechte, deren Aufhebung nach dem Inhalte der Verleihungsurkunde ohne Entschädigung zulässig ist;
- 4.
sofern die Aufhebung nicht schon in Folge dieser Bestimmungen eintritt,
oder sofern sie nicht auf einem Vertrage zwischen Berechtigten und
Verpflichteten beruhen:
- a) das mit dem Besitze einer
Mühle, einer Brennerei oder Brenngerechtigkeit, einer Brauerei oder
Braugerechtigkeit, oder einer Schankstätte verbundene Recht, die
Konsumenten zu zwingen, daß sie bei den Berechtigten ihren Bedarf mahlen
oder schroten lassen, [179] oder das Getränk ausschließlich von denselben beziehen (der Mahlzwang,
der Branntweinzwang oder der Brauzwang);
- b)
das städtischen Bäckern oder Fleischern zustehende Recht, die Einwohner
der Stadt, der Vorstädte oder der sogenannten Bannmeile zu zwingen, daß
sie ihren Bedarf an Gebäck oder Fleisch ganz oder theilweise von jenen
ausschließlich entnehmen;
- 5. die Berechtigungen,
Konzessionen zu gewerblichen Anlagen oder zum Betriebe von Gewerben zu
ertheilen, die dem Fiskus, Korporationen, Instituten oder einzelnen
Berechtigten zustehen;
- 6. vorbehaltlich der an den Staat und die
Gemeinde zu entrichtenden Gewerbesteuern, alle Abgaben, welche für den
Betrieb eines Gewerbes entrichtet werden, sowie die Berechtigung,
dergleichen Abgaben aufzuerlegen.
Ob und in welcher
Weise den Berechtigten für die vorstehend aufgehobenen ausschließlichen
Gewerbeberechtigungen, Zwangs- und Bannrechte u. s. w. Entschädigung zu
leisten ist, bestimmen die Landesgesetze.
§. 8.
Von
dem gleichen Zeitpunkte (§. 7) ab unterliegen, soweit solches nicht von
der Landesgesetzgebung schon früher verfügt ist, der Ablösung:
- 1.
diejenigen Zwangs- und Bannrechte, welche durch die Bestimmungen des §.
7 nicht aufgehoben sind, sofern die Verpflichtung auf Grundbesitz
haftet, die Mitglieder einer Korporation als solche betrifft, oder
Bewohnern eines Ortes oder Distriktes vermöge ihres Wohnsitzes obliegt;
- 2.
das Recht, den Inhaber einer Schankstätte zu zwingen, daß er für seinen
Wirthschaftsbedarf das Getränk aus einer bestimmten Fabrikationsstätte
entnehme.
- Das Nähere über die Ablösung dieser Rechte bestimmen die Landesgesetze.
§. 9.
Streitigkeiten
darüber, ob eine Berechtigung zu den durch die §§. 7 und 8 aufgehobenen
oder für ablösbar erklärten gehört, sind im Rechtswege zu entscheiden.
Jedoch
bleibt den Landesgesetzen vorbehalten, zu bestimmen, von welchen
Behörden und in welchem Verfahren die Frage zu entscheiden ist, ob oder
wie weit eine auf einem Grundstücke haftende Abgabe eine Grundabgabe
ist, oder für den Betrieb eines Gewerbes entrichtet werden muß.
§. 10.
Ausschließliche
Gewerbeberechtigungen oder Zwangs- und Bannrechte, welche durch Gesetz
aufgehoben oder für ablösbar erklärt worden sind, können fortan nicht
mehr erworben werden.
Realgewerbeberechtigungen dürfen fortan nicht mehr begründet werden. [180]
§. 11.
Das Geschlecht begründet in Beziehung auf die Befugniß zum selbständigen Betriebe eines Gewerbes keinen Unterschied.
Frauen,
welche selbständig ein Gewerbe betreiben, können in Angelegenheiten
ihres Gewerbes selbständig Rechtsgeschäfte abschließen und vor Gericht
auftreten, gleichviel, ob sie verheirathet oder unverheirathet sind. Sie
können sich in Betreff der Geschäfte aus ihrem Gewerbebetriebe auf die
in den einzelnen Bundesstaaten bestehenden Rechtswohlthaten der Frauen
nicht berufen. Es macht hierbei keinen Unterschied, ob sie das Gewerbe
allein oder in Gemeinschaft mit anderen Personen, ob sie dasselbe in
eigener Person oder durch einen Stellvertreter betreiben.
§. 12.
Hinsichtlich des Gewerbebetriebes der juristischen Personen des Auslandes bewendet es bei den Landesgesetzen.
Diejenigen
Beschränkungen, welche in Betreff des Gewerbebetriebes für Personen des
Soldaten- und Beamtenstandes, sowie deren Angehörige bestehen, werden
durch das gegenwärtige Gesetz nicht berührt.
§. 13.
Von dem Besitze des Bürgerrechts soll die Zulassung zum Gewerbebetriebe in keiner Gemeinde und bei keinem Gewerbe abhängig sein.
Nach
dem begonnenen Gewerbebetriebe ist, soweit dies in der bestehenden
Gemeindeverfassung begründet ist, der Gewerbetreibende auf Verlangen der
Gemeindebehörde nach Ablauf von drei Jahren verpflichtet, das
Bürgerrecht zu erwerben. Es darf jedoch in diesem Falle von ihm das
sonst vorgeschriebene oder übliche Bürgerrechtsgeld nicht gefordert und
ebenso nicht verlangt werden, daß er sein anderweit erworbenes
Bürgerrecht aufgebe.
Titel II. Stehender Gewerbebetrieb.
I. Allgemeine Erfordernisse.
§. 14.
Wer
den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes anfängt, muß der für
den Ort, wo solches geschieht, nach den Landesgesetzen zuständigen
Behörde gleichzeitig Anzeige davon machen. Diese Anzeige liegt auch
demjenigen ob, welcher zum Betriebe eines Gewerbes im Umherziehen (Titel
III) befugt ist.
Außerdem hat, wer Versicherungen für eine
Mobiliar- oder Immobiliar-Feuerversicherungsanstalt als Agent oder
Unteragent vermitteln will, bei Uebernahme der Agentur, und derjenige,
welcher dieses Geschäft wieder aufgiebt, oder [181]
welchem die Versicherungsanstalt den Auftrag wieder entzieht, innerhalb
der nächsten acht Tage der zuständigen Behörde seines Wohnortes davon
Anzeige zu machen. Buch- und Steindrucker, Buch- und Kunsthändler,
Antiquare, Leihbibliothekare, Inhaber von Lesekabinetten, Verkäufer von
Druckschriften, Zeitungen und Bildern haben bei der Eröffnung ihres
Gewerbebetriebes das Lokal desselben, sowie jeden späteren Wechsel des
letzteren spätestens am Tage seines Eintritts der zuständigen Behörde
ihres Wohnortes anzugeben.
§. 15.
Die Behörde bescheinigt innerhalb dreier Tage den Empfang der Anzeige.
Die
Fortsetzung des Betriebes kann polizeilich verhindert werden, wenn ein
Gewerbe, zu dessen Beginn eine besondere Genehmigung erforderlich ist,
ohne diese Genehmigung begonnen wird.
II. Erforderniß besonderer Genehmigung.
1. Anlagen, welche einer besonderen Genehmigung bedürfen.
§. 16.
Zur
Errichtung von Anlagen, welche durch die örtliche Lage oder die
Beschaffenheit der Betriebsstätte für die Besitzer oder Bewohner der
benachbarten Grundstücke oder für das Publikum überhaupt erhebliche
Nachtheile, Gefahren oder Belästigungen herbeiführen können, ist die
Genehmigung der nach den Landesgesetzen zuständigen Behörde
erforderlich.
Es gehören dahin:
- Schießpulverfabriken,
Anlagen zur Feuerwerkerei und zur Bereitung von Zündstoffen aller Art,
Gasbereitungs- und Gasbewahrungsanstalten, Anstalten zur Destillation
von Erdöl, Anlagen zur Bereitung von Braunkohlentheer, Steinkohlentheer
und Koaks, sofern sie außerhalb der Gewinnungsorte des Materials
errichtet werden, Glas- und Rußhütten, Kalk-, Ziegel- und Gypsöfen,
Anlagen zur Gewinnung roher Metalle, Röstöfen, Metallgießereien, sofern
sie nicht bloße Tiegelgießereien sind, Hammerwerke, chemische Fabriken
aller Art, Schnellbleichen, Firnißsiedereien, Stärkefabriken, mit
Ausnahme der Fabriken zur Bereitung von Kartoffelstärke,
Stärkesyrupsfabriken, Wachstuch-, Darmsaiten-, Dachpappen- und
Dachfilzfabriken, Leim-, Thran- und Seifensiedereien,
Knochenbrennereien, Knochendarren, Knochenkochereien und
Knochenbleichen, Zubereitungsanstalten für Thierhaare, Talgschmelzen,
Schlächtereien, Gerbereien, Abdeckereien, Poudretten- und
Düngpulverfabriken, Stauanlagen für Wassertriebwerke (§. 23),
Hopfen-Schwefeldörren, Asphaltkochereien und Pechsiedereien, soweit sie
außerhalb der Gewinnungsorte des Materials errichtet werden,
Strohpapierstoffabriken, Darmzubereitungsanstalten, Fabriken, in welchen
Dampfkessel oder andere [182]
Blechgefäße durch Vernieten hergestellt werden, Kalifabriken und
Anstalten zum Imprägniren von Holz mit erhitzten Theerölen,
Kunstwollefabriken, Anlagen zur Herstellung von Celluloid und
Dégrasfabriken.
Das vorstehende Verzeichniß kann, je
nach Eintritt oder Wegfall der im Eingang gedachten Voraussetzung, durch
Beschluß des Bundesraths, vorbehaltlich der Genehmigung des
nächstfolgenden Reichstags, abgeändert werden.
§. 17.
Dem
Antrage auf die Genehmigung einer solchen Anlage müssen die zur
Erläuterung erforderlichen Zeichnungen und Beschreibungen beigefügt
werden.
Ist gegen die Vollständigkeit dieser Vorlagen nichts zu
erinnern, so wird das Unternehmen mittelst einmaliger Einrückung in das
zu den amtlichen Bekanntmachungen der Behörde (§. 16) bestimmte Blatt
zur öffentlichen Kenntniß gebracht, mit der Aufforderung, etwaige
Einwendungen gegen die neue Anlage binnen vierzehn Tagen anzubringen.
Die Frist nimmt ihren Anfang mit Ablauf des Tages, an welchem das die
Bekanntmachung enthaltende Blatt ausgegeben worden, und ist für alle
Einwendungen, welche nicht auf privatrechtlichen Titeln beruhen,
präklusivisch.
§. 18.
Werden
keine Einwendungen angebracht, so hat die Behörde zu prüfen, ob die
Anlage erhebliche Gefahren, Nachtheile oder Belästigungen für das
Publikum herbeiführen könne. Auf Grund dieser Prüfung, welche sich
zugleich auf die Beachtung der bestehenden bau-, feuer- und
gesundheitspolizeilichen Vorschriften erstreckt, ist die Genehmigung zu
versagen, oder, unter Festsetzung der sich als nöthig ergebenden
Bedingungen, zu ertheilen. Zu den letzteren gehören auch diejenigen
Anordnungen, welche zum Schutze der Arbeiter gegen Gefahr für Gesundheit
und Leben nothwendig sind. Der Bescheid ist schriftlich auszufertigen
und muß die festgesetzten Bedingungen enthalten; er muß mit Gründen
versehen sein, wenn die Genehmigung versagt oder nur unter Bedingungen
ertheilt wird.
§. 19.
Einwendungen,
welche auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind zur
richterlichen Entscheidung zu verweisen, ohne daß von der Erledigung
derselben die Genehmigung der Anlage abhängig gemacht wird.
Andere
Einwendungen dagegen sind mit den Parteien vollständig zu erörtern.
Nach Abschluß dieser Erörterung erfolgt die Prüfung und Entscheidung
nach den im §. 18 enthaltenen Vorschriften. Der Bescheid ist sowohl dem
Unternehmer, als dem Widersprechenden zu eröffnen.
§. 20.
Gegen
den Bescheid ist Rekurs an die nächstvorgesetzte Behörde zulässig,
welcher bei Verlust desselben binnen vierzehn Tagen, vom Tage der
Eröffnung des Bescheides an gerechnet, gerechtfertigt werden muß. [183] Der Rekursbescheid
ist den Parteien schriftlich zu eröffnen und muß mit Gründen versehen sein.
§. 21.
Die
näheren Bestimmungen über die Behörden und das Verfahren, sowohl in der
ersten als in der Rekurs-Instanz, bleiben den Landesgesetzen
vorbehalten. Es sind jedoch folgende Grundsätze einzuhalten:
- 1.
In erster oder in zweiter Instanz muß die Entscheidung durch eine
kollegiale Behörde erfolgen. Diese Behörde ist befugt, Untersuchungen an
Ort und Stelle zu veranlassen, Zeugen und Sachverständige zu laden und
eidlich zu vernehmen, überhaupt den angetretenen Beweis in vollem
Umfange zu erheben.
-
- 2. Bildet die kollegiale Behörde die erste
Instanz, so ertheilt sie ihre Entscheidung in öffentlicher Sitzung, nach
erfolgter Ladung und Anhörung der Parteien, auch in dem Falle, wenn
zwar Einwendungen nicht angebracht sind, die Behörde aber nicht ohne
weiteres die Genehmigung ertheilen will, und der Antragsteller innerhalb
vierzehn Tagen nach Empfang des, die Genehmigung versagenden oder nur
unter Bedingungen ertheilenden Bescheides der Behörde auf mündliche
Verhandlung anträgt.
- 3. Bildet die kollegiale Behörde die zweite
Instanz, so ertheilt sie stets ihre Entscheidung in öffentlicher
Sitzung, nach erfolgter Ladung und Anhörung der Parteien.
- 4. Als
Parteien sind der Unternehmer (Antragsteller), sowie diejenigen
Personen zu betrachten, welche Einwendungen erhoben haben.
- 5. Die Oeffentlichkeit der Sitzungen kann unter entsprechender Anwendung der §§. 173 bis 176 des Gerichtsverfassungsgesetzes ausgeschlossen oder beschränkt werden.
§. 22.
Die
durch unbegründete Einwendungen erwachsenden Kosten fallen dem
Widersprechenden, alle übrigen Kosten, welche durch das Verfahren
entstehen, dem Unternehmer zur Last.
In den Bescheiden über die Zulässigkeit der neuen Anlage wird zugleich die Vertheilung der Kosten festgesetzt.
§. 23.
Bei
den Stauanlagen für Wassertriebwerke sind außer den Bestimmungen der
§§. 17 bis 22 die dafür bestehenden landesgesetzlichen Vorschriften
anzuwenden.
Der Landesgesetzgebung bleibt vorbehalten, für
solche Orte, in welchen öffentliche Schlachthäuser in genügendem Umfange
vorhanden sind oder errichtet werden, die fernere Benutzung bestehender
und die Anlage neuer Privat-Schlächtereien zu untersagen. [184]
Der
Landesgesetzgebung bleibt ferner vorbehalten, zu verfügen, inwieweit
durch Ortsstatuten darüber Bestimmung getroffen werden kann, daß
einzelne Ortstheile vorzugsweise zu Anlagen der im §. 16 erwähnten Art
zu bestimmen, in anderen Ortstheilen aber dergleichen Anlagen entweder
gar nicht oder nur unter besonderen Beschränkungen zuzulassen sind.
§. 24.
Zur
Anlegung von Dampfkesseln, dieselben mögen zum Maschinenbetriebe
bestimmt sein oder nicht, ist die Genehmigung der nach den
Landesgesetzen zuständigen Behörde erforderlich. Dem Gesuche sind die
zur Erläuterung erforderlichen Zeichnungen und Beschreibungen
beizufügen.
Die Behörde hat die Zulässigkeit der Anlage nach den
bestehenden bau-, feuer- und gesundheitspolizeilichen Vorschriften,
sowie nach denjenigen allgemeinen polizeilichen Bestimmungen zu prüfen,
welche von dem Bundesrath über die Anlegung von Dampfkesseln erlassen
werden. Sie hat nach dem Befunde die Genehmigung entweder zu versagen,
oder unbedingt zu ertheilen, oder endlich bei Ertheilung derselben die
erforderlichen Vorkehrungen und Einrichtungen vorzuschreiben.
Bevor
der Kessel in Betrieb genommen wird, ist zu untersuchen, ob die
Ausführung den Bestimmungen der ertheilten Genehmigung entspricht. Wer
vor dem Empfange der hierüber auszufertigenden Bescheinigung den Betrieb
beginnt, hat die im §. 147 angedrohte Strafe verwirkt.
Die vorstehenden Bestimmungen gelten auch für bewegliche Dampfkessel.
Für den Rekurs und das Verfahren über denselben gelten die Vorschriften der §§. 20 und 21.
§. 25.
Die
Genehmigung zu einer der in den §§. 16 und 24 bezeichneten Anlagen
bleibt so lange in Kraft, als keine Aenderung in der Lage oder
Beschaffenheit der Betriebsstätte vorgenommen wird, und bedarf unter
dieser Voraussetzung auch dann, wenn die Anlage an einen neuen Erwerber
übergeht, einer Erneuerung nicht. Sobald aber eine Veränderung der
Betriebsstätte vorgenommen wird, ist dazu die Genehmigung der
zuständigen Behörde nach Maßgabe der §§. 17 bis 23 einschließlich,
beziehungsweise des §. 24 nothwendig. Eine gleiche Genehmigung ist
erforderlich bei wesentlichen Veränderungen in dem Betriebe einer der im
§. 16 genannten Anlagen. Die zuständige Behörde kann jedoch auf Antrag
des Unternehmers von der Bekanntmachung (§. 17) Abstand nehmen, wenn sie
die Ueberzeugung gewinnt, daß die beabsichtigte Veränderung für die
Besitzer oder Bewohner benachbarter Grundstücke oder das Publikum
überhaupt neue oder größere Nachtheile, Gefahren oder Belästigungen, als
mit der vorhandenen Anlage verbunden sind, nicht herbeiführen werde.
Diese
Bestimmungen finden auch auf gewerbliche Anlagen (§§. 16 und 24)
Anwendung, welche bereits vor Erlaß dieses Gesetzes bestanden haben. [185]
§. 26.
Soweit
die bestehenden Rechte zur Abwehr benachtheiligender Einwirkungen,
welche von einem Grundstücke aus auf ein benachbartes Grundstück geübt
werden, dem Eigenthümer oder Besitzer des letzteren eine Privatklage
gewähren, kann diese Klage einer mit obrigkeitlicher Genehmigung
errichteten gewerblichen Anlage gegenüber niemals auf Einstellung des
Gewerbebetriebes, sondern nur auf Herstellung von Einrichtungen, welche
die benachtheiligende Einwirkung ausschließen, oder, wo solche
Einrichtungen unthunlich oder mit einem gehörigen Betriebe des Gewerbes
unvereinbar sind, auf Schadloshaltung gerichtet werden.
§. 27.
Die
Errichtung oder Verlegung solcher Anlagen, deren Betrieb mit
ungewöhnlichem Geräusch verbunden ist, muß, sofern sie nicht schon nach
den Vorschriften der §§. 16 bis 25 der Genehmigung bedarf, der
Ortspolizeibehörde angezeigt werden. Letztere hat, wenn in der Nähe der
gewählten Betriebsstätte Kirchen, Schulen oder andere öffentliche
Gebäude, Krankenhäuser oder Heilanstalten vorhanden sind, deren
bestimmungsmäßige Benutzung durch den Gewerbebetrieb auf dieser Stelle
eine erhebliche Störung erleiden würde, die Entscheidung der höheren
Verwaltungsbehörde darüber einzuholen, ob die Ausübung des Gewerbes an
der gewählten Betriebsstätte zu untersagen oder nur unter Bedingungen zu
gestatten sei.
§. 28.
Die
höheren Verwaltungsbehörden sind befugt, über die Entfernung, welche
bei Errichtung von durch Wind bewegten Triebwerken von benachbarten
fremden Grundstücken und von öffentlichen Wegen inne zu halten ist,
durch Polizeiverordnungen Bestimmung zu treffen.
2. Gewerbetreibende, welche einer besonderen Genehmigung bedürfen.
§. 29.
Einer
Approbation, welche auf Grund eines Nachweises der Befähigung ertheilt
wird, bedürfen Apotheker und diejenigen Personen, welche sich als Aerzte
(Wundärzte, Augenärzte, Geburtshelfer, Zahnärzte und Thierärzte) oder
mit gleichbedeutenden Titeln bezeichnen oder seitens des Staates oder
einer Gemeinde als solche anerkannt oder mit amtlichen Funktionen
betraut werden sollen. Es darf die Approbation jedoch von der vorherigen
akademischen Doktorpromotion nicht abhängig gemacht werden.
Der
Bundesrath bezeichnet, mit Rücksicht auf das vorhandene Bedürfniß, in
verschiedenen Theilen des Reichs die Behörden, welche für das ganze
Reich gültige Approbationen zu ertheilen befugt sind, und erläßt die
Vorschriften über den Nachweis der Befähigung. Die Namen der Approbirten
werden von der [186] Behörde, welche die Approbation ertheilt, in den vom Bundesrath zu bestimmenden
amtlichen Blättern veröffentlicht.
Personen,
welche eine solche Approbation erlangt haben, sind innerhalb des Reichs
in der Wahl des Ortes, wo sie ihr Gewerbe betreiben wollen,
vorbehaltlich der Bestimmungen über die Errichtung und Verlegung von
Apotheken (§. 6), nicht beschränkt.
Dem Bundesrath bleibt
vorbehalten, zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen Personen wegen
wissenschaftlich erprobter Leistungen von der vorgeschriebenen Prüfung
ausnahmsweise zu entbinden sind.
Personen, welche vor
Verkündigung dieses Gesetzes in einem Bundesstaate die Berechtigung zum
Gewerbebetriebe als Aerzte, Wundärzte, Zahnärzte, Geburtshelfer,
Apotheker oder Thierärzte bereits erlangt haben, gelten als für das
ganze Reich approbirt.
§. 30.
Unternehmer
von Privat-Kranken-, Privat-Entbindungs- und Privat-Irrenanstalten
bedürfen einer Konzession der höheren Verwaltungsbehörde. Die Konzession
ist nur dann zu versagen:
- a) wenn Thatsachen vorliegen,
welche die Unzuverlässigkeit des Unternehmers in Beziehung auf die
Leitung oder Verwaltung der Anstalt darthun,
- b) wenn
nach den von dem Unternehmer einzureichenden Beschreibungen und Plänen
die baulichen und die sonstigen technischen Einrichtungen der Anstalt
den gesundheitspolizeilichen Anforderungen nicht entsprechen.
-
- Hebammen bedürfen eines Prüfungszeugnisses der nach den Landesgesetzen zuständigen Behörde.
§. 30a.
Der
Betrieb des Hufbeschlaggewerbes kann durch die Landesgesetzgebung von
der Beibringung eines Prüfungszeugnisses abhängig gemacht werden. Das
ertheilte Prüfungszeugniß gilt für den ganzen Umfang des Reichs.
§. 31.
Seeschiffer,
Seesteuerleute, Maschinisten der Seedampfschiffe und Lootsen müssen
sich über den Besitz der erforderlichen Kenntnisse durch ein
Befähigungszeugniß der zuständigen Verwaltungsbehörde ausweisen.
Der
Bundesrath erläßt die Vorschriften über den Nachweis der Befähigung.
Die auf Grund dieses Nachweises ertheilten Zeugnisse gelten für das
ganze Reich, bei Lootsen für das im Zeugniß angeführte Fahrwasser.
Soweit
in Betreff der Schiffer und Lootsen auf Strömen in Folge von
Staatsverträgen besondere Anordnungen getroffen sind, behält es dabei
sein Bewenden.
§. 32.
Schauspielunternehmer
bedürfen zum Betriebe ihres Gewerbes der Erlaubniß. Dieselbe ist zu
versagen, wenn die Behörde auf Grund von Thatsachen die Ueberzeugung [187]
gewinnt, daß der Nachsuchende die zu dem beabsichtigten Gewerbebetriebe
erforderliche Zuverlässigkeit, insbesondere in sittlicher, artistischer
und finanzieller Hinsicht nicht besitzt.
§. 33.
Wer Gastwirthschaft, Schankwirthschaft oder Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus betreiben will, bedarf dazu der Erlaubniß.
Diese Erlaubniß ist nur dann zu versagen:
- 1.
wenn gegen den Nachsuchenden Thatsachen vorliegen, welche die Annahme
rechtfertigen, daß er das Gewerbe zur Förderung der Völlerei, des
verbotenen Spiels, der Hehlerei oder der Unsittlichkeit mißbrauchen
werde;
- 2. wenn das zum Betriebe des Gewerbes bestimmte Lokal
wegen seiner Beschaffenheit oder Lage den polizeilichen Anforderungen
nicht genügt.
Die Landesregierungen sind befugt, außerdem zu bestimmen, daß
- a) die Erlaubniß zum Ausschänken von Branntwein oder zum Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus allgemein,
- b) die Erlaubniß zum Betriebe der Gastwirthschaft oder zum Ausschänken von Wein, Bier oder anderen, nicht unter a
fallenden, geistigen Getränken in Ortschaften mit weniger als 15.000
Einwohnern, sowie in solchen Ortschaften mit einer größeren
Einwohnerzahl, für welche dies durch Ortsstatut (§. 142) festgesetzt
wird,
von dem Nachweis eines vorhandenen Bedürfnisses abhängig sein solle.
Vor Ertheilung der Erlaubniß ist die Ortspolizei- und die Gemeindebehörde gutachtlich zu hören.
§. 33a.
Wer
gewerbsmäßig Singspiele, Gesangs- und deklamatorische Vorträge,
Schaustellungen von Personen oder theatralische Vorstellungen, ohne daß
ein höheres Interesse der Kunst oder Wissenschaft dabei obwaltet, in
seinen Wirthschafts- oder sonstigen Räumen öffentlich veranstalten oder
zu deren öffentlicher Veranstaltung seine Räume benutzen lassen will,
bedarf zum Betriebe dieses Gewerbes der Erlaubniß ohne Rücksicht auf die
etwa bereits erwirkte Erlaubniß zum Betriebe des Gewerbes als
Schauspielunternehmer.
Die Erlaubniß ist nur dann zu versagen:
- 1.
wenn gegen den Nachsuchenden Thatsachen vorliegen, welche die Annahme
rechtfertigen, daß die beabsichtigten Veranstaltungen den Gesetzen oder
guten Sitten zuwiderlaufen werden;
- 2. wenn das zum Betriebe des
Gewerbes bestimmte Lokal wegen seiner Beschaffenheit oder Lage den
polizeilichen Anforderungen nicht genügt;
- 3. wenn der den Verhältnissen des Gemeindebezirks entsprechenden Anzahl von Personen die Erlaubniß bereits ertheilt ist. [188]
Aus
den unter Ziffer 1 angeführten Gründen kann die Erlaubniß
zurückgenommen und Personen, welche vor dem Inkrafttreten dieses
Gesetzes den Gewerbebetrieb begonnen haben, derselbe untersagt werden.
§. 33b.
Wer
gewerbsmäßig Musikaufführungen, Schaustellungen, theatralische
Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten, ohne daß ein höheres
Interesse der Kunst oder Wissenschaft dabei obwaltet, von Haus zu Haus
oder auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen darbieten will, bedarf der
vorgängigen Erlaubniß der Ortspolizeibehörde.
§. 33c.
Die Abhaltung von Tanzlustbarkeiten richtet sich nach den landesrechtlichen Bestimmungen.
§. 34.
Wer
das Geschäft eines Pfandleihers betreiben will, bedarf dazu der
Erlaubniß. Diese ist zu versagen, wenn Thatsachen vorliegen, welche die
Unzuverlässigkeit des Nachsuchenden in Bezug auf den beabsichtigten
Gewerbebetrieb darthun. Die Landesregierungen sind befugt, außerdem zu
bestimmen, daß in Ortschaften, für welche dies durch Ortsstatut (§. 142)
festgesetzt wird, die Erlaubniß von dem Nachweis eines vorhandenen
Bedürfnisses abhängig sein solle.
Als Pfandleihgewerbe gilt auch der gewerbsmäßige Ankauf beweglicher Sachen mit Gewährung des Rückkaufsrechts.
Die
Landesgesetze können vorschreiben, daß zum Handel mit Giften und zum
Betriebe des Lootsengewerbes besondere Genehmigung erforderlich ist,
imgleichen, daß das Gewerbe der Markscheider nur von Personen betrieben
werden darf, welche als solche geprüft und konzessionirt sind.
§. 35.
Die
Ertheilung von Tanz-, Turn- und Schwimmunterricht als Gewerbe, sowie
der Betrieb von Badeanstalten ist zu untersagen, wenn Thatsachen
vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug
auf diesen Gewerbebetrieb darthun.
Unter derselben Voraussetzung
sind zu untersagen: der Trödelhandel (Handel mit gebrauchten Kleidern,
gebrauchten Betten oder gebrauchter Wäsche, Kleinhandel mit altem
Metallgeräth, mit Metallbruch oder dergleichen), sowie der Kleinhandel
mit Garnabfällen oder Dräumen von Seide, Wolle, Baumwolle oder Leinen,
und der Handel mit Dynamit oder anderen Sprengstoffen.
Dasselbe
gilt von der gewerbsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten und
bei Behörden wahrzunehmender Geschäfte, insbesondere der Abfassung der
darauf bezüglichen schriftlichen Aufsätze, von dem Geschäfte der
gewerbsmäßigen Vermittelungsagenten für Immobiliarverträge, Darlehen und
Heirathen, von dem Geschäfte eines Gesindevermiethers und eines
Stellenvermittlers, sowie vom Geschäfte [189]
eines Auktionators. Denjenigen, welche gewerbsmäßig das Geschäft eines
Auktionators betreiben, ist es verboten, Immobilien zu versteigern, wenn
sie nicht von den dazu befugten Staats- oder Kommunalbehörden oder
Korporationen als solche angestellt sind (§. 36).
Personen,
welche die in diesem Paragraphen bezeichneten Gewerbe beginnen, haben
bei Eröffnung ihres Gewerbebetriebes der zuständigen Behörde hiervon
Anzeige zu machen.
§. 36.
Das
Gewerbe der Feldmesser, Auktionatoren, derjenigen, welche den
Feingehalt edler Metalle, oder die Beschaffenheit, Menge oder richtige
Verpackung von Waaren irgend einer Art feststellen, der Güterbestätiger,
Schaffner, Wäger, Messer, Bracker, Schauer, Stauer u. s. w. darf zwar
frei betrieben werden, es bleiben jedoch die verfassungsmäßig dazu
befugten Staats- oder Kommunalbehörden oder Korporationen auch ferner
berechtigt, Personen, welche diese Gewerbe betreiben wollen, auf die
Beobachtung der bestehenden Vorschriften zu beeidigen und öffentlich
anzustellen.
Die Bestimmungen der Gesetze, welche den Handlungen
der genannten Gewerbetreibenden eine besondere Glaubwürdigkeit beilegen
oder an diese Handlungen besondere rechtliche Wirkungen knüpfen, sind
nur auf die von den verfassungsmäßig dazu befugten Staats- oder
Kommunalbehörden oder Korporationen angestellten Personen zu beziehen.
§. 37.
Der
Regelung durch die Ortspolizeibehörde unterliegt die Unterhaltung des
öffentlichen Verkehrs innerhalb der Orte durch Wagen aller Art, Gondeln,
Sänften, Pferde und andere Transportmittel, sowie das Gewerbe
derjenigen Personen, welche auf öffentlichen Straßen oder Plätzen ihre
Dienste anbieten.
§. 38.
Die
Zentralbehörden sind befugt, über den Umfang der Befugnisse und
Verpflichtungen sowie über den Geschäftsbetrieb der Pfandleiher, soweit
darüber die Landesgesetze nicht Bestimmungen treffen, Vorschriften zu
erlassen. Die in dieser Beziehung bestehenden landesgesetzlichen
Bestimmungen finden auf den im §. 34 Absatz 2 bezeichneten
Geschäftsbetrieb Anwendung. Soweit es sich um diesen Geschäftsbetrieb
handelt, gilt die Zahlung des Kaufpreises als Hingabe des Darlehns, der
Unterschied zwischen dem Kaufpreise und dem verabredeten Rückkaufspreise
als bedungene Vergütung für das Darlehn und die Uebergabe der Sache als
Verpfändung derselben für das Darlehn.
Die Zentralbehörden sind
ferner befugt, Vorschriften darüber zu erlassen, in welcher Weise die
im §. 35 Absatz 2 und 3 verzeichneten Gewerbetreibenden ihre Bücher zu
führen und welcher polizeilichen Kontrole über den Umfang und die Art
ihres Geschäftsbetriebes sie sich zu unterwerfen haben. [190]
§. 39.
Die
Landesgesetze können die Einrichtung von Kehrbezirken für
Schornsteinfeger gestatten. Jedoch ist, wo Kehrbezirke bestehen oder
eingerichtet werden, die höhere Verwaltungsbehörde, soweit nicht
Privatrechte entgegenstehen, befugt, die Kehrbezirke aufzuheben oder zu
verändern, ohne daß deshalb den Bezirksschornsteinfegern ein
Widerspruchsrecht oder ein Anspruch auf Entschädigung zusteht.
§. 40.
Die in den §§. 29 bis 33a
und im §. 34 erwähnten Approbationen und Genehmigungen dürfen weder auf
Zeit ertheilt, noch vorbehaltlich der Bestimmungen in den §§. 33a, 53 und 143 widerrufen werden.
Gegen Versagung der Genehmigung zum Betriebe eines der in den §§. 30, 30a, 32, 33, 33a und 34, sowie gegen Untersagung des Betriebes der in den §§. 33a,
35 und 37 erwähnten Gewerbe ist der Rekurs zulässig. Wegen des
Verfahrens und der Behörden gelten die Vorschriften der §§. 20 und 21.
III. Umfang, Ausübung und Verlust der Gewerbebefugnisse.
§. 41.
Die
Befugniß zum selbständigen Betriebe eines stehenden Gewerbes begreift
das Recht in sich, in beliebiger Zahl Gesellen, Gehülfen, Arbeiter jeder
Art und, soweit die Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes nicht
entgegenstehen, Lehrlinge anzunehmen. In der Wahl des Arbeits- und
Hülfspersonals finden keine anderen Beschränkungen statt, als die durch
das gegenwärtige Gesetz festgestellten.
In Betreff der
Berechtigung der Apotheker, Gehülfen und Lehrlinge anzunehmen, bewendet
es bei den Bestimmungen der Landesgesetze.
§. 42.
Wer
zum selbständigen Betriebe eines stehenden Gewerbes befugt ist, darf
dasselbe innerhalb und unbeschadet der Bestimmungen des dritten Titels
auch außerhalb des Gemeindebezirks seiner gewerblichen Niederlassung
ausüben.
Eine gewerbliche Niederlassung gilt nicht als
vorhanden, wenn der Gewerbetreibende im Inlande ein zu dauerndem
Gebrauche eingerichtetes, beständig oder doch in regelmäßiger Wiederkehr
von ihm benutztes Lokal für den Betrieb seines Gewerbes nicht besitzt.
§. 42a.
Gegenstände,
welche von dem Ankauf oder Feilbieten im Umherziehen ausgeschlossen
sind, dürfen auch innerhalb des Gemeindebezirks des Wohnortes oder der
gewerblichen Niederlassung von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Wegen,
Straßen, Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten nicht feilgeboten
oder zum Wiederverkauf angekauft werden, mit Ausnahme von Bier und Wein
in Fässern und Flaschen und vorbehaltlich des nach §. 33 erlaubten
Gewerbebetriebes. [191]
Die
zuständige Landesregierung ist befugt, soweit ein Bedürfniß dazu
obwaltet, anzuordnen, daß und inwiefern weitere Ausnahmen von diesem
Verbote stattfinden sollen.
Das Feilbieten geistiger Getränke
kann von der Ortspolizeibehörde im Falle besonderen Bedürfnisses
vorübergehend gestattet werden.
§. 42b.
Durch
die höhere Verwaltungsbehörde kann auf Grund eines Gemeindebeschlusses
für einzelne Gemeinden bestimmt werden, daß Personen, welche in dem
Gemeindebezirke einen Wohnsitz oder eine gewerbliche Niederlassung
besitzen und welche innerhalb des Gemeindebezirks auf öffentlichen
Wegen, Straßen, Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten, oder ohne
vorgängige Bestellung von Haus zu Haus
- 1. Waaren feilbieten, oder
- 2.
Waaren bei anderen Personen, als bei Kaufleuten oder solchen Personen,
welche die Waaren produziren, oder an anderen Orten, als in offenen
Verkaufsstellen zum Wiederverkauf ankaufen, oder Waarenbestellungen bei
Personen, in deren Gewerbebetriebe Waaren der angebotenen Art keine
Verwendung finden, aufsuchen, oder
- 3. gewerbliche Leistungen, hinsichtlich deren dies nicht Landesgebrauch ist, anbieten wollen,
der Erlaubniß bedürfen. Diese Bestimmung kann auf gewisse Kategorien von Waaren und Leistungen beschränkt werden.
Auf die Ertheilung, Versagung und Zurücknahme der Erlaubniß finden die Vorschriften der §§. 57, 57a, 57b, 58 und 63 Absatz 1, und auf die Ausübung des Gewerbebetriebes die Vorschriften der §§. 60b, 60c, 60d Absatz 1 und 2 und 63 Absatz 2 entsprechende Anwendung.
In
Betreff der im §. 59 Ziffer 1 und 2 bezeichneten Erzeugnisse und
Waaren, auch wenn dieselben nicht zu den selbstgewonnenen oder
selbstverfertigten gehören, ferner in Betreff der Druckschriften,
anderen Schriften und Bildwerke, insoweit der Gewerbebetrieb hiermit von
Haus zu Haus stattfindet, sowie in Betreff der vom Bundesrath in
Gemäßheit des §. 44 Absatz 2 gestatteten Ausnahmen darf der betreffende
Gewerbebetrieb in dem Gemeindebezirke des Wohnsitzes oder der
gewerblichen Niederlassung von einer Erlaubniß nicht abhängig gemacht
werden. In Betreff der im §. 59 Ziffer 1 und 2 bezeichneten Erzeugnisse
und Waaren kann jedoch der Gewerbebetrieb unter den im §. 57 Ziffer 1
bis 4 erwähnten Voraussetzungen untersagt, sowie nach Maßgabe des §. 60b Absatz 2 und §. 60c
Absatz 2 beschränkt werden. Auf die Untersagung dieses Gewerbebetriebes
finden die Vorschriften des §. 63 Absatz 1, auf die Beschränkung
desselben die Vorschriften des §. 63 Absatz 2 entsprechende Anwendung.
Die höhere Verwaltungsbehörde ist befugt, die vom Bundesrath gemäß §. 56d getroffenen Bestimmungen auf diejenigen Ausländer entsprechend anzuwenden, [192]
welche innerhalb des Gemeindebezirks ihres Wohnortes oder ihrer
gewerblichen Niederlassung auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder
an anderen öffentlichen Orten, oder ohne vorgängige Bestellung von Haus
zu Haus eins der unter Ziffer 1 bis 3 bezeichneten Gewerbe betreiben
wollen.
§. 43.
Wer
gewerbsmäßig Druckschriften oder andere Schriften oder Bildwerke auf
öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten
ausrufen, verkaufen, vertheilen, anheften oder anschlagen will, bedarf
dazu einer Erlaubniß der Ortspolizeibehörde, und hat den über diese
Erlaubniß auszustellenden, auf seinen Namen lautenden
Legitimationsschein bei sich zu führen.
Auf die Ertheilung und Versagung der Erlaubniß finden die Vorschriften der §§. 57 Nr. 1, 2, 4, 57a, 57b
Nr. 1 und 2 und 63 Absatz 1 entsprechende Anwendung. Auf das bloße
Anheften und Anschlagen findet der Versagungsgrund der abschreckenden
Entstellung keine Anwendung.
Zur Vertheilung von Stimmzetteln
und Druckschriften zu Wahlzwecken bei der Wahl zu gesetzgebenden
Körperschaften ist eine polizeiliche Erlaubniß in der Zeit von der
amtlichen Bekanntmachung des Wahltages bis zur Beendigung des Wahlaktes
nicht erforderlich.
Dasselbe gilt auch bezüglich der nichtgewerbsmäßigen Vertheilung von Stimmzetteln und Druckschriften zu Wahlzwecken.
In
geschlossenen Räumen ist zur nichtgewerbsmäßigen Vertheilung von
Druckschriften oder anderen Schriften oder Bildwerken eine Erlaubniß
nicht erforderlich.
An die Stelle des im §. 5 Absatz 1 des Preßgesetzes vom 7. Mai 1874 angezogenen §. 57 der Gewerbeordnung treten die Bestimmungen der §§. 57 Nr. 1, 2, 4, 57a, 57b Nr. 1 und 2 des gegenwärtigen Gesetzes.
§. 44.
Wer
ein stehendes Gewerbe betreibt, ist befugt, auch außerhalb des
Gemeindebezirks seiner gewerblichen Niederlassung persönlich oder durch
in seinem Dienste stehende Reisende für die Zwecke seines
Gewerbebetriebes Waaren aufzukaufen und Bestellungen auf Waaren zu
suchen.
Die aufgekauften Waaren dürfen nur behufs deren
Beförderung nach dem Bestimmungsorte mitgeführt werden; von den Waaren,
auf welche Bestellungen gesucht werden, dürfen nur Proben und Muster
mitgeführt werden, soweit nicht der Bundesrath für bestimmte Waaren,
welche im Verhältnisse zu ihrem Umfange einen hohen Werth haben und
übungsgemäß an die Wiederverkäufer im Stück abgesetzt werden, zum Zweck
des Absatzes an Personen, welche damit Handel treiben, Ausnahmen zuläßt.
Das
Aufkaufen von Waaren darf ferner nur bei Kaufleuten oder solchen
Personen, welche die Waaren produziren, oder in offenen Verkaufsstellen
erfolgen. [193]
§. 44a.
Wer
in Gemäßheit des §. 44 Absatz 1 und 2 Waarenbestellungen aufsucht oder
Waaren aufkauft, bedarf hierzu einer Legitimationskarte, welche auf den
Antrag des Inhabers des stehenden Gewerbebetriebes von der für dessen
Niederlassungsort zuständigen Verwaltungsbehörde für die Dauer des
Kalenderjahres und den Umfang des Reichs ausgestellt wird. Die
Legitimationskarte enthält den Namen des Inhabers derselben, den Namen
der Person oder der Firma, in deren Diensten er handelt, und die nähere
Bezeichnung des Gewerbebetriebes.
Der Inhaber der
Legitimationskarte ist verpflichtet, dieselbe während der Ausübung des
Gewerbebetriebes bei sich zu führen, auf Erfordern der zuständigen
Behörden oder Beamten vorzuzeigen und, sofern er hierzu nicht im Stande
ist, auf deren Geheiß den Betrieb bis zur Herbeischaffung der
Legitimationskarte einzustellen.
Die Legitimationskarte ist zu
versagen, wenn bei demjenigen, für welchen sie beantragt wird, eine der
im §. 57 Ziffer 1 bis 4 bezeichneten Voraussetzungen zutrifft, außerdem
darf sie nur dann versagt werden, wenn die im §. 57b Ziffer 2 bezeichnete Voraussetzung vorliegt.
Die
Legitimationskarte kann durch die Behörde, welche sie ausgestellt hat,
zurückgenommen werden, wenn sich ergiebt, daß eine der im §. 57 Ziffer 1
bis 4 bezeichneten Voraussetzungen zur Zeit der Ertheilung derselben
vorhanden gewesen, der Behörde aber unbekannt geblieben, oder nach
Ertheilung derselben eingetreten ist, oder wenn bei dem
Geschäftsbetriebe die im §. 44 gezogenen Schranken überschritten werden.
Wegen des Verfahrens gelten die Vorschriften des §.63 Absatz 1.
Einer
Legitimationskarte bedürfen diejenigen Gewerbetreibenden nicht, welche
durch die in den Zollvereins- oder Handelsverträgen vorgesehene
Gewerbelegitimationskarte bereits legitimirt sind. In Betreff dieser
Gewerbetreibenden finden die vorstehenden Bestimmungen über die
Verpflichtung zum Mitführen der Legitimationskarte, über die Folgen der
Nichterfüllung dieser Verpflichtung, sowie über die Versagung und
Zurücknahme der Karte entsprechende Anwendung.
§. 45.
Die
Befugnisse zum stehenden Gewerbebetriebe können durch Stellvertreter
ausgeübt werden; diese müssen jedoch den für das in Rede stehende
Gewerbe insbesondere vorgeschriebenen Erfordernissen genügen.
§. 46.
Nach
dem Tode eines Gewerbetreibenden darf das Gewerbe für Rechnung der
Wittwe während des Wittwenstandes, oder, wenn minderjährige Erben
vorhanden sind, für deren Rechnung durch einen nach §. 45 qualifizirten
Stellvertreter betrieben werden, insofern die über den Betrieb einzelner
Gewerbe bestehenden besonderen Vorschriften nicht ein Anderes anordnen.
Dasselbe gilt während der Dauer einer Kuratel oder Nachlaßregulirung. [194]
§. 47.
Inwiefern
für die nach den §§. 34 und 36 konzessionirten oder angestellten
Personen eine Stellvertretung zulässig ist, hat in jedem einzelnen Falle
die Behörde zu bestimmen, welcher die Konzessionirung oder Anstellung
zusteht.
Dasselbe gilt in Beziehung auf diejenigen Schornsteinfeger, denen ein Kehrbezirk zugewiesen ist (§. 39).
§. 48.
Realgewerbeberechtigungen
können auf jede, nach den Vorschriften dieses Gesetzes zum Betriebe des
Gewerbes befähigte Person in der Art übertragen werden, daß der
Erwerber die Gewerbeberechtigung für eigene Rechnung ausüben darf.
§. 49.
Bei
Ertheilung der Genehmigung zu einer Anlage der in den §§. 16 und 24
bezeichneten Arten, imgleichen zur Anlegung von Privat-Kranken-,
Privat-Entbindungs- und Privat-Irrenanstalten, zu
Schauspielunternehmungen, sowie zum Betriebe der im §. 33 gedachten
Gewerbe, kann von der genehmigenden Behörde den Umständen nach eine
Frist festgesetzt werden, binnen welcher die Anlage oder das Unternehmen
bei Vermeidung des Erlöschens der Genehmigung begonnen und ausgeführt,
und der Gewerbebetrieb angefangen werden muß. Ist eine solche Frist
nicht bestimmt, so erlischt die ertheilte Genehmigung, wenn der Inhaber
nach Empfang derselben ein ganzes Jahr verstreichen läßt, ohne davon
Gebrauch zu machen.
Eine Verlängerung der Frist kann von der Behörde bewilligt werden, sobald erhebliche Gründe nicht entgegenstehen.
Hat
der Inhaber einer solchen Genehmigung seinen Gewerbebetrieb während
eines Zeitraums von drei Jahren eingestellt, ohne eine Fristung
nachgesucht und erhalten zu haben, so erlischt dieselbe.
Für die
im §. 16 aufgeführten Anlagen darf die nachgesuchte Fristung so lange
nicht versagt werden, als wegen einer durch Erbfall oder
Konkurserklärung entstandenen Ungewißheit über das Eigenthum an einer
Anlage oder, in Folge höherer Gewalt, der Betrieb entweder gar nicht
oder nur mit erheblichem Nachtheile für den Inhaber oder Eigenthümer der
Anlage stattfinden kann.
Das Verfahren für die Fristung ist dasselbe, wie für die Genehmigung neuer Anlagen.
§. 50.
Auf
die Inhaber der bereits vor dem Erscheinen des gegenwärtigen Gesetzes
ertheilten Genehmigungen finden die im §. 49 bestimmten Fristen
ebenfalls Anwendung, jedoch mit der Maßgabe, daß diese Fristen von dem
Tage der Verkündigung des Gesetzes an zu laufen anfangen. [195]
§. 51.
Wegen
überwiegender Nachtheile und Gefahren für das Gemeinwohl kann die
fernere Benutzung einer jeden gewerblichen Anlage durch die höhere
Verwaltungsbehörde zu jeder Zeit untersagt werden. Doch muß dem Besitzer
alsdann für den erweislichen Schaden Ersatz geleistet werden.
Gegen die untersagende Verfügung ist der Rekurs zulässig; wegen der Entschädigung steht der Rechtsweg offen.
§. 52.
Die
Bestimmung des §. 51 findet auch auf die zur Zeit der Verkündigung des
gegenwärtigen Gesetzes bereits vorhandenen gewerblichen Anlagen
Anwendung; doch entspringt aus der Untersagung der ferneren Benutzung
kein Anspruch auf Entschädigung, wenn bei der früher ertheilten
Genehmigung ausdrücklich vorbehalten worden ist, dieselbe ohne
Entschädigung zu widerrufen.
§. 53.
Die
in dem §. 29 bezeichneten Approbationen können von der
Verwaltungsbehörde nur dann zurückgenommen werden, wenn die
Unrichtigkeit der Nachweise dargethan wird, auf Grund deren solche
ertheilt worden sind, oder wenn dem Inhaber der Approbation die
bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt sind, im letzteren Falle jedoch nur
für die Dauer des Ehrenverlustes.
Außer aus diesen Gründen können die in den §§. 30, 30a,
32, 33, 34 und 36 bezeichneten Genehmigungen und Bestallungen in
gleicher Weise zurückgenommen werden, wenn aus Handlungen oder
Unterlassungen des Inhabers der Mangel derjenigen Eigenschaften, welche
bei der Ertheilung der Genehmigung oder Bestallung nach der Vorschrift
dieses Gesetzes vorausgesetzt werden mußten, klar erhellt. Inwiefern
durch die Handlungen oder Unterlassungen eine Strafe verwirkt ist,
bleibt der richterlichen Entscheidung vorbehalten.
Pfandleihern, welche vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 23. Juli 1879 (Reichs-Gesetzbl. S. 267)
den Gewerbebetrieb begonnen haben, kann derselbe untersagt werden, wenn
Thatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des
Gewerbetreibenden in Bezug auf den Gewerbebetrieb darthun.
§. 54.
Wegen
des Verfahrens und der Behörden, welche in Bezug auf die untersagte
Benutzung einer gewerblichen Anlage (§. 51), auf die Untersagung eines
Gewerbebetriebes (§. 35), und die Zurücknahme einer Approbation,
Genehmigung oder Bestallung (§§. 33a, 53) maßgebend sind, gelten die Vorschriften der §§. 20 und 21. [196]
Titel III. Gewerbebetrieb im Umherziehen.
§. 55.
Wer
außerhalb des Gemeindebezirks seines Wohnortes oder der durch besondere
Anordnung der höheren Verwaltungsbehörde dem Gemeindebezirke des
Wohnortes gleichgestellten nächsten Umgebung desselben ohne Begründung
einer gewerblichen Niederlassung und ohne vorgängige Bestellung in
eigener Person
- 1. Waaren feilbieten,
- 2.
Waarenbestellungen aufsuchen oder Waaren bei anderen Personen, als bei
Kaufleuten, oder an anderen Orten, als in offenen Verkaufsstellen zum
Wiederverkauf ankaufen,
- 3. gewerbliche Leistungen anbieten,
- 4.
Musikaufführungen, Schaustellungen, theatralische Vorstellungen oder
sonstige Lustbarkeiten, ohne daß ein höheres Interesse der Kunst oder
der Wissenschaft dabei obwaltet, darbieten will,
bedarf eines Wandergewerbescheins, soweit nicht für die in Ziffer 2 bezeichneten Fälle in Gemäßheit des §. 44a eine Legitimationskarte genügt.
In dem Falle der Ziffer 4 ist auch für den Marktverkehr (§. 64) ein Wandergewerbeschein erforderlich.
§. 56.
Beschränkungen,
vermöge deren gewisse Waaren von dem Feilhalten im stehenden
Gewerbebetriebe ganz oder theilweise ausgeschlossen sind, gelten auch
für deren Feilbieten im Umherziehen.
Ausgeschlossen vom Ankauf oder Feilbieten im Umherziehen sind:
- 1.
geistige Getränke, soweit nicht das Feilbieten derselben von der
Ortspolizeibehörde im Falle besonderen Bedürfnisses vorübergehend
gestattet ist;
- 2. gebrauchte Kleider, gebrauchte Wäsche,
gebrauchte Betten und gebrauchte Bettstücke, insbesondere Bettfedern,
Menschenhaare, Garnabfälle, Enden und Dräumen von Seide, Wolle, Leinen
oder Baumwolle;
- 3. Gold- und Silberwaaren, Bruchgold und Bruchsilber, sowie Taschenuhren;
- 4. Spielkarten;
- 5. Staats- und sonstige Werthpapiere, Lotterieloose, Bezugs- und Antheilscheine auf Werthpapiere und Lotterieloose;
- 6. explosive Stoffe, insbesondere Feuerwerkskörper, Schießpulver und Dynamit; [197]
- 7. solche mineralische und andere Oele, welche leicht entzündlich sind, insbesondere Petroleum, sowie Spiritus;
- 8. Stoß-, Hieb- und Schußwaffen;
- 9. Gifte und gifthaltige Waaren, Arznei- und Geheimmittel.
Ausgeschlossen vom Feilbieten im Umherziehen sind ferner:
- 10.
Druckschriften, andere Schriften und Bildwerke, insofern sie in
sittlicher oder religiöser Beziehung Aergerniß zu geben geeignet sind,
oder welche mittelst Zusicherung von Prämien oder Gewinnen vertrieben
werden.
Wer Druckschriften, andere Schriften oder
Bildwerke im Umherziehen feilbieten will, hat ein Verzeichniß derselben
der zuständigen Verwaltungsbehörde seines Wohnortes zur Genehmigung
vorzulegen. Die Genehmigung ist nur zu versagen, soweit das Verzeichniß
Druckschriften, andere Schriften oder Bildwerke der vorbezeichneten Art
enthält. Der Gewerbetreibende darf nur die in dem genehmigten
Verzeichnisse enthaltenen Druckschriften, anderen Schriften oder
Bildwerke bei sich führen, und ist verpflichtet, das Verzeichniß während
der Ausübung des Gewerbebetriebes bei sich zu führen, auf Erfordern der
zuständigen Behörden oder Beamten vorzuzeigen und, sofern er hierzu
nicht im Stande ist, auf deren Geheiß den Betrieb bis zur
Herbeischaffung des Verzeichnisses einzustellen.
§. 56a.
Ausgeschlossen vom Gewerbebetriebe im Umherziehen sind ferner:
- 1. die Ausübung der Heilkunde, insoweit der Ausübende für dieselbe nicht approbirt ist;
- 2.
das Aufsuchen sowie die Vermittelung von Darlehnsgeschäften und von
Rückkaufsgeschäften ohne vorgängige Bestellung, ferner das Aufsuchen von
Bestellungen auf Staats- und sonstige Werthpapiere, Lotterieloose und
Bezugs- und Antheilscheine auf Werthpapiere und Lotterieloose;
- 3.
das Aufsuchen von Bestellungen auf Branntwein und Spiritus bei
Personen, in deren Gewerbebetriebe dieselben keine Verwendung finden.
§. 56b.
Der
Bundesrath ist befugt, soweit ein Bedürfniß obwaltet, anzuordnen, daß
und inwiefern der Ankauf oder das Feilbieten von einzelnen der im §. 56
Absatz 2 ausgeschlossenen Waaren im Umherziehen gestattet sein soll.
Aus
Gründen der öffentlichen Sicherheit, sowie zur Abwehr oder
Unterdrückung von Seuchen kann durch Beschluß des Bundesraths und in
dringenden Fällen durch Anordnung des Reichskanzlers nach Einvernehmen
mit dem Ausschuß des Bundesraths für Handel und Verkehr für den Umfang
des Reichs oder für Theile desselben bestimmt werden, daß und inwiefern
außer den in den §§. 56 und 56a aufgeführten Gegenständen und
Leistungen auch noch andere Gegenstände und Leistungen auf bestimmte
Dauer von dem Gewerbebetriebe im [198]
Umherziehen ausgeschlossen sein sollen. Die Anordnung ist dem Reichstag
sofort, oder, wenn derselbe nicht versammelt ist, bei seinem nächsten
Zusammentritt mitzutheilen. Dieselbe ist außer Kraft zu setzen, wenn der
Reichstag die Zustimmung nicht ertheilt.
Durch die
Landesregierungen kann das Umherziehen mit Zuchthengsten zur Deckung von
Stuten untersagt oder Beschränkungen unterworfen werden.
§. 56c.
Das
Feilbieten von Waaren im Umherziehen in der Art, daß dieselben
versteigert oder im Wege des Glückspiels oder der Ausspielung (Lotterie)
abgesetzt werden, ist nicht gestattet. Ausnahmen von diesem Verbote
dürfen von der zuständigen Behörde zugelassen werden.
Oeffentliche
Ankündigungen des Gewerbebetriebes dürfen nur unter dem Namen des
Gewerbetreibenden mit Hinzufügung seines Wohnortes erlassen werden. Wird
für den Gewerbebetrieb eine Verkaufsstelle benutzt, so muß an derselben
in einer für Jedermann erkennbaren Weise ein den Namen und Wohnort des
Gewerbetreibenden angebender Aushang angebracht werden. Dies gilt
insbesondere von den Wanderlagern.
§. 56d.
Ausländern
kann der Gewerbebetrieb im Umherziehen gestattet werden. Der Bundesrath
ist befugt, die deshalb nöthigen Bestimmungen zu treffen.
§. 57.
Der Wandergewerbeschein ist zu versagen:
- 1.
wenn der Nachsuchende mit einer abschreckenden oder ansteckenden
Krankheit behaftet oder in einer abschreckenden Weise entstellt ist;
- 2. wenn er unter Polizeiaufsicht steht;
- 3.
wenn er wegen strafbarer Handlungen aus Gewinnsucht, gegen das
Eigenthum, gegen die Sittlichkeit, wegen vorsätzlicher Angriffe auf das
Leben und die Gesundheit der Menschen, wegen vorsätzlicher
Brandstiftung, wegen Zuwiderhandlungen gegen Verbote oder
Sicherungsmaßregeln, betreffend Einführung oder Verbreitung ansteckender
Krankheiten oder Viehseuchen, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens
drei Monaten verurtheilt ist, und seit Verbüßung der Strafe drei Jahre
noch nicht verflossen sind;
- 4. wenn er wegen gewohnheitsmäßiger Arbeitsscheu, Bettelei, Landstreicherei, Trunksucht übel berüchtigt ist;
- 5.
in dem Falle des §. 55 Ziffer 4, sobald der den Verhältnissen des
Verwaltungsbezirks der zuständigen Verwaltungsbehörde entsprechenden
Anzahl von Personen Wandergewerbescheine ertheilt oder ausgedehnt sind
(§. 60 Absatz 2). [199]
§. 57a.
Der Wandergewerbeschein ist in der Regel zu versagen:
- 1. wenn der Nachsuchende noch nicht großjährig ist;
- 2. wenn er blind, taub oder stumm ist, oder an Geistesschwäche leidet.
§. 57b.
Der Wandergewerbeschein darf außerdem nur dann versagt werden:
- 1. wenn der Nachsuchende im Inlande einen festen Wohnsitz nicht hat;
- 2.
wenn er wegen strafbarer Handlungen aus Gewinnsucht, gegen das
Eigenthum, gegen die Sittlichkeit, wegen vorsätzlicher Angriffe auf das
Leben und die Gesundheit der Menschen, wegen vorsätzlicher
Brandstiftung, wegen Zuwiderhandlungen gegen Verbote oder
Sicherungsmaßregeln, betreffend Einführung oder Verbreitung ansteckender
Krankheiten oder Viehseuchen, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens
sechs Wochen verurtheilt ist, und seit Verbüßung der Strafe drei Jahre
noch nicht verflossen sind;
- 3. wenn er wegen Verletzung der auf
den Gewerbebetrieb im Umherziehen bezüglichen Vorschriften im Laufe der
letzten drei Jahre wiederholt bestraft ist;
- 4. wenn er ein oder
mehrere Kinder besitzt, für deren Unterhalt und, sofern sie im
schulpflichtigen Alter stehen, für deren Unterricht nicht genügend
gesorgt ist.
§. 58.
Der Wandergewerbeschein kann zurückgenommen werden, wenn sich ergiebt, daß eine der im §. 57 Ziffer 1 bis 4, §. 57a oder §. 57b
bezeichneten Voraussetzungen entweder zur Zeit der Ertheilung desselben
bereits vorhanden gewesen, der Behörde aber unbekannt geblieben, oder
erst nach Ertheilung des Scheins eingetreten ist.
§. 59.
Eines Wandergewerbescheins bedarf nicht:
- 1.
wer selbstgewonnene oder rohe Erzeugnisse der Land- und
Forstwirthschaft, des Garten- und Obstbaues, der Geflügel- und
Bienenzucht, sowie selbstgewonnene Erzeugnisse der Jagd und Fischerei
feilbietet;
- 2. wer in der Umgegend seines Wohnortes bis zu 15
Kilometer Entfernung von demselben selbstverfertigte Waaren, welche zu
den Gegenständen des Wochenmarktverkehrs gehören, feilbietet oder
gewerbliche Leistungen, hinsichtlich deren dies Landesgebrauch ist,
anbietet; [200]
- 3.
wer selbstgewonnene Erzeugnisse oder selbstverfertigte Waaren,
hinsichtlich deren dies Landesgebrauch ist, zu Wasser anfährt und von
dem Fahrzeuge aus feilbietet;
- 4. wer bei öffentlichen Festen,
Truppenzusammenziehungen oder anderen außergewöhnlichen Gelegenheiten
mit Erlaubniß der Ortspolizeibehörde die von derselben zu bestimmenden
Waaren feilbietet.
Die Landesregierungen können in
weiterem Umfange den Gewerbebetrieb im Umherziehen mit Gegenständen des
gemeinen Verbrauchs ohne Wandergewerbeschein innerhalb ihres Gebietes
gestatten.
§. 59a.
In
den Fällen des §. 59 Ziffer 1 bis 3 kann der Gewerbebetrieb untersagt
werden, wenn die Voraussetzungen des §. 57 Ziffer 1 bis 4 vorliegen.
§. 60.
Der
Wandergewerbeschein wird für die Dauer des Kalenderjahres ertheilt, er
berechtigt den Inhaber, in dem ganzen Gebiete des Reichs das bezeichnete
Gewerbe nach Entrichtung der darauf haftenden Landessteuern zu
betreiben. Soweit nach §. 56 Ziffer 1 das Feilbieten von geistigen
Getränken im Falle besonderen Bedürfnisses vorübergehend gestattet wird,
ist die räumliche und zeitliche Beschränkung dieser Erlaubniß im
Wandergewerbescheine anzugeben.
Ein Wandergewerbeschein für den
Betrieb der im §. 55 Ziffer 4 bezeichneten Gewerbe gewährt die Befugniß
zum Gewerbebetriebe in einem anderen, als dem Bezirke derjenigen
Verwaltungsbehörde, welche ihn ausgestellt hat, nur dann, wenn er auf
den anderen Bezirk von dessen Verwaltungsbehörde ausgedehnt ist. Sowohl
die Ausstellung als auch die Ausdehnung eines derartigen
Wandergewerbescheins kann für eine kürzere Dauer, als das Kalenderjahr,
oder für bestimmte Tage während des Kalenderjahres erfolgen. Die
Ausdehnung ist zu versagen, sobald für die den Verhältnissen des Bezirks
entsprechende Anzahl von Personen Wandergewerbescheine bereits
ausgestellt oder ausgedehnt sind.
Die Verwaltungsbehörde kann die von ihr bewilligte Ausdehnung nach Maßgabe des §. 58 zurücknehmen.
Der
Wandergewerbeschein enthält die Personalbeschreibung des Inhabers und
die nähere Bezeichnung des Geschäftsbetriebes. Das Formular der
Wandergewerbescheine bestimmt der Bundesrath.
§. 60a.
Wer
die im §. 55 Ziffer 4 bezeichneten Gewerbe an einem Orte von Haus zu
Haus oder auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an anderen
öffentlichen Orten ausüben will, bedarf der vorgängigen Erlaubniß der
Ortspolizeibehörde. [201]
§. 60b.
Minderjährigen
Personen kann in dem Wandergewerbescheine die Beschränkung auferlegt
werden, daß sie das Gewerbe nicht nach Sonnenuntergang, und
minderjährigen Personen weiblichen Geschlechts kann außerdem die
Beschränkung auferlegt werden, daß sie dasselbe nur auf öffentlichen
Wegen, Straßen und Plätzen, nicht aber von Haus zu Haus betreiben
dürfen.
Desgleichen kann von der Ortspolizeibehörde
minderjährigen Personen verboten werden, daß sie innerhalb des
Polizeibezirks die im §. 59 Ziffer 1 und 2 aufgeführten Gegenstände nach
Sonnenuntergang, und minderjährigen Personen weiblichen Geschlechts,
daß sie dieselben Gegenstände von Haus zu Haus feilbieten.
§. 60c.
Der
Inhaber eines Wandergewerbescheins ist verpflichtet, diesen während der
Ausübung des Gewerbebetriebes bei sich zu führen, auf Erfordern der
zuständigen Behörden oder Beamten vorzuzeigen und, sofern er hierzu
nicht im Stande ist, auf deren Geheiß den Betrieb bis zur
Herbeischaffung des Wandergewerbescheins einzustellen. Auf gleiches
Erfordem hat er die von ihm geführten Waaren vorzulegen.
Zum
Zweck des Gewerbebetriebes ist ohne vorgängige Erlaubniß der Eintritt in
fremde Wohnungen, sowie zur Nachtzeit das Betreten fremder Häuser und
Gehöfte nicht gestattet.
Denselben Bestimmungen – Absatz 2 – unterliegt das Feilbieten der im §. 59 Ziffer 1 und 2 aufgeführten Gegenstände.
§. 60d.
Der Wandergewerbeschein darf einem Anderen nicht zur Benutzung überlassen werden.
Wer
für einen Anderen ein Gewerbe im Umherziehen zu betreiben beabsichtigt,
unterliegt für seine Person den Bestimmungen dieses Gesetzes.
Wenn
mehrere Personen die im §. 55 Ziffer 4 bezeichneten Gewerbe in
Gemeinschaft mit einander zu betreiben beabsichtigen, so kann auf ihren
Antrag ein gemeinsamer Wandergewerbeschein für die Gesellschaft als
solche ausgestellt werden, in welchem jedes einzelne Mitglied
aufzuführen ist. Werden für die einzelnen Mitglieder besondere
Wandergewerbescheine ausgestellt, so kann in die letzteren ein Vermerk
aufgenommen werden, nach welchem dem Inhaber der Gewerbebetrieb nur im
Verbande einer bestimmten Gesellschaft, oder einer Gesellschaft
überhaupt, gestattet sein soll.
Umherziehenden
Schauspielergesellschaften wird der Wandergewerbeschein nur dann
ertheilt, wenn der Unternehmer die im §. 32 vorgeschriebene Erlaubniß
besitzt. In dem Wandergewerbescheine für den Unternehmer einer
Schauspielergesellschaft [202] ist ausdrücklich zu vermerken, daß der Gewerbetreibende als
Unternehmer auftreten will.
§. 61.
Die
Ertheilung des Wandergewerbescheins erfolgt durch die für den Wohnort
oder Aufenthaltsort des Nachsuchenden zuständige höhere
Verwaltungsbehörde. Die Verwaltungsbehörde des Aufenthaltsortes kann den
Nachsuchenden an die Behörde seines Wohnortes verweisen.
In dem
Falle des §. 55 Ziffer 4 erfolgt die Ertheilung des
Wandergewerbescheins durch die höhere Verwaltungsbehörde, in deren
Bezirk das Gewerbe betrieben werden soll.
Die Zurücknahme des
Wandergewerbescheins erfolgt durch die für den Wohnort oder
Aufenthaltsort des Inhabers zuständige höhere Verwaltungsbehörde.
§. 62.
Wer
beim Gewerbebetriebe im Umherziehen andere Personen von Ort zu Ort mit
sich führen will, bedarf der Erlaubniß derjenigen Behörde, welche den
Wandergewerbeschein ertheilt hat, oder in deren Bezirk sich der
Nachsuchende befindet. Die Erlaubniß wird in dem Wandergewerbescheine
unter näherer Bezeichnung dieser Personen vermerkt.
Die
Erlaubniß ist zu versagen, insoweit bei ihnen eine der im §. 57
bezeichneten Voraussetzungen zutrifft; außerdem darf dieselbe nur dann
versagt werden, insoweit eine der im §. 57a und §. 57b
bezeichneten Voraussetzungen vorliegt. Die Zurücknahme der Erlaubniß
erfolgt nach Maßgabe des §. 58 durch eine für deren Ertheilung
zuständige Behörde.
Die Mitführung von Kindern unter vierzehn Jahren zu gewerblichen Zwecken ist verboten.
Die
Erlaubniß zur Mitführung von Kindern, welche schulpflichtig sind, ist
zu versagen und die bereits ertheilte Erlaubniß zurückzunehmen, wenn
nicht für einen ausreichenden Unterricht der Kinder gesorgt ist.
Die
Erlaubniß zur Mitführung von Kindern unter vierzehn Jahren kann versagt
und von der für die Ertheilung derselben zuständigen Behörde
zurückgenommen werden. Dasselbe gilt von der Erlaubniß zur Mitführung
von Personen anderen Geschlechts mit Ausnahme der Ehegatten und der über
vierzehn Jahre alten eigenen Kinder und Enkel.
§. 63.
Wird
der Wandergewerbeschein versagt oder zurückgenommen, oder wird die
erfolgte Ausdehnung desselben zurückgenommen, so ist dies dem
Betheiligten mittelst schriftlichen Bescheides unter Angabe der Gründe
zu eröffnen. Gegen den Bescheid ist der Rekurs zulässig, jedoch ohne
aufschiebende Wirkung. Wegen des Verfahrens und der Behörden gelten die
Vorschriften der §§. 20 und 21. Dasselbe [203]
gilt von der Versagung der Genehmigung des Druckschriftenverzeichnisses
(§. 56 Absatz 4), von der Untersagung des Gewerbebetriebes gemäß §. 59a und der Versagung oder Zurücknahme der Erlaubniß in den Fällen des §. 62 Absatz 2.
Die in Gemäßheit des §. 57 Ziffer 5 erfolgte Versagung des Wandergewerbescheins, sowie die auf Grund der §§. 60 Absatz 2, 60b
und 62 Absatz 4 und 5 getroffenen Verfügungen können nur im Wege der
Beschwerde an die unmittelbar vorgesetzte Aufsichtsbehörde angefochten
werden.
Titel IV. Marktverkehr.
§. 64.
Der
Besuch der Messen, Jahr- und Wochenmärkte, sowie der Kauf und Verkauf
auf denselben steht einem Jeden mit gleichen Befugnissen frei.
Wo
jedoch nach der bisherigen Ortsgewohnheit gewisse Handwerkerwaaren,
welche nicht zu den im §. 66 bezeichneten Gegenständen gehören, nur von
Bewohnern des Marktortes auf dem Wochenmarkte verkauft werden durften,
kann die höhere Verwaltungsbehörde, auf Antrag der Gemeindebehörde, den
einheimischen Verkäufern die Fortsetzung des herkömmlichen
Wochenmarktverkehrs mit jenen Handwerkerwaaren gestatten, ohne
auswärtige Verkäufer derselben Waaren auf dem Wochenmarkte zuzulassen.
Beschränkungen
des Marktverkehrs der Ausländer als Erwiderung der im Auslande gegen
Reichsangehörige angeordneten Beschränkungen bleiben dem Bundesrath
vorbehalten.
§. 65.
Die Zahl, Zeit und Dauer der Messen, Jahr- und Wochenmärkte wird von der zuständigen Verwaltungsbehörde festgesetzt.
Dem
Marktberechtigten steht gegen eine solche Anordnung kein Widerspruch
zu; ein Entschädigungsanspruch gebührt demselben nur dann, wenn durch
die Anordnung die Zahl der bis dahin abgehaltenen Märkte vermindert
wird, und eine größere Zahl ausdrücklich und unwiderruflich verliehen
war. Gemeinden, welche einen Entschädigungsanspruch geltend machen
wollen, müssen außerdem nachweisen, daß ihr Recht auf einen speziellen
lästigen Titel sich gründet.
§. 66.
Gegenstände des Wochenmarktverkehrs sind:
- 1. rohe Naturerzeugnisse mit Ausschluß des größeren Viehs;
- 2.
Fabrikate, deren Erzeugung mit der Land- und Forstwirthschaft, dem
Garten- und Obstbau oder der Fischerei in unmittelbarer Verbindung [204]
steht, oder zu den Nebenbeschäftigungen der Landleute der Gegend
gehört, oder durch Tagelöhnerarbeit bewirkt wird, mit Ausschluß der
geistigen Getränke;
- 3. frische Lebensmittel aller Art.
Die
zuständige Verwaltungsbehörde ist auf Antrag der Gemeindebehörde
befugt, zu bestimmen, welche Gegenstände außerdem nach Ortsgewohnheit
und Bedürfniß in ihrem Bezirke überhaupt, oder an gewissen Orten zu den
Wochenmarktartikeln gehören.
§. 67.
Auf
Jahrmärkten dürfen außer den im §. 66 benannten Gegenständen
Verzehrungsgegenstände und Fabrikate aller Art feilgehalten werden.
Zum Verkauf von geistigen Getränken zum Genuß auf der Stelle bedarf es jedoch der Genehmigung der Ortspolizeibehörde.
§. 68.
Der
Marktverkehr darf in keinem Falle mit anderen als solchen Abgaben
belastet werden, welche eine Vergütung für den überlassenen Raum und den
Gebrauch von Buden und Geräthschaften bilden. In den Bestimmungen
darüber, ob und in welchem Umfange Abgaben dieser Art erhoben werden
dürfen, wird durch gegenwärtiges Gesetz nichts geändert. Ein Unterschied
zwischen Einheimischen und Fremden bezüglich der Zahlung der Abgaben
darf nicht stattfinden.
§. 69.
In
den Grenzen der Bestimmungen der §§. 65 bis 68 kann die
Ortspolizeibehörde, im Einverständniß mit der Gemeindebehörde, die
Marktordnung nach dem örtlichen Bedürfniß festsetzen, namentlich auch
für das Feilbieten von gleichartigen Gegenständen den Platz, und für das
Feilbieten im Umhertragen, mit oder ohne Ausruf, die Tageszeit und die
Gattung der Waaren bestimmen.
§. 70.
In
Betreff der Märkte, welche bei besonderen Gelegenheiten oder für
bestimmte Gattungen von Gegenständen gehalten werden, bewendet es bei
den bestehenden Anordnungen.
Erweiterungen dieses Marktverkehrs können von der zuständigen Behörde mit Zustimmung der Gemeindebehörde angeordnet werden.
§. 71.
Beschränkungen
des Verkehrs mit den zu Messen und Märkten gebrachten, aber unverkauft
gebliebenen Gegenständen werden hierdurch aufgehoben. Der [205]
Einzelverkauf solcher Gegenstände außer der Marktzeit ist jedoch nur
unter denselben Bedingungen zulässig, unter welchen derselbe statthaft
sein würde, wenn die Gegenstände nicht auf den Markt gebracht wären.
Titel V. Taxen.
§. 72.
Polizeiliche
Taxen sollen, soweit nicht ein Anderes nachstehend angeordnet worden,
künftig nicht vorgeschrieben werden; da, wo sie gegenwärtig bestehen,
sind sie in einer von der Ortspolizeibehörde zu bestimmenden, höchstens
einjährigen Frist aufzuheben.
§. 73.
Die
Bäcker und die Verkäufer von Backwaaren können durch die
Ortspolizeibehörde angehalten werden, die Preise und das Gewicht ihrer
verschiedenen Backwaaren für gewisse von derselben zu bestimmende
Zeiträume durch einen von außen sichtbaren Anschlag am Verkaufslokale
zur Kenntniß des Publikums zu bringen.
Dieser Anschlag ist kostenfrei mit dem polizeilichen Stempel zu versehen und täglich während der Verkaufszeit auszuhängen.
§. 74.
Wo
der Verkauf von Backwaaren nur nach den von den Bäckern und Verkäufern
an ihren Verkaufslokalen angeschlagenen Preisen erlaubt ist, kann die
Ortspolizeibehörde die Bäcker und Verkäufer zugleich anhalten, im
Verkaufslokale eine Waage mit den erforderlichen geaichten Gewichten
aufzustellen und die Benutzung derselben zum Nachwiegen der verkauften
Backwaaren zu gestatten.
§. 75.
Die
Gastwirthe können durch die Ortspolizeibehörde angehalten werden, das
Verzeichniß der von ihnen gestellten Preise einzureichen und in den
Gastzimmern anzuschlagen. Diese Preise dürfen zwar jederzeit abgeändert
werden, bleiben aber so lange in Kraft, bis die Abänderung der
Polizeibehörde angezeigt und das abgeänderte Verzeichniß in den
Gastzimmern angeschlagen ist. Auf Beschwerden Reisender wegen
Ueberschreitung der verzeichneten Preise steht der Ortspolizeibehörde
eine vorläufige Entscheidung vorbehaltlich des Rechtsweges zu.
§. 76.
Die
Ortspolizeibehörde ist in Uebereinstimmung mit der Gemeindebehörde
befugt, für Lohnbediente und andere Personen, welche auf öffentlichen
Straßen und Plätzen oder in Wirthshäusern ihre Dienste anbieten (§. 37),
sowie für die [206]
Benutzung von Wagen, Pferden, Sänften, Gondeln und anderen
Transportmitteln, welche öffentlich zum Gebrauch aufgestellt sind, Taxen
festzusetzen.
§. 77.
Ebenso
können für Schornsteinfeger, wenn ihnen Bezirke ausschließlich
zugewiesen sind, von der Ortspolizeibehörde, im Einverständniß mit der
Gemeindebehörde, oder, wenn der zugewiesene Bezirk mehr als eine
Ortschaft umfaßt, von der unteren Verwaltungsbehörde Taxen aufgestellt
werden.
§. 78.
Hinsichtlich
der Taxen für solche gewerbetreibende Personen, welche nach den
Bestimmungen im §. 36 von den Behörden zu beeidigen und anzustellen
sind, wird durch das gegenwärtige Gesetz nichts geändert. Die nach §. 36
zuständigen Behörden sind befugt, für diese Personen auch da Taxen
einzuführen, wo dergleichen bisher nicht bestanden.
§. 79.
Die in den §§. 73 bis 78 genannten Gewerbetreibenden sind berechtigt, die festgestellten Preise und Taxen zu ermäßigen.
§. 80.
Die
Taxen für die Apotheker können durch die Zentralbehörden festgesetzt
werden, Ermäßigungen derselben durch freie Vereinbarungen sind jedoch
zulässig.
Die Bezahlung der approbirten Aerzte u. s. w. (§. 29
Absatz 1) bleibt der Vereinbarung überlassen. Als Norm für streitige
Fälle im Mangel einer Vereinbarung können jedoch für dieselben Taxen von
den Zentralbehörden festgesetzt werden.
Titel VI. Innungen von Gewerbetreibenden.
I. Bestehende Innungen.
§. 81.
Alle
zur Zeit gesetzlich bestehenden Korporationen von Gewerbetreibenden
(Innungen, Zünfte) dauern fort. Ihre Statuten (Innungsartikel,
Zunftartikel) bleiben in Kraft, soweit sie nicht durch die Vorschriften
dieses Gesetzes oder nach Maßgabe der Bestimmung im §. 92 abgeändert
werden.
§. 82.
Jedes
Mitglied einer Innung kann jederzeit, vorbehaltlich der Erfüllung
seiner Verpflichtungen, ausscheiden und darf das Gewerbe nach dem
Austritte fortsetzen. Der Ausgeschiedene verliert alle Ansprüche an das
Zunftvermögen [207] und die durch dasselbe ganz oder theilweise fundirten Nebenkassen, soweit die
Statuten nicht ein Anderes bestimmen.
§. 83.
Von dem Eintritte in eine Innung können diejenigen ausgeschlossen werden:
- 1. welche sich nicht im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte befinden;
- oder
- 2. welche in Folge gerichtlicher Anordnung in der Verfügung über ihr Vermögen beschränkt sind.
§. 84.
Vorbehaltlich
der vorstehenden Bestimmung (§. 83) darf der Eintritt in eine Innung
Keinem versagt werden, welcher die in dem Statut vorgeschriebenen
Bedingungen erfüllt hat.
Bedarf es zu diesem Zweck der Ablegung
einer Prüfung, so ist dieselbe auf den Nachweis der Befähigung zur
selbständigen Ausführung der gewöhnlichen Arbeiten des Gewerbes zu
richten. Die deshalb zu lösenden Aufgaben, sowie der zur Bestreitung der
Prüfungskosten von dem zu Prüfenden zu zahlende Betrag, werden von der
Innung bestimmt. Bevorzugungen sind dabei nicht statthaft.
Die
Prüfungszeugnisse der für einzelne Gewerbe angeordneten besonderen
Prüfungsbehörden und der bisher zur Abnahme von Prüfungen befugt
gewesenen Kommissionen sind ein genügender Nachweis der Befähigung zum
Betriebe der Gewerbe, über welche sie ausgestellt sind.
Die
Ablegung einer Prüfung kann von denjenigen nicht gefordert werden,
welche das betreffende Gewerbe mindestens seit einem Jahre selbständig
ausüben.
§. 85.
Die
bei der Aufnahme in eine Innung zu entrichtenden Antrittsgelder müssen
für alle Genossen der Innungen gleich sein. Wo sie mehr als fünfzehn
Mark betragen, bedarf es zu ihrer Erhöhung der Genehmigung der höheren
Verwaltungsbehörde. Diese Genehmigung ist auch dann erforderlich, wenn
Antrittsgelder, welche den Betrag von fünfzehn Mark nicht übersteigen,
über diesen Betrag erhöht werden sollen.
Der Beitritt zu einer Innung schließt die Befugniß nicht aus, an anderen Innungen Theil zu nehmen.
§. 86.
Durch
Beschluß der Innung kann von Ausübung des Stimmrechts, sowie der
Ehrenrechte innerhalb der Innung derjenige ausgeschlossen werden,
welcher in einem der im §. 83 unter 1, 2 bezeichneten Verhältnisse sich
befindet. [208]
§. 87.
Wird
nach dem Tode eines Innungsgenossen dessen Gewerbe durch einen
Stellvertreter für Rechnung der Wittwe oder minderjährigen Erben
fortgesetzt, so gehen die Befugnisse und Obliegenheiten des
Verstorbenen, mit Ausnahme des Stimmrechts in der Innungsversammlung,
auf die Wittwe für die Dauer des Wittwenstandes, beziehungsweise auf die
minderjährigen Erben für die Dauer der Minderjährigkeit, über.
§. 88.
Die Innung wird bei gerichtlichen wie bei außergerichtlichen Verhandlungen durch ihren Vorstand vertreten.
Die
Legitimation desselben wird durch eine amtliche Bescheinigung der
Gemeindebehörde über seine Eigenschaft als solcher geführt.
Die
Befugniß zur Vertretung erstreckt sich auch auf diejenigen Geschäfte und
Rechtshandlungen, für welche nach den Gesetzen eine Spezialvollmacht
erforderlich ist.
Soweit in dem Statut (Innungsartikeln,
Zunftartikeln) einem Mitgliede oder mehreren Mitgliedern des Vorstandes
die Vertretung der Innung nach außen übertragen ist, behält es hierbei
sein Bewenden.
§. 89.
Verträge
der Innung über die Erwerbung, Veräußerung oder Verpfändung
unbeweglicher Sachen und über Darlehen, für welche das unbewegliche
Vermögen der Innung oder die Nutzungen desselben auf länger als ein Jahr
haften sollen, bedürfen zu ihrer Rechtsgültigkeit der Genehmigung der
Gemeindebehörde. Dieselbe darf jedoch nicht versagt werden, wenn
nachgewiesen wird, daß die Erfüllung aller bestehenden Verpflichtungen
der Innung, sowie der für den Fall der Auflösung durch §. 94 getroffenen
Vorschriften gesichert bleibt.
§. 90.
Zahlungen
aus den Einnahmen oder dem Vermögen der Innung an Genossen derselben
dürfen nur insoweit geleistet werden, als sie auf ausdrücklichen
Vorschriften des Statuts beruhen. Für Zehrung dürfen solche Zahlungen
niemals geleistet werden.
§. 91.
Die
exekutivische Beitreibung der Innungsbeiträge und der von
Innungsgenossen wegen Verletzung statutarischer Vorschriften verwirkten
Geldstrafen im Verwaltungswege findet ferner nicht statt.
§. 92.
Abänderungen
des Statuts können in einer Versammlung der Innung, zu welcher
sämmtliche stimmberechtigte Genossen unter ausdrücklicher Bezeichnung
des [209]
Gegenstandes der Berathung schriftlich eingeladen sind, durch absolute
Mehrheit der Anwesenden beschlossen werden. Der Beschluß bedarf der
Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde, wenn er Zahlungen aus den
Einnahmen oder dem Vermögen der Innung an Genossen derselben oder andere
Verfügungen über das Innungsvermögen zum Gegenstande hat. Diese
Genehmigung darf jedoch nicht versagt werden, wenn nachgewiesen wird,
daß die Erfüllung aller bestehenden Verpflichtungen der Innung, sowie
der für den Fall der Auflösung durch §. 94 getroffenen Vorschriften
gesichert bleibt.
§. 93.
Ihre
Auflösung kann die Innung in einer Versammlung, zu welcher sämmtliche
stimmberechtigte Genossen unter ausdrücklicher Bezeichnung des
Gegenstandes der Berathung schriftlich eingeladen sind, durch absolute
Mehrheit der Anwesenden beschließen. Der Beschluß bedarf der Genehmigung
der höheren Verwaltungsbehörde. Diese Genehmigung wird ertheilt, wenn
die Berichtigung der Schulden und die Erfüllung der Vorschriften des §.
94 sichergestellt ist.
§. 94.
Löst
eine Innung sich auf, so muß ihr Vermögen zuvörderst zur Berichtigung
ihrer Schulden und zur Erfüllung ihrer sonstigen Verpflichtungen
verwendet werden. War dasselbe bisher ganz oder theilweise zur Fundirung
von Unterrichtsanstalten oder zu anderen öffentlichen Zwecken bestimmt,
so darf dasselbe dieser Bestimmung nicht entzogen werden. Wird dafür
nicht in anderer genügender Weise Sorge getragen, so fällt das
betreffende Vermögen der Gemeinde gegen Uebernahme der darauf lastenden
Verpflichtungen zu.
Eine Vertheilung des hiernach verbleibenden
Reinvermögens unter die zeitigen Mitglieder kann die Innung bei ihrer
Auflösung nur soweit beschließen, als dasselbe aus Beiträgen dieser
Mitglieder entstanden ist.
Der Rest des Vermögens wird, sofern
in dem Statut oder in den Landesgesetzen nicht ein Anderes ausdrücklich
bestimmt ist, der Gemeinde, in welcher die aufgelöste Innung ihren Sitz
hatte, zur Benutzung für gewerbliche Zwecke überwiesen.
Entstehen
aus den vorstehenden Bestimmungen Differenzen zwischen der Ortsgemeinde
und der Innung, so steht die Entscheidung darüber der höheren
Verwaltungsbehörde zu.
Letzterer steht auch die Befugniß zu, den
bisher mit der Innung verbunden gewesenen Unterrichtsanstalten,
Hülfskassen oder anderen Instituten zu öffentlichen Zwecken nach der
Auflösung der Innung Korporationsrechte zu ertheilen.
Die vorstehenden Vorschriften kommen auch im Falle des Erlöschens einer Innung durch Aussterben ihrer Mitglieder zur Anwendung.
§. 95.
Die
Gemeindebehörde übt die Aufsicht über die Innungen aus. Sie entscheidet
Streitigkeiten über die Aufnahme und Ausschließung von Genossen, über [210]
die Wahl der Vorstände und über die Rechte und Pflichten der letzteren.
Gegen ihre Entscheidung steht der Rekurs an die höhere
Verwaltungsbehörde offen, welcher binnen einer präklusivischen Frist von
vier Wochen bei der Gemeindebehörde anzubringen ist.
Innungsversammlungen,
in welchen über Abänderungen des Statuts oder über die Auflösung der
Innung Beschluß gefaßt werden soll, wohnt die Gemeindebehörde durch
eines ihrer Mitglieder oder einen Beauftragten bei. An anderen
Berathungen der Innung nimmt sie nicht Theil. Die Bestätigung der Wahl
der Vorstände steht ihr fortan nicht zu.
§. 96.
Alle
Bestimmungen der Gesetze oder der Statuten (Innungsartikel,
Zunftartikel), durch welche der Gemeindebehörde in Angelegenheiten der
Innungen größere Befugnisse beigelegt sind, als durch gegenwärtiges
Gesetz, treten außer Kraft.
II. Neue Innungen.
§. 97.
Diejenigen,
welche ein Gewerbe selbständig betreiben, können zur Förderung der
gemeinsamen gewerblichen Interessen zu einer Innung zusammentreten.
Aufgabe der neuen Innungen ist:
- 1. die Pflege des Gemeingeistes sowie die Aufrechterhaltung und Stärkung der Standesehre unter den Innungsmitgliedern;
- 2.
die Förderung eines gedeihlichen Verhältnisses zwischen Meistern und
Gesellen, sowie die Fürsorge für das Herbergswesen der Gesellen und für
die Nachweisung von Gesellenarbeit;
- 3. die nähere Regelung des
Lehrlingswesens und der Fürsorge für die technische, gewerbliche und
sittliche Ausbildung der Lehrlinge;
- 4. Streitigkeiten der im §. 120a
bezeichneten Art zwischen den Innungsmitgliedern und ihren Lehrlingen
an Stelle der Gemeindebehörde (Absatz 2 daselbst) zu entscheiden.
§. 97a.
Die
Innungen sind befugt, ihre Wirksamkeit auf andere, den
Innungsmitgliedern gemeinsame gewerbliche Interessen als die im §. 97
bezeichneten auszudehnen. Insbesondere steht ihnen zu:
- 1. Fachschulen für Lehrlinge zu errichten und dieselben zu leiten;
- 2. zur Förderung der gewerblichen und technischen Ausbildung der Meister und Gesellen geeignete Einrichtungen zu treffen;
- 3. Gesellen- und Meisterprüfungen zu veranstalten und über die Prüfungen Zeugnisse auszustellen; [211]
- 4. zur Förderung des Gewerbebetriebes der Innungsmitglieder einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb einzurichten;
- 5.
zur Unterstützung der Innungsmitglieder, ihrer Angehörigen, ihrer
Gesellen und Lehrlinge in Fällen der Krankheit, des Todes, der
Arbeitsunfähigkeit oder sonstiger Bedürftigkeit, Kassen einzurichten;
- 6. Schiedsgerichte zu errichten, welche berufen sind, Streitigkeiten der im §. 120a bezeichneten Art zwischen den Innungsmitgliedern und deren Gesellen an Stelle der sonst zuständigen Behörden zu entscheiden.
§. 98.
Der
Bezirk, für welchen eine Innung errichtet wird, soll in der Regel nicht
über den Bezirk der höheren Verwaltungsbehörde, in welchem die Innung
ihren Sitz nimmt, hinausgehen. Ausnahmen bedürfen der Genehmigung der
Zentralbehörde.
Bei der Errichtung ist der Innung ein Name zu
geben, welcher von dem aller anderen, an demselben Orte oder in
derselben Gemeinde befindlichen Innungen verschieden ist.
§. 98a.
Die
Aufgaben der Innung, die Einrichtung ihrer Verwaltung und die
Rechtsverhältnisse ihrer Mitglieder werden, soweit das Gesetz darüber
nicht bestimmt, durch das Innungsstatut geregelt.
Dasselbe muß Bestimmung treffen:
- 1. über Namen, Sitz und Bezirk der Innung;
- 2.
über die Aufgaben der Innung, sowie über die dauernden Einrichtungen
zur Erfüllung dieser Aufgaben; namentlich sind die nachfolgenden
Verhältnisse des Lehrlingswesens zu regeln:
- a) die von
den Innungsmitgliedern bei der Annahme von Lehrlingen zu erfüllenden
Voraussetzungen und Formen, sowie die Dauer der Lehrzeit,
- b) die Ueberwachung der Beobachtung der in §§. 120, 126, 127 enthaltenen Vorschriften seitens der Innung,
- c) die Verpflichtung der Meister, ihre Lehrlinge zum Besuche der Fortbildungsschule oder der Fachschule anzuhalten,
- d) die Beendigung der Lehrzeit, die Ausschreibung der Lehrlinge vor der Innung und die Ertheilung des Lehrbriefes,
- e) die Bildung der Behörde und das Verfahren zur Entscheidung der im §. 97 unter Nr. 4 bezeichneten Streitigkeiten;
- 3. über Aufnahme, Austritt und Ausschließung der Mitglieder;
- 4.
über die Rechte und Pflichten der Mitglieder, insbesondere über die
Beiträge, welche von denselben zu entrichten sind, und über den Maßstab,
nach welchem deren Umlegung erfolgt; [212]
- 5. über die etwa wegen Verletzung statutarischer Vorschriften gegen die Innungsmitglieder zu verhängenden Ordnungsstrafen;
- 6. über die Bildung des Vorstandes, über den Umfang seiner Befugnisse und die Formen seiner Geschäftsführung;
- 7.
über die Zusammensetzung und Berufung der Innungsversammlung, über das
Stimmrecht in derselben und über die Art der Beschlußfassung;
- 8. über die Beurkundung der Beschlüsse der Innungsversammlung und des Vorstandes;
- 9. über die Voraussetzungen und die Form einer Abänderung des Statuts;
- 10. über die Voraussetzungen und die Form der Auflösung der Innung;
- 11. über die Verwendung des Innungsvermögens im Falle der Auflösung oder Schließung der Innung;
- 12. über die Aufstellung und Prüfung der Jahresrechnung.
Das
Statut darf keine Bestimmung enthalten, welche mit den in diesem
Gesetze bezeichneten Aufgaben der Innung nicht in Verbindung steht oder
gesetzlichen Vorschriften zuwiderläuft.
Bestimmungen über Einrichtungen zur Erfüllung der im §. 97a unter Nr. 4, 5, 6 bezeichneten Aufgaben dürfen nicht in das Innungsstatut aufgenommen werden.
§. 98b.
Das
Innungsstatut bedarf der Genehmigung durch die höhere
Verwaltungsbehörde desjenigen Bezirks, in welchem die Innung ihren Sitz
nimmt. Die Einreichung geschieht durch die Aufsichtsbehörde (§. 104).
Die Genehmigung ist zu versagen:
- 1. wenn das Innungsstatut den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht;
- 2.
wenn durch die in dem Innungsstatut vorgesehenen Einrichtungen die
Mittel zur Erfüllung der den Innungen nach §. 97 obliegenden Aufgaben
nicht sichergestellt erscheinen;
- 3. wenn die Zentralbehörde der
durch das Innungsstatut vorgesehenen Begrenzung des Innungsbezirks die
nach §. 98 Absatz 1 erforderliche Zustimmung versagt hat.
Außerdem
darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn in dem durch das
Innungsstatut vorgesehenen Innungsbezirke für die gleichen Gewerbe eine
Innung bereits besteht.
In dem die Genehmigung versagenden
Bescheide sind die Gründe anzugeben; gegen denselben findet der Rekurs
statt; wegen des Verfahrens und der Behörden gelten die Vorschriften der
§§. 20 und 21, soweit nicht landesgesetzlich das Verfahren in
streitigen Verwaltungssachen Platz greift.
Abänderungen des Innungsstatuts unterliegen den gleichen Vorschriften. [213]
§. 98c.
Soll in der Innung eine Einrichtung der im §. 97a
unter Nr. 4, 5, 6 vorgesehenen Art getroffen werden, so sind die dafür
erforderlichen Bestimmungen in Nebenstatuten zusammenzufassen. Dieselben
bedürfen der Genehmigung durch die im §. 98b bezeichnete
höhere Verwaltungsbehörde. Vor der Genehmigung ist die Gemeindebehörde
des Ortes, an welchem die Innung ihren Sitz hat, sowie, falls diese
Behörde für die Innung nicht die Aufsichtsbehörde bildet, auch letztere
zu hören. Die Genehmigung kann nach Ermessen versagt werden. In dem die
Genehmigung versagenden Bescheide sind die Gründe anzugeben. Gegen die
Versagung kann binnen vier Wochen Beschwerde an die Zentralbehörde
eingelegt werden. Abänderung der Nebenstatuten unterliegen den gleichen
Vorschriften.
§. 99.
Die
Innung kann unter ihrem Namen Rechte, insbesondere Eigenthum und andere
dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, Verbindlichkeiten eingehen,
vor Gericht klagen und verklagt werden. Für alle Verbindlichkeiten der
Innung haftet den Gläubigern nur das Vermögen der Innung.
§. 100.
Als
Innungsmitglieder können nur Personen aufgenommen werden, die ein
Gewerbe, für welches die Innung errichtet ist, in dem Innungsbezirke
selbständig betreiben oder in einem dem Gewerbe angehörenden
Großbetriebe als Werkmeister oder in ähnlicher Stellung beschäftigt
sind. Andere Personen können als Ehrenmitglieder aufgenommen werden.
Von
der Ablegung einer Prüfung kann die Aufnahme nur abhängig gemacht
werden, wenn Art und Umfang derselben durch das Statut geregelt sind;
die Prüfung darf nur den Nachweis der Befähigung zur selbständigen
Ausführung der gewöhnlichen Arbeiten des Gewerbes bezwecken.
Ist
die Aufnahme von der Zurücklegung einer Lehrlings- oder Gesellenzeit
oder von der Ablegung einer Prüfung abhängig gemacht, so ist eine
Ausnahme von der Erfüllung dieser Anforderungen nur unter bestimmten im
Statut festgestellten Voraussetzungen zulässig. Von einem
Aufnahmesuchenden, welcher bereits vor einer anderen, den
Voraussetzungen dieses Gesetzes entsprechenden Innung desselben Gewerbes
eine Aufnahmeprüfung bestanden hat, kann eine solche nicht nochmals
verlangt werden.
Gewerbetreibenden, welche den gesetzlichen und
statutarischen Anforderungen entsprechen, darf die Aufnahme in die
Innung nicht versagt werden.
Von der Erfüllung der gesetzlichen und statutarischen Bedingungen kann zu Gunsten Einzelner nicht abgesehen werden.
Vom
Eintritte in eine Innung sind diejenigen ausgeschlossen, welche sich
nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden, oder welche in
Folge gerichtlicher Anordnungen in der Verfügung über ihr Vermögen
beschränkt sind. [214]
Der
Austritt aus der Innung ist, wenn das Innungsstatut eine vorherige
Anzeige darüber nicht verlangt, jederzeit gestattet. Eine Anzeige über
den Austritt kann frühestens sechs Monate vor dem letzteren verlangt
werden.
Ausscheidende Mitglieder verlieren alle Ansprüche an das
Innungsvermögen und, soweit nicht statutarisch abweichende Bestimmungen
getroffen sind, an die von der Innung errichteten Nebenkassen; sie
bleiben zur Zahlung derjenigen Beiträge verpflichtet, deren Umlegung am
Tage ihres Austrittes bereits erfolgt war. Besondere Verbindlichkeiten,
welche sie der Innung gegenüber eingegangen sind, werden durch den
Austritt nicht berührt.
Die Rechte der Innungsmitglieder, mit
Ausnahme des Stimmrechts und der Ehrenrechte, können von deren Wittwen,
welche den Gewerbebetrieb fortsetzen, so lange ausgeübt werden, als sie
die entsprechenden Verpflichtungen erfüllen. Die näheren Bestimmungen
sind durch das Statut zu treffen.
§. 100a.
Die
von den Innungsmitgliedern beschäftigten Gesellen nehmen an den
Innungsversammlungen und an der Verwaltung der Innung nur insoweit
Theil, als dieses in dem Innungsstatut vorgesehen ist. Eine solche
Theilnahme muß ihnen eingeräumt werden an der Abnahme von
Gesellenprüfungen, sowie an der Begründung und Verwaltung aller
Einrichtungen, für welche sie Beiträge entrichten oder eine besondere
Mühewaltung übernehmen, oder welche zu ihrer Unterstützung bestimmt
sind.
Von der Ausübung eines Stimmrechts oder eines Ehrenrechts
in der Innung sind alle diejenigen ausgeschlossen, welche sich nicht im
Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte befinden, oder welche in Folge
gerichtlicher Anordnung in der Verfügung über ihr Vermögen beschränkt
sind.
§. 100b.
Den
Innungsmitgliedern darf die Verpflichtung zu Handlungen oder
Unterlassungen, welche mit den Aufgaben der Innung in keiner Verbindung
stehen, nicht auferlegt werden.
Zu anderen Zwecken als der
Erfüllung der statutarisch oder durch das Gesetz bestimmten Aufgaben der
Innung, sowie der Deckung der Kosten der Innungsverwaltung dürfen weder
Beiträge von den Innungsmitgliedern oder von den Gesellen derselben
erhoben werden, noch Verwendungen aus dem Vermögen der Innung erfolgen.
Die auf Grund des Innungsstatuts oder der Nebenstatuten (§. 98c)
umgelegten Beiträge und verhängten Ordnungsstrafen werden nach Antrag
des Innungsvorstandes auf dem für die Beitreibung der Gemeindeabgaben
landesrechtlich vorgesehenen Wege zwangsweise eingezogen. Ueber die
Verpflichtung zur Zahlung der Beiträge findet, unbeschadet der
vorläufigen Einziehung, der Rechtsweg statt. Ueber Beschwerden wegen der
Ordnungsstrafen entscheidet die Aufsichtsbehörde endgültig. [215]
§. 100c.
Ueber die Einnahmen und Ausgaben der nach Maßgabe des §. 97a
unter Nr. 5 begründeten Unterstützungskassen muß getrennte Rechnung
geführt werden. Das ausschließlich für diese Kassen bestimmte Vermögen
ist getrennt von dem übrigen Innungsvermögen zu verwalten. Verwendungen
für andere Zwecke dürfen aus demselben nicht gemacht werden. Die
Gläubiger der Kasse haben das Recht auf abgesonderte Befriedigung aus
dem getrennt verwalteten Vermögen.
Auf solche Krankenkassen der Innungen, welche eine den Vorschriften des Gesetzes über die eingeschriebenen Hülfskassen vom 7. April 1876 entsprechende Unterstützung gewähren sollen, finden folgende Bestimmungen Anwendung:
- 1.
den Meistern, welche für ihre Gesellen und Lehrlinge die Kassenbeiträge
vorschießen, steht das Recht zu, die letzteren bei der dem
Fälligkeitstage zunächst vorausgehenden oder bei einer diesem Tage
folgenden Lohnzahlung in Anrechnung zu bringen;
- 2. der Anspruch
auf Unterstützung aus der Kasse kann mit rechtlicher Wirkung weder
übertragen noch verpfändet werden; er kann nicht Gegenstand der
Beschlagnahme sein;
- 3. die Gesellen können, so lange sie den Kassen angehören, zu den nach Maßgabe des §. 141a begründeten Verpflichtungen nicht herangezogen werden;
- 4.
Gesellen, welche bereits einer eingeschriebenen Hülfskasse angehören,
können, so lange sie an derselben betheiligt sind, zum Eintritte in die
entsprechende Unterstützungskasse der Innung nicht gezwungen werden.
§. 100d.
Für die auf Grund des §. 97a zu errichtenden Schiedsgerichte sind folgende Bestimmungen maßgebend:
- 1.
Die Schiedsgerichte müssen mindestens aus einem Vorsitzenden und zwei
Beisitzern bestehen. Die Beisitzer müssen zur Hälfte aus den
Innungsmitgliedern, zur Hälfte aus deren Gesellen entnommen sein. Die
ersteren sind von der Innungsversammlung oder einer anderen Vertretung
der Innungsmitglieder, die letzteren von den Gesellen der Innung oder
einer Vertretung derselben zu wählen. Der Vorsitzende wird von der
Aufsichtsbehörde bestimmt; er braucht der Innung nicht anzugehören.
- 2.
Die Annahme der Wahl zum Beisitzer kann nur aus Gründen abgelehnt
werden, aus welchen die Uebernahme einer Vormundschaft abgelehnt werden
kann. Wer die Annahme ablehnt, ohne zu der Ablehnung berechtigt zu sein,
kann von der Aufsichtsbehörde durch Ordnungsstrafen zur Annahme
angehalten werden. [216]
- 3. Gegen die Entscheidungen der Schiedsgerichte steht nach Maßgabe des §. 120a Absatz 2 die Berufung auf den Rechtsweg offen.
Die auf Grund der Bestimmungen in §§. 97 Nr. 4 und 97a
Nr. 6 ergehenden Entscheidungen in Streitigkeiten der Innungsmitglieder
mit ihren Gesellen und Lehrlingen sind vorläufig vollstreckbar. Die
Vollstreckung erfolgt durch die Polizeibehörden nach Maßgabe der
Vorschriften über die gerichtliche Zwangsvollstreckung. Lehrlinge sind
auf Antrag der zur Entscheidung berufenen Innungsbehörde von der
Polizeibehörde anzuhalten, vor der ersteren persönlich zu erscheinen.
§. 100e.
Für
den Bezirk einer Innung, deren Thätigkeit auf dem Gebiete des
Lehrlingswesens sich bewährt hat, kann durch die höhere
Verwaltungsbehörde nach Anhörung der Aufsichtsbehörde bestimmt werden:
- 1. daß Streitigkeiten aus den Lehrverhältnissen der im §. 120a
bezeichneten Art auf Anrufen eines der streitenden Theile von der
zuständigen Innungsbehörde auch dann zu entscheiden sind, wenn der
Arbeitgeber, obwohl er ein in der Innung vertretenes Gewerbe betreibt
und selbst zur Aufnahme in die Innung fähig sein würde, gleichwohl der
Innung nicht angehört;
- 2. daß und inwieweit die von der Innung
erlassenen Vorschriften über die Regelung des Lehrlingsverhältnisses,
sowie über die Ausbildung und Prüfung der Lehrlinge auch dann bindend
sind, wenn deren Lehrherr zu den unter Nr. 1 bezeichneten Arbeitgebern
gehört.
- Haben sich hiernach Lehrlinge solcher Gewerbetreibenden,
welche der Innung nicht angehören, einer Prüfung zu unterziehen, so ist
dieselbe von einer Kommission vorzunehmen, deren Mitglieder zur Hälfte
von der Innung, zur Hälfte von der Aufsichtsbehörde berufen werden.
Die Bestimmungen sind widerruflich.
§. 101.
Der Innungsvorstand besteht aus einer oder mehreren Personen, welche von den Innungsmitgliedern zu wählen sind (§. 98a
Nr. 6). Die Wahl findet unter Leitung des Vorstandes statt. Nur die
erste Wahl nach Errichtung der Innung, sowie spätere Wahlen, bei welchen
ein Vorstand nicht vorhanden ist, werden von einem Vertreter der
Aufsichtsbehörde geleitet. Ueber den Wahlakt ist ein Protokoll
aufzunehmen. Der Vorstand hat über jede Aenderung in seiner
Zusammensetzung und über das Ergebniß jeder Wahl der Aufsichtsbehörde
binnen einer Woche Anzeige zu erstatten, bei Wahlen unter Beifügung des
Wahlprotokolls. Ist die Anzeige nicht erfolgt, so kann die Aenderung
dritten Personen nur dann entgegengesetzt werden, wenn bewiesen wird,
daß sie letzteren bekannt war.
Die Innung wird bei gerichtlichen
wie bei außergerichtlichen Verhandlungen durch ihren Vorstand
vertreten. Die Befugniß zur Vertretung erstreckt sich auch [217]
auf diejenigen Geschäfte und Rechtshandlungen, für welche nach den
Gesetzen eine Spezialvollmacht erforderlich ist. Durch das Statut kann
einem Mitgliede oder mehreren Mitgliedern des Vorstandes die Vertretung
der Innung nach außen übertragen werden.
Zur Legitimation des
Innungsvorstandes bei allen Rechtsgeschäften genügt die Bescheinigung
der Aufsichtsbehörde, daß die darin bezeichneten Personen zur Zeit den
Vorstand bilden.
§. 102.
Für
alle oder mehrere derselben Aufsichtsbehörde unterstehende Innungen
kann ein gemeinsamer Innungsausschuß gebildet werden. Diesem liegt die
Vertretung der gemeinsamen Interessen der betheiligten Innungen ob.
Außerdem können ihm Rechte und Pflichten der betheiligten Innungen,
soweit dieselben nicht vermögensrechtlicher Natur sind, übertragen
werden.
Die Errichtung des Innungsausschusses erfolgt durch ein
Statut, welches von den Innungsversammlungen der betheiligten Innungen
zu beschließen ist. Das Statut bedarf der Genehmigung der höheren
Verwaltungsbehörde. In dem die Genehmigung versagenden Bescheide sind
die Gründe anzugeben. Gegen die Versagung kann binnen vier Wochen
Beschwerde an die Zentralbehörde eingelegt werden. Abänderungen des
Statuts unterliegen den gleichen Vorschriften.
§. 103.
Die Schließung einer Innung kann erfolgen:
- 1. wenn sich ergiebt, daß nach §. 98b
die Genehmigung hätte versagt werden müssen, und die erforderliche
Aenderung des Statuts innerhalb einer zu setzenden Frist nicht bewirkt
wird;
- 2. wenn die Innung, wiederholter Aufforderung der
Aufsichtsbehörde ungeachtet, die Erfüllung der ihr durch §. 97 gesetzten
Aufgaben vernachlässigt;
- 3. wenn die Innung sich gesetzwidriger
Handlungen oder Unterlassungen schuldig macht, durch welche das
Gemeinwohl gefährdet wird, oder wenn sie andere als die gesetzlich
zulässigen Zwecke verfolgt.
Die Schließung eines
Innungsausschusses kann erfolgen, wenn der Ausschuß seinen
statutarischen Verpflichtungen nicht nachkommt, oder wenn er Beschlüsse
faßt, welche über seine statutarischen Rechte hinausgehen.
Die Schließung wird durch die höhere Verwaltungsbehörde ausgesprochen.
Gegen
die die Schließung aussprechende Verfügung findet der Rekurs statt.
Wegen des Verfahrens und der Behörden gelten die entsprechenden
Bestimmungen des §. 98b.
Die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen einer Innung hat die Schließung kraft Gesetzes zur Folge. [218]
§. 103a.
Bei
der Auflösung einer Innung wird die Abwickelung der Geschäfte, sofern
die Innungsversammlung nicht anderweitig beschließt, durch den Vorstand
unter Aufsicht der Aufsichtsbehörde vollzogen. Genügt der Vorstand
seiner Verpflichtung nicht, oder tritt die Schließung der Innung ein, so
erfolgt die Abwickelung der Geschäfte durch die Aufsichtsbehörde oder
Beauftragte derselben.
Von dem Zeitpunkte der Auflösung oder
Schließung einer Innung ab bleiben die Innungsmitglieder noch für
diejenigen Zahlungen verhaftet, zu welchen sie statutarisch für den Fall
eigenen Ausscheidens aus den Innungsverhältnissen verpflichtet sind.
Auf
die Verwendung des Innungsvermögens finden die Vorschriften des §. 94
mit der Maßgabe Anwendung, daß bei einer Vertheilung von Reinvermögen
keinem Anspruchsberechtigten mehr als der Gesammtbetrag der von ihm
geleisteten Beiträge ausgezahlt werden darf.
§. 104.
Die Innungen unterliegen der Aufsicht der Gemeindebehörde.
Für
Innungen, welche ihren Sitz nicht innerhalb eines Stadtbezirks haben,
oder welche mehrere Gemeindebezirke umfassen, wird von der höheren
Verwaltungsbehörde, für Innungen, welche sich in die Bezirke mehrerer
höherer Verwaltungsbehörden erstrecken, von der Zentralbehörde die
Aufsichtsbehörde bestimmt.
Die Aufsichtsbehörde überwacht die
Befolgung der gesetzlichen und statutarischen Vorschriften und kann
dieselben durch Androhung, Festsetzung und Vollstreckung von
Ordnungsstrafen gegen die Inhaber der Innungsämter, gegen die
Innungsmitglieder und gegen deren Gesellen, soweit diese an den
Geschäften der Innung theilnehmen, erzwingen.
Sie entscheidet
Streitigkeiten über die Aufnahme und Ausschließung der Mitglieder, über
die Wahlen zu den Innungsämtern, sowie unbeschadet der Rechte Dritter
über die Rechte und Pflichten der Inhaber dieser Aemter.
Sie hat
das Recht, einen Vertreter zu den Prüfungen zu entsenden. Sie beruft
und leitet die Innungsversammlung, wenn der Innungsvorstand dieselbe zu
berufen sich weigert.
Ueber Abänderungen des Innungsstatuts oder der Nebenstatuten (§. 98c)
und über die Auflösung der Innung kann von der Innungsversammlung nur
im Beisein eines Vertreters der Aufsichtsbehörde beschlossen werden.
Gegen
die Anordnungen und Entscheidungen der Aufsichtsbehörde ist die
Beschwerde an die nächstvorgesetzte Behörde zulässig. Dieselbe ist
binnen einer präklusivischen Frist von vier Wochen bei der
Aufsichtsbehörde einzubringen.
Die vorstehenden Bestimmungen finden auf die Beaufsichtigung der Innungsausschüsse entsprechende Anwendung. [219]
§. 104a.
Innungen,
welche nicht derselben Aufsichtsbehörde unterstehen, können zur
gemeinsamen Verfolgung ihrer Aufgaben, sowie zur Pflege der gemeinsamen
gewerblichen Interessen der betheiligten Innungen zu Innungsverbänden
zusammentreten.
Der Beitritt einer Innung kann nur mit Zustimmung der Innungsversammlung erfolgen.
§. 104b.
Für den Innungsverband ist ein Statut zu errichten, welches Bestimmungen enthalten muß:
- a) über Namen, Zweck und Bezirk des Verbandes,
- b) über die Bedingungen der Aufnahme in den Verband und des Ausscheidens aus demselben,
- c) über Bildung, Sitz und Befugnisse des Vorstandes,
- d) über die Vertretung des Verbandes und ihre Befugnisse,
- e) über die Beiträge zu den Ausgaben des Innungsverbandes,
- f) über die Voraussetzungen und die Form einer Abänderung des Statuts,
- g) über die Voraussetzungen und die Form einer Auflösung des Verbandes.
Das
Statut darf keine Bestimmung enthalten, welche mit den gesetzlichen
Zwecken des Verbandes nicht in Verbindung steht oder gesetzlichen
Vorschriften zuwiderläuft.
§. 104c.
Das Verbandsstatut bedarf der Genehmigung, und zwar:
- a) für Innungsverbände, deren Bezirk nicht über den Bezirk einer höheren Verwaltungsbehörde hinausgreift, durch die letztere;
- b)
für Innungsverbände, deren Bezirk in die Bezirke mehrerer höherer
Verwaltungsbehörden desselben Bundesstaates sich erstreckt, durch die
Zentralbehörde;
- c) für Innungsverbände, deren Bezirk sich auf mehrere Bundesstaaten erstreckt, durch den Reichskanzler.
Die Genehmigung ist zu versagen:
- 1. wenn die Zwecke des Verbandes sich nicht in den gesetzlichen Grenzen halten;
- 2. wenn das Verbandsstatut den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.
Außerdem
darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn die Zahl der dem Verbände
beigetretenen Innungen nicht hinreichend erscheint, um die Zwecke des
Verbandes wirksam zu verfolgen. [220]
Gegen die Versagung der Genehmigung ist, sofern sie durch eine höhere Verwaltungsbehörde erfolgt, die Beschwerde zulässig.
Aenderungen des Statuts unterliegen den gleichen Vorschriften.
§. 104d.
Der
Verbandsvorstand hat alljährlich im Monat Januar ein Verzeichniß
derjenigen Innungen, welche dem Verbände angehören, der höheren
Verwaltungsbehörde, in deren Bezirk er seinen Sitz hat, einzureichen.
Veränderungen
in der Zusammensetzung des Vorstandes sind derselben anzuzeigen. Eine
gleiche Anzeige hat zu erfolgen, wenn der Sitz des Vorstandes an einen
anderen Ort verlegt wird. Liegt letzterer nicht in dem Bezirke der
vorbezeichneten Behörde, so ist die Anzeige an diese und an die höhere
Verwaltungsbehörde, in deren Bezirk der Sitz verlegt wird, gleichzeitig
zu richten.
§. 104e.
Versammlungen
des Verbandsvorstandes und der Vertretung des Verbandes dürfen nur
innerhalb des Verbandsbezirks abgehalten werden.
Sie sind der
höheren Verwaltungsbehörde, in deren Bezirk der Vorstand seinen Sitz
hat, sowie der höheren Verwaltungsbehörde, in deren Bezirk die
Versammlung abgehalten werden soll, unter Einreichung der Tagesordnung
mindestens eine Woche vorher anzuzeigen. Der letzteren steht das Recht
zu:
- a) die Versammlung zu untersagen, wenn die
Tagesordnung Gegenstände umfaßt, welche zu den Zwecken des Verbandes
nicht in Beziehung stehen;
- b) in die Versammlung einen
Vertreter zu entsenden, und durch diesen die Versammlung zu schließen,
wenn die Verhandlungen auf Gegenstände sich erstrecken, welche zu den
Zwecken des Verbandes nicht in Beziehung stehen, oder wenn Anträge oder
Vorschläge erörtert werden, welche eine Aufforderung oder Anreizung zu
strafbaren Handlungen enthalten.
§. 104f.
Die
Verbandsvorstände sind befugt, in Betreff der Verhältnisse der in dem
Verbande vertretenen Gewerbe an die für die Genehmigung des
Verbandsstatuts zuständige Stelle Bericht zu erstatten und Anträge zu
richten.
Sie sind verpflichtet, auf Erfordern dieser Stelle Gutachten über gewerbliche Fragen abzugeben.
§. 104g.
Die Innungsverbände können aufgelöst werden:
- 1. wenn sich ergiebt, daß nach §. 104c
Nr. 1 und 2 die Genehmigung hätte versagt werden müssen, und die
erforderliche Aenderung des Statuts innerhalb einer zu setzenden Frist
nicht bewirkt wird; [221]
- 2. wenn den auf Grund des §. 104e erlassenen Verfügungen nicht Folge geleistet ist;
- 3.
wenn der Verbandsvorstand oder die Vertretung des Verbandes sich
gesetzwidriger Handlungen schuldig machen, welche das Gemeinwohl
gefährden, oder wenn sie andere als die gesetzlich zulässigen Zwecke
verfolgen.
Die Auflösung erfolgt durch Beschluß der für die Genehmigung des Verbandsstatuts zuständigen Stelle.
Gegen den Beschluß der höheren Verwaltungsbehörde ist die Beschwerde zulässig.
Titel VII. Gewerbliche Arbeiter (Gesellen, Gehülfen, Lehrlinge, Fabrikarbeiter).
I. Allgemeine Verhältnisse.
§. 105.
Die
Festsetzung der Verhältnisse zwischen den selbständigen
Gewerbetreibenden und den gewerblichen Arbeitern ist, vorbehaltlich der
durch Reichsgesetz begründeten Beschränkungen, Gegenstand freier
Uebereinkunft.
Zum Arbeiten an Sonn- und Festtagen können die
Gewerbetreibenden die Arbeiter nicht verpflichten. Arbeiten, welche nach
der Natur des Gewerbebetriebes einen Aufschub oder eine Unterbrechung
nicht gestatten, fallen unter die vorstehende Bestimmung nicht.
Welche Tage als Festtage gelten, bestimmen die Landesregierungen.
§. 106.
Gewerbetreibende,
welchen die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt sind, dürfen, so lange
ihnen diese Rechte entzogen bleiben, mit der Anleitung von Arbeitern
unter achtzehn Jahren sich nicht befassen.
Die Entlassung der dem vorstehenden Verbote zuwider beschäftigten Arbeiter kann polizeilich erzwungen werden.
§. 107.
Personen
unter einundzwanzig Jahren dürfen, soweit reichsgesetzlich nicht ein
Anderes zugelassen ist, als Arbeiter nur beschäftigt werden, wenn sie
mit einem Arbeitsbuche versehen sind. Bei der Annahme solcher Arbeiter
hat der Arbeitgeber das Arbeitsbuch einzufordern. Er ist verpflichtet,
dasselbe zu verwahren, auf amtliches Verlangen vorzulegen und nach
rechtmäßiger Lösung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeiter wieder
auszuhändigen.
Auf Kinder, welche zum Besuche der Volksschule verpflichtet sind, finden vorstehende Bestimmungen keine Anwendung. [222]
§. 108.
Das
Arbeitsbuch wird dem Arbeiter durch die Polizeibehörde desjenigen
Ortes, an welchem er zuletzt seinen dauernden Aufenthalt gehabt hat,
wenn aber ein solcher im Gebiete des Deutschen Reichs nicht
stattgefunden hat, von der Polizeibehörde des von ihm zuerst erwählten
deutschen Arbeitsortes kosten- und stempelfrei ausgestellt. Die
Ausstellung erfolgt auf Antrag oder mit Zustimmung des Vaters oder
Vormundes; ist die Erklärung des Vaters nicht zu beschaffen, oder
verweigert der Vater die Zustimmung ohne genügenden Grund und zum
Nachtheile des Arbeiters, so kann die Gemeindebehörde die Zustimmung
desselben ergänzen. Vor der Ausstellung ist nachzuweisen, daß der
Arbeiter zum Besuche der Volksschule nicht mehr verpflichtet ist, und
glaubhaft zu machen, daß bisher ein Arbeitsbuch für ihn noch nicht
ausgestellt war.
§. 109.
Wenn
das Arbeitsbuch vollständig ausgefüllt oder nicht mehr brauchbar, oder
wenn es verloren gegangen oder vernichtet ist, so wird an Stelle
desselben ein neues Arbeitsbuch ausgestellt. Die Ausstellung erfolgt
durch die Polizeibehörde desjenigen Ortes, an welchem der Inhaber des
Arbeitsbuches zuletzt seinen dauernden Aufenthalt gehabt hat. Das
ausgefüllte oder nicht mehr brauchbare Arbeitsbuch ist durch einen
amtlichen Vermerk zu schließen.
Wird das neue Arbeitsbuch an
Stelle eines nicht mehr brauchbaren, eines verloren gegangenen oder
vernichteten Arbeitsbuches ausgestellt, so ist dies darin zu vermerken.
Für die Ausstellung kann in diesem Falle eine Gebühr bis zu fünfzig
Pfennig erhoben werden.
§. 110.
Das
Arbeitsbuch (§. 108) muß den Namen des Arbeiters, Ort, Jahr und Tag
seiner Geburt, sowie seine Unterschrift enthalten. Die Ausstellung
erfolgt unter dem Siegel und der Unterschrift der Behörde. Letztere hat
über die von ihr ausgestellten Arbeitsbücher ein Verzeichniß zu führen.
Die Einrichtung der Arbeitsbücher wird durch den Reichskanzler bestimmt.
§. 111.
Bei
dem Eintritte des Arbeiters in das Arbeitsverhältniß hat der
Arbeitgeber an der dafür bestimmten Stelle des Arbeitsbuches die Zeit
des Eintrittes und die Art der Beschäftigung, am Ende des
Arbeitsverhältnisses die Zeit des Austrittes und, wenn die Beschäftigung
Aenderungen erfahren hat, die Art der letzten Beschäftigung des
Arbeiters einzutragen.
Die Eintragungen sind mit Tinte zu
bewirken und von dem Arbeitgeber zu unterzeichnen. Sie dürfen nicht mit
einem Merkmale versehen sein, welches den Inhaber des Arbeitsbuches
günstig oder nachtheilig zu kennzeichnen bezweckt. [223]
Die
Eintragung eines Urtheils über die Führung oder die Leistungen des
Arbeiters und sonstige durch dieses Gesetz nicht vorgesehene
Eintragungen oder Vermerke in oder an dem Arbeitsbuche sind unzulässig.
§. 112.
Ist
das Arbeitsbuch bei dem Arbeitgeber unbrauchbar geworden, verloren
gegangen oder vernichtet, oder sind von dem Arbeitgeber unzulässige
Eintragungen oder Vermerke in oder an dem Arbeitsbuche gemacht, oder
wird von dem Arbeitgeber ohne rechtmäßigen Grund die Aushändigung des
Arbeitsbuches verweigert, so kann die Ausstellung eines neuen
Arbeitsbuches auf Kosten des Arbeitgebers beansprucht werden.
Ein
Arbeitgeber, welcher das Arbeitsbuch seiner gesetzlichen Verpflichtung
zuwider nicht rechtzeitig ausgehändigt oder die vorschriftsmäßigen
Eintragungen zu machen unterlassen oder unzulässige Eintragungen oder
Vermerke gemacht hat, ist dem Arbeiter entschädigungspflichtig. Der
Anspruch auf Entschädigung erlischt, wenn er nicht innerhalb vier Wochen
nach seiner Entstehung im Wege der Klage oder Einrede geltend gemacht
ist.
§. 113.
Beim Abgange können die Arbeiter ein Zeugniß über die Art und Dauer ihrer Beschäftigung fordern.
Dieses Zeugniß ist auf Verlangen der Arbeiter auch auf ihre Führung auszudehnen.
§. 114.
Auf
Antrag des Arbeiters hat die Ortspolizeibehörde die Eintragung in das
Arbeitsbuch und das dem Arbeiter etwa ausgestellte Zeugniß kosten- und
stempelfrei zu beglaubigen.
§. 115.
Die Gewerbetreibenden sind verpflichtet, die Löhne ihrer Arbeiter baar in Reichswährung auszuzahlen.
Sie
dürfen denselben keine Waaren kreditiren. Die Verabfolgung von
Lebensmitteln an die Arbeiter fällt, sofern sie zu einem die
Anschaffungskosten nicht übersteigenden Preise erfolgt, unter die
vorstehende Bestimmung nicht; auch können den Arbeitern Wohnung,
Feuerung, Landnutzung, regelmäßige Beköstigung, Arzneien und ärztliche
Hülfe, sowie Werkzeuge und Stoffe zu den ihnen übertragenen Arbeiten
unter Anrechnung bei der Lohnzahlung verabfolgt werden.
§. 116.
Arbeiter,
deren Forderungen in einer dem §. 115 zuwiderlaufenden Weise berichtigt
worden sind, können zu jeder Zeit Zahlung nach Maßgabe des §. 115
verlangen, ohne daß ihnen eine Einrede aus dem an Zahlungsstatt
Gegebenen entgegengesetzt werden kann. Letzteres fällt, soweit es noch
bei dem Empfänger [224]
vorhanden oder dieser daraus bereichert ist, derjenigen Hülfskasse zu,
welcher der Arbeiter angehört, in Ermangelung einer solchen einer
anderen zum Besten der Arbeiter an dem Orte bestehenden, von der
Gemeindebehörde zu bestimmenden Kasse und in deren Ermangelung der
Ortsarmenkasse.
§. 117.
Verträge, welche dem §. 115 zuwiderlaufen, sind nichtig.
Dasselbe
gilt von Verabredungen zwischen den Gewerbetreibenden und den von ihnen
beschäftigten Arbeitern über die Entnahme der Bedürfnisse der letzteren
aus gewissen Verkaufsstellen, sowie überhaupt über die Verwendung des
Verdienstes derselben zu einem anderen Zweck als zur Betheiligung an
Einrichtungen zur Verbesserung der Lage der Arbeiter oder ihrer
Familien.
§. 118.
Forderungen
für Waaren, welche dem §. 115 zuwider kreditirt worden sind, können von
dem Gläubiger weder eingeklagt, noch durch Anrechnung oder sonst
geltend gemacht werden, ohne Unterschied, ob sie zwischen den
Betheiligten unmittelbar entstanden oder mittelbar erworben sind.
Dagegen fallen dergleichen Forderungen der im §. 116 bezeichneten Kasse
zu.
§. 119.
Den
Gewerbetreibenden im Sinne der §§. 115 bis 118 sind gleich zu achten
deren Familienglieder, Gehülfen, Beauftragte, Geschäftsführer, Aufseher
und Faktoren, sowie andere Gewerbetreibende, bei deren Geschäft eine der
hier erwähnten Personen unmittelbar oder mittelbar betheiligt ist.
Unter
den in §§. 115 bis 118 bezeichneten Arbeitern werden auch diejenigen
Personen verstanden, welche für bestimmte Gewerbetreibende außerhalb der
Arbeitsstätten der letzteren mit der Anfertigung gewerblicher
Erzeugnisse beschäftigt sind.
§. 120.
Die
Gewerbeunternehmer sind verpflichtet, bei der Beschäftigung von
Arbeitern unter achtzehn Jahren die durch das Alter derselben gebotene
besondere Rücksicht auf Gesundheit und Sittlichkeit zu nehmen.
Sie
haben ihren Arbeitern unter achtzehn Jahren, welche eine von der
Gemeindebehörde oder vom Staate als Fortbildungsschule anerkannte
Unterrichtsanstalt besuchen, hierzu die, erforderlichenfalls von der
zuständigen Behörde festzusetzende Zeit zu gewähren. Für Arbeiter unter
achtzehn Jahren kann die Verpflichtung zum Besuche einer
Fortbildungsschule, soweit die Verpflichtung nicht landesgesetzlich
besteht, durch Ortsstatut (§. 142) begründet werden.
Die
Gewerbeunternehmer sind endlich verpflichtet, alle diejenigen
Einrichtungen herzustellen und zu unterhalten, welche mit Rücksicht auf
die besondere Beschaffenheit des Gewerbebetriebes und der Betriebsstätte
zu thunlichster Sicherheit [225]
gegen Gefahr für Leben und Gesundheit nothwendig sind. Darüber, welche
Einrichtungen für alle Anlagen einer bestimmten Art herzustellen sind,
können durch Beschluß des Bundesraths Vorschriften erlassen werden.
Soweit solche nicht erlassen sind, bleibt es den nach den Landesgesetzen
zuständigen Behörden überlassen, die erforderlichen Bestimmungen zu
treffen.
§. 120a.
Streitigkeiten
der selbständigen Gewerbetreibenden mit ihren Arbeitern, die auf den
Antritt, die Fortsetzung oder Aufhebung des Arbeitsverhältnisses, auf
die gegenseitigen Leistungen aus demselben, auf die Ertheilung oder den
Inhalt der Arbeitsbücher oder Zeugnisse sich beziehen, sind, soweit für
diese Angelegenheiten besondere Behörden bestehen, bei diesen zur
Entscheidung zu bringen.
Insoweit solche besondere Behörden
nicht bestehen, erfolgt die Entscheidung durch die Gemeindebehörde.
Gegen diese Entscheidung steht die Berufung auf den Rechtsweg binnen
zehn Tagen offen; die vorläufige Vollstreckung wird durch die Berufung
nicht aufgehalten.
Durch Ortsstatut (§. 142) können an Stelle
der gegenwärtig hierfür bestimmten Behörden Schiedsgerichte mit der
Entscheidung betraut werden. Dieselben sind durch die Gemeindebehörde
unter gleichmäßiger Zuziehung von Arbeitgebern und Arbeitern zu bilden.
II. Verhältnisse der Gesellen und Gehülfen.
§. 121.
Gesellen
und Gehülfen sind verpflichtet, den Anordnungen der Arbeitgeber in
Beziehung auf die ihnen übertragenen Arbeiten und auf die häuslichen
Einrichtungen Folge zu leisten; zu häuslichen Arbeiten sind sie nicht
verbunden.
§. 122.
Das
Arbeitsverhältniß zwischen den Gesellen oder Gehülfen und ihren
Arbeitgebern kann, wenn nicht ein Anderes verabredet ist, durch eine
jedem Theile freistehende, vierzehn Tage vorher erklärte Aufkündigung
gelöst werden.
§. 123.
Vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und ohne Aufkündigung können Gesellen und Gehülfen entlassen werden:
- 1.
wenn sie bei Abschluß des Arbeitsvertrages den Arbeitgeber durch
Vorzeigung falscher oder verfälschter Arbeitsbücher oder Zeugnisse
hintergangen oder ihn über das Bestehen eines anderen, sie gleichzeitig
verpflichtenden Arbeitsverhältnisses in einen Irrthum versetzt haben;
- 2.
wenn sie eines Diebstahls, einer Entwendung, einer Unterschlagung,
eines Betruges oder eines liederlichen Lebenswandels sich schuldig
machen; [226]
- 3.
wenn sie die Arbeit unbefugt verlassen haben oder sonst den nach dem
Arbeitsvertrage ihnen obliegenden Verpflichtungen nachzukommen
beharrlich verweigern;
- 4. wenn sie der Verwarnung ungeachtet mit Feuer und Licht unvorsichtig umgehen;
- 5.
wenn sie sich Thätlichkeiten oder grobe Beleidigungen gegen den
Arbeitgeber oder seine Vertreter oder gegen die Familienangehörigen des
Arbeitgebers oder seiner Vertreter zu Schulden kommen lassen;
- 6.
wenn sie einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Sachbeschädigung zum
Nachtheile des Arbeitgebers oder eines Mitarbeiters sich schuldig
machen;
- 7. wenn sie Familienangehörige des Arbeitgebers oder
seiner Vertreter oder Mitarbeiter zu Handlungen verleiten oder mit
Familienangehörigen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter Handlungen
begehen, welche wider die Gesetze oder die guten Sitten verstoßen;
- 8. wenn sie zur Fortsetzung der Arbeit unfähig oder mit einer abschreckenden Krankheit behaftet sind.
In
den unter Nr. 1 bis 7 gedachten Fällen ist die Entlassung nicht mehr
zulässig, wenn die zu Grunde liegenden Thatsachen dem Arbeitgeber länger
als eine Woche bekannt sind.
Inwiefern in den unter Nr. 8
gedachten Fällen dem Entlassenen ein Anspruch auf Entschädigung zustehe,
ist nach dem Inhalt des Vertrages und nach den allgemeinen gesetzlichen
Vorschriften zu beurtheilen.
§. 124.
Vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und ohne Aufkündigung können Gesellen und Gehülfen die Arbeit verlassen:
- 1. wenn sie zur Fortsetzung der Arbeit unfähig werden;
- 2.
wenn der Arbeitgeber oder seine Vertreter sich Thätlichkeiten oder
grobe Beleidigungen gegen die Arbeiter oder gegen ihre
Familienangehörigen zu Schulden kommen lassen;
- 3. wenn der
Arbeitgeber oder seine Vertreter oder Familienangehörige derselben die
Arbeiter oder deren Familienangehörige zu Handlungen verleiten oder mit
den Familienangehörigen der Arbeiter Handlungen begehen, welche wider
die Gesetze oder die guten Sitten laufen;
- 4. wenn der
Arbeitgeber den Arbeitern den schuldigen Lohn nicht in der bedungenen
Weise auszahlt, bei Stücklohn nicht für ihre ausreichende Beschäftigung
sorgt, oder wenn er sich widerrechtlicher Uebervortheilungen gegen sie
schuldig macht; [227]
- 5.
wenn bei Fortsetzung der Arbeit das Leben oder die Gesundheit der
Arbeiter einer erweislichen Gefahr ausgesetzt sein würde, welche bei
Eingehung des Arbeitsvertrages nicht zu erkennen war.
In
den unter Nr. 2 und 3 gedachten Fällen ist der Austritt aus der Arbeit
nicht mehr zulässig, wenn die zu Grunde liegenden Thatsachen dem
Arbeiter länger als eine Woche bekannt sind.
§. 125.
Ein
Arbeitgeber, welcher einen Gesellen oder Gehülfen verleitet, vor
rechtmäßiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Arbeit zu
verlassen, ist dem früheren Arbeitgeber für den dadurch entstehenden
Schaden als Selbstschuldner mitverhaftet. In gleicher Weise haftet ein
Arbeitgeber, welcher einen Gesellen oder Gehülfen annimmt oder behält,
von dem er weiß, daß derselbe einem anderen Arbeitgeber zur Arbeit noch
verpflichtet ist.
III. Lehrlingsverhältnisse.
§. 126.
Der
Lehrherr ist verpflichtet, den Lehrling in den bei seinem Betriebe
vorkommenden Arbeiten des Gewerbes in der durch den Zweck der Ausbildung
gebotenen Reihenfolge und Ausdehnung zu unterweisen. Er muß entweder
selbst oder durch einen geeigneten, ausdrücklich dazu bestimmten
Vertreter die Ausbildung des Lehrlings leiten. Er darf dem Lehrling die
zu seiner Ausbildung und zum Besuche des Gottesdienstes an Sonn- und
Festtagen erforderliche Zeit und Gelegenheit durch Verwendung zu anderen
Dienstleistungen nicht entziehen. Er hat den Lehrling zur Arbeitsamkeit
und zu guten Sitten anzuhalten und vor Ausschweifungen zu bewahren.
§. 127.
Der
Lehrling ist der väterlichen Zucht des Lehrherrn unterworfen.
Demjenigen gegenüber, welcher an Stelle des Lehrherrn seine Ausbildung
zu leiten hat, ist er zur Folgsamkeit verpflichtet.
§. 128.
Das
Lehrverhältniß kann, wenn eine längere Frist nicht vereinbart ist,
während der ersten vier Wochen nach Beginn der Lehrzeit durch
einseitigen Rücktritt aufgelöst werden. Eine Vereinbarung, wonach diese
Probezeit mehr als drei Monate betragen soll, ist nichtig.
Nach
Ablauf der Probezeit kann der Lehrling vor Beendigung der verabredeten
Lehrzeit entlassen werden, wenn einer der im §. 123 vorgesehenen Fälle
auf ihn Anwendung findet. [228]
Von Seiten des Lehrlings kann das Lehrverhältniß nach Ablauf der Probezeit aufgelöst werden:
- 1. wenn einer der im §. 124 unter Nr. 1, 3 bis 5 vorgesehenen Fälle vorliegt;
- 2.
wenn der Lehrherr seine gesetzlichen Verpflichtungen gegen den Lehrling
in einer die Gesundheit, die Sittlichkeit oder die Ausbildung des
Lehrlings gefährdenden Weise vernachlässigt, oder das Recht der
väterlichen Zucht mißbraucht, oder zur Erfüllung der ihm vertragsmäßig
obliegenden Verpflichtungen unfähig wird.
Der
Lehrvertrag wird durch den Tod des Lehrlings aufgehoben. Durch den Tod
des Lehrherrn gilt der Lehrvertrag als aufgehoben, sofern die Aufhebung
innerhalb vier Wochen geltend gemacht wird.
§. 129.
Bei
Beendigung des Lehrverhältnisses hat der Lehrherr dem Lehrling unter
Angabe des Gewerbes, in welchem der Lehrling unterwiesen worden ist,
über die Dauer der Lehrzeit und die während derselben erworbenen
Kenntnisse und Fertigkeiten, sowie über sein Betragen ein Zeugniß
auszustellen, welches von der Gemeindebehörde kosten- und stempelfrei zu
beglaubigen ist.
An Stelle dieser Zeugnisse können, wo Innungen
oder andere Vertretungen der Gewerbetreibenden bestehen, die von diesen
ausgestellten Lehrbriefe treten.
§. 130.
Verläßt
der Lehrling in einem durch dies Gesetz nicht vorgesehenen Falle ohne
Zustimmung des Lehrherrn die Lehre, so kann letzterer den Anspruch auf
Rückkehr des Lehrlings nur geltend machen, wenn der Lehrvertrag
schriftlich geschlossen ist. Die Polizeibehörde kann in diesem Falle auf
Antrag des Lehrherrn den Lehrling anhalten, so lange in der Lehre zu
verbleiben, als durch gerichtliches Urtheil das Lehrverhältniß nicht für
aufgelöst erklärt ist. Der Antrag ist nur zulässig, wenn er binnen
einer Woche nach dem Austritte des Lehrlings gestellt ist. Im Falle der
Weigerung kann die Polizeibehörde den Lehrling zwangsweise zurückführen
lassen, oder durch Androhung von Geldstrafe bis zu fünfzig Mark oder
Haft bis zu fünf Tagen zur Rückkehr ihn anhalten.
§. 131.
Wird
von dem Vater oder Vormund für den Lehrling, oder, sofern der letztere
großjährig ist, von ihm selbst dem Lehrherrn die schriftliche Erklärung
abgegeben, daß der Lehrling zu einem anderen Gewerbe oder anderen Berufe
übergehen werde, so gilt das Lehrverhältniß, wenn der Lehrling nicht
früher entlassen wird, nach Ablauf von vier Wochen als aufgelöst. Den
Grund der Auflösung hat der Lehrherr in dem Arbeitsbuche zu vermerken. [229]
Binnen
neun Monaten nach der Auflösung darf der Lehrling in demselben Gewerbe
von einem anderen Arbeitgeber ohne Zustimmung des früheren Lehrherrn
nicht beschäftigt werden.
§. 132.
Erreicht
das Lehrverhältniß vor Ablauf der verabredeten Lehrzeit sein Ende, so
kann von dem Lehrherrn oder von dem Lehrling ein Anspruch auf
Entschädigung nur geltend gemacht werden, wenn der Lehrvertrag
schriftlich geschlossen ist. In den Fällen des §. 128 Absatz 1 und 4
kann der Anspruch nur geltend gemacht werden, wenn dieses in dem
Lehrvertrage unter Festsetzung der Art und Höhe der Entschädigung
vereinbart ist.
Der Anspruch auf Entschädigung erlischt, wenn er
nicht innerhalb vier Wochen nach Auflösung des Lehrverhältnisses im
Wege der Klage oder Einrede geltend gemacht ist.
§. 133.
Ist
von dem Lehrherrn das Lehrverhältniß aufgelöst worden, weil der
Lehrling die Lehre unbefugt verlassen hat, so ist die von dem Lehrherrn
beanspruchte Entschädigung, wenn in dem Lehrvertrage ein Anderes nicht
ausbedungen ist, auf einen Betrag festzusetzen, welcher für jeden auf
den Tag des Vertragsbruches folgenden Tag der Lehrzeit, höchstens aber
für sechs Monate, bis auf die Hälfte des in dem Gewerbe des Lehrherrn
den Gesellen oder Gehülfen ortsüblich gezahlten Lohnes sich belaufen
darf.
Für die Zahlung der Entschädigung sind als Selbstschuldner
mitverhaftet der Vater des Lehrlings sowie derjenige Arbeitgeber,
welcher den Lehrling zum Verlassen der Lehre verleitet oder welcher ihn
in Arbeit genommen hat, obwohl er wußte, daß der Lehrling zur
Fortsetzung eines Lehrverhältnisses noch verpflichtet war. Hat der
Entschädigungsberechtigte erst nach Auflösung des Lehrverhältnisses von
der Person des Arbeitgebers, welcher den Lehrling verleitet oder in
Arbeit genommen hat, Kenntniß erhalten, so erlischt gegen diese der
Entschädigungsanspruch erst, wenn derselbe nicht innerhalb vier Wochen
nach erhaltener Kenntniß geltend gemacht ist.
IV. Verhältnisse der Fabrikarbeiter.
§. 134.
Auf
Fabrikarbeiter finden die Bestimmungen der §§. 121 bis 125 oder, wenn
die Fabrikarbeiter als Lehrlinge anzusehen sind, die Bestimmungen der
§§. 126 bis 133 Anwendung.
§. 135.
Kinder unter zwölf Jahren dürfen in Fabriken nicht beschäftigt werden.
Die Beschäftigung von Kindern unter vierzehn Jahren darf die Dauer von sechs Stunden täglich nicht überschreiten. [230]
Kinder,
welche zum Besuche der Volksschule verpflichtet sind, dürfen in
Fabriken nur dann beschäftigt werden, wenn sie in der Volksschule oder
in einer von der Schulaufsichtsbehörde genehmigten Schule und nach einem
von ihr genehmigten Lehrplane einen regelmäßigen Unterricht von
mindestens drei Stunden täglich genießen.
Junge Leute zwischen vierzehn und sechszehn Jahren dürfen in Fabriken nicht länger als zehn Stunden täglich beschäftigt werden.
Wöchnerinnen dürfen während drei Wochen nach ihrer Niederkunft nicht beschäftigt werden.
§. 136.
Die
Arbeitsstunden der jugendlichen Arbeiter (§. 135) dürfen nicht vor 5½
Uhr Morgens beginnen und nicht über 8½ Uhr Abends dauern. Zwischen den
Arbeitsstunden müssen an jedem Arbeitstage regelmäßige Pausen gewährt
werden. Die Pausen müssen für Kinder eine halbe Stunde, für junge Leute
zwischen vierzehn und sechszehn Jahren Mittags eine Stunde, sowie
Vormittags und Nachmittags je eine halbe Stunde mindestens betragen.
Während
der Pausen darf den jugendlichen Arbeitern eine Beschäftigung in dem
Fabrikbetriebe überhaupt nicht und der Aufenthalt in den Arbeitsräumen
nur dann gestattet werden, wenn in denselben diejenigen Theile des
Betriebes, in welchen jugendliche Arbeiter beschäftigt sind, für die
Zeit der Pausen völlig eingestellt werden.
An Sonn- und
Festtagen, sowie während der von dem ordentlichen Seelsorger für den
Katechumenen- und Konfirmanden-, Beicht- und Kommunion-Unterricht
bestimmten Stunden dürfen jugendliche Arbeiter nicht beschäftigt werden.
§. 137.
Die
Beschäftigung eines Kindes in Fabriken ist nicht gestattet, wenn dem
Arbeitgeber nicht zuvor für dasselbe eine Arbeitskarte eingehändigt ist.
Dasselbe gilt hinsichtlich der noch zum Besuche der Volksschule
verpflichteten jungen Leute zwischen vierzehn und sechszehn Jahren.
Eines Arbeitsbuches bedarf es in diesem Falle nicht.
Die
Arbeitskarten werden auf Antrag oder mit Zustimmung des Vaters oder
Vormundes durch die Ortspolizeibehörde kosten- und stempelfrei
ausgestellt; ist die Erklärung des Vaters nicht zu beschaffen, so kann
die Gemeindebehörde die Zustimmung desselben ergänzen. Sie haben den
Namen, Tag und Jahr der Geburt, sowie die Religion des Kindes, den
Namen, Stand und letzten Wohnort des Vaters oder Vormundes und außerdem
die zur Erfüllung der gesetzlichen Schulpflicht (§. 135) getroffenen
Einrichtungen anzugeben.
Der Arbeitgeber hat die Arbeitskarte zu
verwahren, auf amtliches Verlangen jederzeit vorzulegen und am Ende des
Arbeitsverhältnisses dem Vater oder Vormund wieder auszuhändigen. Ist
die Wohnung des Vaters nicht zu ermitteln, so erfolgt die Zustellung der
Arbeitskarte an die Mutter oder den sonstigen nächsten Angehörigen des
Kindes. [231]
§. 138.
Sollen
jugendliche Arbeiter in Fabriken beschäftigt werden, so hat der
Arbeitgeber vor dem Beginn der Beschäftigung der Ortspolizeibehörde eine
schriftliche Anzeige zu machen.
In der Anzeige sind die Fabrik,
die Wochentage, an welchen die Beschäftigung stattfinden soll, Beginn
und Ende der Arbeitszeit und der Pausen, sowie die Art der Beschäftigung
anzugeben. Eine Aenderung hierin darf, abgesehen von Verschiebungen,
welche durch Ersetzung behinderter Arbeiter für einzelne
Arbeitsschichten nothwendig werden, nicht erfolgen, bevor eine
entsprechende weitere Anzeige der Behörde gemacht ist.
In jeder
Fabrik hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, daß in den Fabrikräumen, in
welchen jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, an einer in die Augen
fallenden Stelle ein Verzeichniß der jugendlichen Arbeiter unter Angabe
ihrer Arbeitstage, sowie des Beginns und Endes ihrer Arbeitszeit und der
Pausen ausgehängt ist. Ebenso hat er dafür zu sorgen, daß in den
bezeichneten Räumen eine Tafel ausgehängt ist, welche in der von der
Zentralbehörde zu bestimmenden Fassung und in deutlicher Schrift einen
Auszug aus den Bestimmungen über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter
enthält.
§. 139.
Wenn
Naturereignisse oder Unglücksfälle den regelmäßigen Betrieb einer
Fabrik unterbrochen haben, so können Ausnahmen von den im §. 135 Absatz 2
bis 4 und im §. 136 vorgesehenen Beschränkungen auf die Dauer von vier
Wochen durch die höhere Verwaltungsbehörde, auf längere Zeit durch den
Reichskanzler nachgelassen werden. In dringenden Fällen solcher Art,
sowie zur Verhütung von Unglücksfällen kann die Ortspolizeibehörde,
jedoch höchstens auf die Dauer von vierzehn Tagen, solche Ausnahmen
gestatten.
Wenn die Natur des Betriebes oder Rücksichten auf die
Arbeiter in einzelnen Fabriken es erwünscht erscheinen lassen, daß die
Arbeitszeit der jugendlichen Arbeiter in einer anderen als der durch §.
136 vorgesehenen Weise geregelt wird, so kann auf besonderen Antrag eine
anderweite Regelung hinsichtlich der Pausen durch die höhere
Verwaltungsbehörde, im übrigen durch den Reichskanzler gestattet werden.
Jedoch dürfen in solchen Fällen die jugendlichen Arbeiter nicht länger
als sechs Stunden beschäftigt werden, wenn zwischen den Arbeitsstunden
nicht Pausen von zusammen mindestens einstündiger Dauer gewährt werden.
Die auf Grund vorstehender Bestimmungen zu treffenden Verfügungen müssen schriftlich erlassen werden.
§. 139a.
Durch
Beschluß des Bundesraths kann die Verwendung von jugendlichen Arbeitern
sowie von Arbeiterinnen für gewisse Fabrikationszweige, welche mit [232]
besonderen Gefahren für Gesundheit oder Sittlichkeit verbunden sind,
gänzlich untersagt oder von besonderen Bedingungen abhängig gemacht
werden. Insbesondere kann für gewisse Fabrikationszweige die Nachtarbeit
der Arbeiterinnen untersagt werden.
Durch Beschluß des
Bundesraths können für Spinnereien, für Fabriken, welche mit
ununterbrochenem Feuer betrieben werden, oder welche sonst durch die Art
des Betriebes auf eine regelmäßige Tag- und Nachtarbeit angewiesen
sind, sowie für solche Fabriken, deren Betrieb eine Eintheilung in
regelmäßige Arbeitsschichten von gleicher Dauer nicht gestattet oder
seiner Natur nach auf bestimmte Jahreszeiten beschränkt ist, Ausnahmen
von den im §. 135 Absatz 2 bis 4 und im §. 136 vorgesehenen
Beschränkungen nachgelassen werden. Jedoch darf in solchen Fällen die
Arbeitszeit für Kinder die Dauer von sechsunddreißig Stunden und für
junge Leute die Dauer von sechszig, in Spinnereien von sechsundsechszig
Stunden wöchentlich nicht überschreiten.
Die durch Beschluß des
Bundesraths getroffenen Bestimmungen sind dem nächstfolgenden Reichstag
vorzulegen. Sie sind außer Kraft zu setzen, wenn der Reichstag dies
verlangt.
§. 139b.
Die Aufsicht über die Ausführung der Bestimmungen der §§. 135 bis 139a,
sowie des §. 120 Absatz 3 in seiner Anwendung auf Fabriken ist
ausschließlich oder neben den ordentlichen Polizeibehörden besonderen
von den Landesregierungen zu ernennenden Beamten zu übertragen.
Denselben stehen bei Ausübung dieser Aufsicht alle amtlichen Befugnisse
der Ortspolizeibehörden, insbesondere das Recht zur jederzeitigen
Revision der Fabriken zu. Sie sind, vorbehaltlich der Anzeige von
Gesetzwidrigkeiten, zur Geheimhaltung der amtlich zu ihrer Kenntniß
gelangenden Geschäfts- und Betriebsverhältnisse der ihrer Revision
unterliegenden Fabriken zu verpflichten.
Die Ordnung der
Zuständigkeitsverhältnisse zwischen diesen Beamten und den ordentlichen
Polizeibehörden bleibt der verfassungsmäßigen Regelung in den einzelnen
Bundesstaaten vorbehalten.
Die erwähnten Beamten haben
Jahresberichte über ihre amtliche Thätigkeit zu erstatten. Diese
Jahresberichte oder Auszüge aus denselben sind dem Bundesrath und dem
Reichstag vorzulegen.
Auf Antrag der Landesregierungen kann für
solche Bezirke, in welchen Fabrikbetriebe gar nicht oder nur in geringem
Umfange vorhanden sind, durch Beschluß des Bundesraths von der
Anstellung besonderer Beamten abgesehen werden.
Die auf Grund der Bestimmungen der §§. 135 bis 139a,
sowie des §. 120 Absatz 3 in seiner Anwendung auf Fabriken
auszuführenden amtlichen Revisionen müssen die Arbeitgeber zu jeder
Zeit, namentlich auch in der Nacht, während die Fabriken im Betriebe
sind, gestatten. [233]
Titel VIII. Gewerbliche Hülfskassen.
§. 140.
Die
durch Ortsstatut oder Anordnung der Verwaltungsbehörde begründete
Verpflichtung der selbständigen Gewerbetreibenden, einer mit einer
Innung verbundenen oder außerhalb derselben bestehenden Kranken-, Hülfs-
oder Sterbekasse für selbständige Gewerbetreibende beizutreten, wird
aufgehoben. Im übrigen wird in den Verhältnissen dieser Kassen durch
gegenwärtiges Gesetz nichts geändert.
Neue Kassen der
selbständigen Gewerbetreibenden für die erwähnten Zwecke erhalten durch
die Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde die Rechte juristischer
Personen, soweit es zur Erlangung dieser Rechte einer besonderen
staatlichen Genehmigung bedarf.
§. 141.[1]
Durch Ortsstatut (§. 142) kann die Bildung von Hülfskassen nach Maßgabe des Gesetzes über die eingeschriebenen Hülfskassen vom 7. April 1876 zur Unterstützung von Gesellen, Gehülfen und Fabrikarbeitern angeordnet werden.
In
diesem Falle ist die Gemeindebehörde ermächtigt, nach Maßgabe des
genannten Gesetzes die Einrichtung der Kassen nach Anhörung der
Betheiligten zu regeln und die Verwaltung der Kassen sicher zu stellen.
§. 141a.
Durch
Ortsstatut kann Gesellen, Gehülfen und Fabrikarbeitern, welche das
sechszehnte Lebensjahr zurückgelegt haben, die Betheiligung an einer auf
Anordnung der Gemeindebehörde gebildeten Kasse zur Pflicht gemacht
werden.
Von der Pflicht, einer solchen Hülfskasse beizutreten
oder fernerhin anzugehören, werden diejenigen befreit, welche die
Betheiligung an einer anderen eingeschriebenen Hülfskasse nachweisen.
Wer
der Pflicht zur Betheiligung nicht genügt, kann von der Kasse für alle
Zahlungen, welche bei rechtzeitigem Eintritte von ihm zu entrichten
gewesen wären, gleich einem Mitgliede in Anspruch genommen werden.
§. 141b.
Für
Gesellen, Gehülfen und Fabrikarbeiter, welche nach Maßgabe der
Landesgesetze auf Grund einer Anordnung der Gemeindeverwaltung
regelmäßige [234]
Beiträge zum Zweck der Krankenunterstützung entrichten, kann durch
Ortsstatut die Verpflichtung zur Betheiligung an einer eingeschriebenen
Hülfskasse nicht begründet werden.
§. 141c.
Durch Ortsstatut kann bestimmt werden:
- 1.
daß Arbeitgeber diejenigen Beiträge, welche ihre Arbeiter an eine auf
Anordnung der Gemeindebehörde gebildete Hülfskasse zu entrichten haben,
bis auf die Hälfte des verdienten Lohnes vorschießen, soweit diese
Beiträge während der Dauer der Arbeit bei ihnen fällig werden;
- 2. daß Fabrikinhaber zu den vorgedachten Beiträgen ihrer Arbeiter Zuschüsse bis auf Höhe der Hälfte dieser Beiträge leisten;
- 3.
daß Arbeitgeber ihre zum Eintritte in eine bestimmte Hülfskasse
verpflichteten Arbeiter für diese Kasse anmelden. Wer dieser Pflicht
nicht genügt, kann von der Kasse für alle Zahlungen, welche bei
rechtzeitigem Eintritte von den Arbeitern zu entrichten gewesen wären,
gleich einem Mitgliede in Anspruch genommen werden.
§. 141d.
Die im §. 141a Absatz 3 und §. 141c
Nr. 3 bezeichneten Forderungen einer Kasse verjähren in einem Jahre;
die Verjährung beginnt mit Schluß des Kalenderjahres, in welchem die
Forderung entstanden ist.
§. 141e.
Gleich
der Gemeinde kann auch ein größerer Kommunalverband nach Maßgabe der
vorstehenden Bestimmungen durch seine verfassungsmäßigen Organe für
seinen Bezirk oder für Theile desselben die Bildung eingeschriebener
Hülfskassen anordnen und Gesellen, Gehülfen sowie Fabrikarbeiter zur
Betheiligung an diesen Kassen verpflichten.
§. 141f.
Den Bestimmungen der §§. 141 bis 141e
unterliegen auch diejenigen bei Bergwerken, Aufbereitungsanstalten und
Brüchen oder Gruben beschäftigten Arbeiter und Arbeitgeber, für welche
eine sonstige gesetzliche Verpflichtung zur Bildung von Hülfskassen und
zur Betheiligung an denselben nicht besteht. Arbeitgeber der hier
bezeichneten Art werden den Fabrikinhabern (§. 141c Nr. 2) gleich geachtet.
Auf
Arbeiter und Arbeitgeber, welche bei den auf Grund berggesetzlicher
Vorschriften gebildeten Hülfskassen betheiligt sind, finden die
Bestimmungen der §§. 141 bis 141e keine Anwendung. [235]
Titel IX. Ortsstatuten.
§. 142.
Ortsstatuten
können die ihnen durch das Gesetz überwiesenen gewerblichen Gegenstände
mit verbindlicher Kraft ordnen. Dieselben werden, nach Anhörung
betheiligter Gewerbetreibender, auf Grund eines Gemeindebeschlusses
abgefaßt. Sie bedürfen der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde.
Die Zentralbehörde ist befugt, Ortsstatuten, welche mit den Gesetzen in Widerspruch stehen, außer Kraft zu setzen.
Titel X. Strafbestimmungen.
§. 143.
Die
Berechtigung zum Gewerbebetriebe kann, abgesehen von den in den
Reichsgesetzen vorgesehenen Fällen ihrer Entziehung, weder durch
richterliche, noch administrative Entscheidung entzogen werden.
Ausnahmen
von diesem Grundsatze, welche durch die Steuergesetze begründet sind,
bleiben so lange aufrecht erhalten, als diese Steuergesetze in Kraft
bleiben.
Die Bestimmungen der Landesgesetze, nach welchen die
Befugniß zur Herausgabe von Druckschriften und zum Vertriebe derselben
innerhalb des Reichsgebiets im Verwaltungswege entzogen werden darf,
werden hierdurch aufgehoben.
§. 144.
Inwiefern,
abgesehen von den Vorschriften über die Entziehung des Gewerbebetriebes
(§. 143), Zuwiderhandlungen der Gewerbetreibenden gegen ihre
Berufspflichten außer den in diesem Gesetz erwähnten Fällen einer Strafe
unterliegen, ist nach den darüber bestehenden Gesetzen zu beurtheilen.
Jedoch
werden aufgehoben die für Medizinalpersonen bestehenden besonderen
Bestimmungen, welche ihnen unter Androhung von Strafen einen Zwang zu
ärztlicher Hülfe auferlegen.
§. 145.
Für
das Mindestmaß der Strafen, das Verhältniß von Geldstrafe zur
Freiheitsstrafe, sowie für die Verjährung der in den §§. 146 und 153
verzeichneten Vergehen sind die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs für
das Deutsche Reich maßgebend.
Die übrigen in diesem Titel mit
Strafe bedrohten Handlungen verjähren binnen drei Monaten, von dem Tage
an gerechnet, an welchem sie begangen sind. [236]
§. 146.
Mit Geldstrafe bis zu zweitausend Mark und im Unvermögensfalle mit Gefängniß bis zu sechs Monaten werden bestraft:
- 1.
Gewerbetreibende, welche bei der Zahlung des Lohnes oder bei dem
Verkauf von Waaren an die Arbeiter dem §. 115 zuwiderhandeln;
- 2. Gewerbetreibende, welche den §§. 135, 136 oder den auf Grund der §§. 139, 139a getroffenen Verfügungen zuwider Arbeiterinnen oder jugendlichen Arbeitern Beschäftigung geben;
- 3.
Gewerbetreibende, welche der Bestimmung im §. 111 entgegen die
Eintragungen mit einem Merkmale versehen, welches den Inhaber des
Arbeitsbuches günstig oder nachtheilig zu kennzeichnen bezweckt;
- 4. wer §. 56 Ziffer 6 zuwiderhandelt.
Die Geldstrafen fließen der im §. 116 bezeichneten Kasse zu.
§. 147.
Mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark und im Unvermögensfalle mit Haft wird bestraft:
- 1.
wer den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes, zu dessen
Beginn eine besondere polizeiliche Genehmigung (Konzession, Approbation,
Bestallung) erforderlich ist, ohne die vorschriftsmäßige Genehmigung
unternimmt oder fortsetzt, oder von den in der Genehmigung festgesetzten
Bedingungen abweicht;
- 2. wer eine gewerbliche Anlage, zu der
mit Rücksicht auf die Lage oder Beschaffenheit der Betriebsstätte oder
des Lokals eine besondere Genehmigung erforderlich ist (§§. 16 und 24),
ohne diese Genehmigung errichtet, oder die wesentlichen Bedingungen,
unter welchen die Genehmigung ertheilt worden, nicht innehält, oder ohne
neue Genehmigung eine wesentliche Veränderung der Betriebsstätte oder
eine Verlegung des Lokals oder eine wesentliche Veränderung in dem
Betriebe der Anlage vornimmt;
- 3. wer, ohne hierzu approbirt zu
sein, sich als Arzt (Wundarzt, Augenarzt, Geburtshelfer, Zahnarzt,
Thierarzt) bezeichnet oder sich einen ähnlichen Titel beilegt, durch den
der Glauben erweckt wird, der Inhaber desselben sei eine geprüfte
Medizinalperson;
- 4. wer der Aufforderung der Behörde ungeachtet den Bestimmungen des §. 120 zuwiderhandelt.
Enthält
die Handlung zugleich eine Zuwiderhandlung gegen die Steuergesetze, so
soll nicht außerdem noch auf eine Steuerstrafe erkannt werden, es ist
aber darauf bei Zumessung der Strafe Rücksicht zu nehmen. [237]
In
dem Falle zu 2 kann die Polizeibehörde die Wegschaffung der Anlage oder
die Herstellung des den Bedingungen entsprechenden Zustandes derselben
anordnen.
§. 148.
Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark und im Unvermögensfalle mit Haft bis zu vier Wochen wird bestraft:
- 1. wer außer den im §. 147 vorgesehenen Fällen ein stehendes Gewerbe beginnt, ohne dasselbe vorschriftsmäßig anzuzeigen;
- 2. wer die im §. 14 erforderte An- oder Abmeldung einer übernommenen Feuerversicherungsagentur unterläßt;
- 3. wer die im §. 14 erforderten Anzeigen über das Betriebslokal unterläßt;
- 4.
wer der nach §. 35 gegen ihn ergangenen Untersagung eines
Gewerbebetriebes zuwiderhandelt, oder die im §. 35 vorgeschriebene
Anzeige unterläßt;
- 5. wer dem §. 33b oder außer den im §. 149 Ziffer 1 vorgesehenen Fällen den §§. 42a bis 44a zuwiderhandelt, oder seine Legitimationskarte (§. 44a) oder seinen Wandergewerbeschein (§. 55) einem Anderen zur Benutzung überläßt;
- 6.
wer zum Zweck der Erlangung einer Legitimationskarte, eines
Wandergewerbescheins oder der im §. 62 vorgesehenen Erlaubniß in Bezug
auf seine Person, oder die Personen, die er mit sich zu führen
beabsichtigt, wissentlich unrichtige Angaben macht;
- 7. wer ein
Gewerbe im Umherziehen ohne den gesetzlich erforderlichen
Wandergewerbeschein, imgleichen wer eines der im §. 59 Ziffer 1 bis 3
bezeichneten Gewerbe der nach §. 59a ergangenen Untersagung zuwider betreibt;
- 7a. wer dem §. 56 Absatz 1, Absatz 2 Ziffer 1 bis 5, 7 bis 9, Absatz 3, §. 56a oder §. 56b zuwiderhandelt;
- 7b. wer den Vorschriften der §§. 56c, 60a, 60b Absatz 2 oder 60c Absatz 2 und 3 zuwiderhandelt;
- 7c. wer einer ihm in Gemäßheit des §. 60 Absatz 1, §. 60b Absatz 1 oder des §. 60d Absatz 3 in dem Wandergewerbescheine auferlegten Beschränkung zuwiderhandelt;
- 7d. wer bei dem Gewerbebetriebe im Umherziehen Kinder unter vierzehn Jahren zu gewerblichen Zwecken mit sich führt;
- 7e. ein Ausländer, welcher bei dem Gewerbebetriebe im Umherziehen den in Gemäßheit des §. 56d vom Bundesrath getroffenen Bestimmungen zuwiderhandelt; [238]
- 8. wer bei dem Betriebe seines Gewerbes die von der Obrigkeit vorgeschriebenen oder genehmigten Taxen überschreitet;
- 9. wer die gesetzlichen Pflichten gegen die ihm anvertrauten Lehrlinge verletzt;
- 10. wer wissentlich der Bestimmung im §. 131 Absatz 2 zuwider einen Lehrling beschäftigt, oder wer einer auf Grund des §. 100e Nr. 2 getroffenen Bestimmung zuwiderhandelt.
In
allen diesen Fällen bleibt die Strafe ausgeschlossen, wenn die
strafbare Handlung zugleich eine Zuwiderhandlung gegen die Steuergesetze
enthält.
§. 149.
Mit Geldstrafe bis zu dreißig Mark und im Unvermögensfalle mit Haft bis zu acht Tagen wird bestraft:
- 1. wer den im §. 42b
vorgesehenen Erlaubnißschein oder den im §. 43 vorgesehenen
Legitimationsschein während der Ausübung des Gewerbebetriebes nicht bei
sich führt, oder den Bestimmungen des §. 44a Absatz 2 zuwiderhandelt;
- 2. wer bei dem Gewerbebetriebe im Umherziehen dem letzten Absatz des §. 56 oder dem §. 60c Absatz 1 zuwiderhandelt;
- 3.
wer ein Gewerbe im Umherziehen, für welches ihm ein auf einen
bestimmten Bezirk lautender Wandergewerbeschein ertheilt ist, unbefugt
in einem anderen Bezirke betreibt;
- 4. wer ein Gewerbe im
Umherziehen mit anderen Waarengattungen oder unter Darbietung anderer
Leistungen betreibt, als sein Wandergewerbeschein angiebt;
- 5.
wer bei dem Gewerbebetriebe im Umherziehen unbefugt Personen mit sich
führt, oder einen Gewerbetreibenden, zu welchem er nicht in dem
Verhältnisse eines Ehegatten, Kindes oder Enkels steht, unbefugt
begleitet;
- 6. wer den polizeilichen Anordnungen wegen des Marktverkehrs zuwiderhandelt;
- 7. wer es unterläßt, den durch §§. 138 und 139b für ihn begründeten Verpflichtungen nachzukommen;
- 8. wer, ohne einer Innung als Mitglied anzugehören, sich als Innungsmeister bezeichnet.
Die
Unterlassung einer durch das Gesetz oder durch Statuten
vorgeschriebenen Anzeige über Innungsverhältnisse an die Behörden, sowie
Unrichtigkeiten in einer solchen Anzeige werden gegen die Mitglieder
des Vorstandes der Innung oder des Innungsverbandes mit der gleichen
Strafe geahndet. [239]
In
allen diesen Fällen bleibt die Strafe ausgeschlossen, wenn die
strafbare Handlung zugleich eine Zuwiderhandlung gegen die Steuergesetze
enthält.
§. 150.
Mit
Geldstrafe bis zu zwanzig Mark und im Unvermögensfalle mit Haft bis zu
drei Tagen für jeden Fall der Verletzung des Gesetzes wird bestraft:
- 1. wer den Bestimmungen der §§. 106 bis 112 zuwider einen Arbeiter in Beschäftigung nimmt oder behält;
- 2.
wer außer dem im §. 146 Ziffer 3 vorgesehenen Falle den Bestimmungen
dieses Gesetzes in Ansehung der Arbeitsbücher und Arbeitskarten
zuwiderhandelt;
- 3. wer vorsätzlich ein auf seinen Namen ausgestelltes Arbeitsbuch unbrauchbar macht oder vernichtet.
§. 151.
Sind
polizeiliche Vorschriften von dem Stellvertreter eines
Gewerbetreibenden bei Ausübung des Gewerbes übertreten worden, so trifft
die Strafe den Stellvertreter, ist die Uebertretung mit Vorwissen des
verfügungsfähigen Vertretenen begangen worden, so verfallen beide der
gesetzlichen Strafe.
Ist an eine solche Uebertretung der Verlust
der Konzession, Approbation oder Bestallung geknüpft, so findet
derselbe auch als Folge der von dem Stellvertreter begangenen
Uebertretung statt, wenn diese mit Vorwissen des verfügungsfähigen
Vertretenen begangen worden. Ist dies nicht der Fall, so ist der
Vertretene bei Verlust der Konzession, Approbation u. s. w.
verpflichtet, den Stellvertreter zu entlassen.
§. 152.
Alle
Verbote und Strafbestimmungen gegen Gewerbetreibende, gewerbliche
Gehülfen, Gesellen oder Fabrikarbeiter wegen Verabredungen und
Vereinigungen zum Behufe der Erlangung günstiger Lohn- und
Arbeitsbedingungen, insbesondere mittelst Einstellung der Arbeit oder
Entlassung der Arbeiter, werden aufgehoben.
Jedem Theilnehmer
steht der Rücktritt von solchen Vereinigungen und Verabredungen frei,
und es findet aus letzteren weder Klage noch Einrede statt.
§. 153.
Wer
Andere durch Anwendung körperlichen Zwanges, durch Drohungen, durch
Ehrverletzung oder durch Verrufserklärung bestimmt oder zu bestimmen
versucht, an solchen Verabredungen (§. 152) Theil zu nehmen, oder ihnen
Folge zu leisten, oder Andere durch gleiche Mittel hindert oder zu
hindern versucht, von solchen Verabredungen zurückzutreten, wird mit
Gefängniß bis zu drei Monaten bestraft, sofern nach dem allgemeinen
Strafgesetz nicht eine härtere Strafe eintritt. [240]
Schlußbestimmungen.
§. 154.
Die Bestimmungen der §§. 105 bis 133 finden auf Gehülfen und Lehrlinge in Apotheken und Handelsgeschäften keine Anwendung.
Die Bestimmungen der §§. 134 bis 139b
finden auf Arbeitgeber und Arbeiter in Werkstätten, in deren Betrieb
eine regelmäßige Benutzung von Dampfkraft stattfindet, sowie in
Hüttenwerken, in Bauhöfen und Werften entsprechende Anwendung.
In gleicher Weise finden Anwendung die Bestimmungen der §§. 115 bis 119, 135 bis 139b,
152 und 153 auf die Besitzer und Arbeiter von Bergwerken, Salinen,
Aufbereitungsanstalten und unterirdisch betriebenen Brüchen oder Gruben.
Arbeiterinnen
dürfen in Anlagen der im Absatz 3 bezeichneten Art nicht unter Tage
beschäftigt werden. Zuwiderhandlungen unterliegen der Strafbestimmung
des §. 146.
§. 155.
Wo
in diesem Gesetze auf die Landesgesetze verwiesen ist, sind unter den
letzteren auch die verfassungs- oder gesetzmäßig erlassenen Verordnungen
verstanden.
Welche Behörden in jedem Bundesstaate unter der
Bezeichnung: höhere Verwaltungsbehörde, untere Verwaltungsbehörde,
Gemeindebehörde, Ortsbehörde, Unterbehörde, Polizeibehörde,
Ortspolizeibehörde zu verstehen sind, wird von der Zentralbehörde des
Bundesstaates bekannt gemacht.
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