J
U
S
T
I
T
I
A
D
E
U
T
S
C
H
E
S
R
E
I
C
H
|
|
|
[40]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitende Bestimmungen.
- Erster Theil. Von der Bestrafung der Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen im Allgemeinen.
- Erster Abschnitt. Strafen.
- Zweiter Abschnitt. Versuch.
- Dritter Abschnitt. Theilnahme.
- Vierter
Abschnitt. Gründe, welche die Strafe ausschließen oder mildern.
- Fünfter Abschnitt. Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen.
- Zweiter Theil. Von den einzelnen Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen und deren Bestrafung.
- Erster Abschnitt. Hochverrath und Landesverrath.
- Zweiter Abschnitt. Beleidigung des Landesherrn.
- Dritter Abschnitt. Beleidigung von Bundesfürsten.
- Vierter Abschnitt. Feindliche Handlungen gegen befreundete Staaten.
- Fünfter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen in Beziehung auf die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte.
- Sechster Abschnitt. Widerstand gegen die Staatsgewalt.
- Siebenter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung.
- Achter Abschnitt. Münzverbrechen und Münzvergehen.
- Neunter Abschnitt. Meineid.
- Zehnter Abschnitt. Falsche Anschuldigung.
- Elfter Abschnitt. Vergehen, welche sich auf die Religion beziehen.
- Zwölfter
Abschnitt Verbrechen und Vergehen in Beziehung auf den Personenstand.
- Dreizehnter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit.
- Vierzehnter Abschnitt. Beleidigung.
- Funfzehnter Abschnitt. Zweikampf.
- Sechszehnter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider das Leben.
- Siebenzehnter
Abschnitt. Körperverletzung.
- Achtzehnter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider die persönliche Freiheit.
- Neunzehnter Abschnitt. Diebstahl und Unterschlagung.
- Zwanzigster Abschnitt. Raub und Erpressung.
- Einundzwanzigster Abschnitt. Begünstigung
und Hehlerei.
- Zweiundzwanzigster Abschnitt. Betrug und Untreue.
- Dreiundzwanzigster Abschnitt. Urkundenfälschung.
- Vierundzwanzigster Abschnitt. Bankerutt.
- Fünfundzwanzigster Abschnitt. Strafbarer Eigennutz und Verletzung fremder Geheimnisse.
- Sechsundzwanzigster Abschnitt. Sachbeschädigung.
- Siebenundzwanzigster Abschnitt. Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen.
- Achtundzwanzigster Abschnitt. Verbrechen und Vergehen im Amte.
- Neunundzwanzigster Abschnitt. Uebertretungen.
Einleitende Bestimmungen.
§. 1.
- Eine mit dem Tode, mit Zuchthaus, oder mit Festungshaft von mehr als fünf Jahren bedrohte Handlung ist ein Verbrechen.
- Eine mit Festungshaft bis zu fünf Jahren, mit Gefängniß oder mit
Geldstrafe von mehr als einhundertfunfzig Mark bedrohte Handlung ist ein
Vergehen.
- Eine mit Haft oder mit Geldstrafe bis zu einhundertfunfzig Mark bedrohte Handlung ist eine Uebertretung.
§. 2.
- Eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, wenn
diese Strafe gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde.
- Bei Verschiedenheit der Gesetze von der Zeit der begangenen Handlung
bis zu deren Aburtheilung ist das mildeste Gesetz anzuwenden.
§. 3.
- Die Strafgesetze des Deutschen Reichs finden Anwendung auf alle im
Gebiete desselben begangenen strafbaren Handlungen, auch wenn der Thäter
ein Ausländer ist.
§. 4.
- Wegen der im Auslande begangenen Verbrechen und Vergehen findet in der Regel keine Verfolgung statt.
- Jedoch kann nach den Strafgesetzen des Deutschen Reichs verfolgt werden:
- ein Deutscher oder ein Ausländer, welcher im Auslande eine
hochverrätherische Handlung gegen das Deutsche Reich oder einen
Bundesstaat, oder ein Münzverbrechen, oder als Beamter des Deutschen
Reichs oder eines Bundesstaats eine Handlung begangen hat, die nach den
Gesetzen des Deutschen Reichs als Verbrechen oder Vergehen im Amte
anzusehen ist;
- ein Deutscher, welcher im Auslande eine landesverrätherische
Handlung gegen das Deutsche Reich oder einen Bundesstaat, oder eine
Beleidigung gegen einen Bundesfürsten begangen hat; [41]
- ein Deutscher, welcher im Auslande eine Handlung begangen hat, die
nach den Gesetzen des Deutschen Reichs als Verbrechen oder Vergehen
anzusehen und durch die Gesetze des Orts, an welchem sie begangen wurde,
mit Strafe bedroht ist.
-
- Die Verfolgung ist auch zulässig, wenn der Thäter bei Begehung der
Handlung noch nicht Deutscher war. In diesem Falle bedarf es jedoch
eines Antrages der zuständigen Behörde des Landes, in welchem die
strafbare Handlung begangen worden, und das ausländische Strafgesetz ist
anzuwenden, soweit dieses milder ist.
§. 5.
- Im Falle des §. 4 Nr. 3 bleibt die Verfolgung ausgeschlossen, wenn
- von den Gerichten des Auslandes über die Handlung rechtskräftig
erkannt und entweder eine Freisprechung erfolgt oder die ausgesprochene
Strafe vollzogen,
- die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung nach den Gesetzen des Auslandes verjährt oder die Strafe erlassen, oder
- der nach den Gesetzen des Auslandes zur Verfolgbarkeit der Handlung
erforderliche Antrag des Verletzten nicht gestellt worden ist.
§. 6.
- Im Auslande begangene Uebertretungen sind nur dann zu bestrafen,
wenn dies durch besondere Gesetze oder durch Verträge angeordnet ist.
§. 7.
- Eine im Auslande vollzogene Strafe ist, wenn wegen derselben
Handlung im Gebiete des Deutschen Reichs abermals eine Verurtheilung
erfolgt, auf die zu erkennende Strafe in Anrechnung zu bringen.
§. 8.
- Ausland im Sinne dieses Strafgesetzes ist jedes nicht zum Deutschen Reich gehörige Gebiet.
§. 9.
- Ein Deutscher darf einer ausländischen Regierung zur Verfolgung oder Bestrafung nicht überliefert werden.
§. 10.
- Auf Deutsche Militärpersonen finden die allgemeinen Strafgesetze des
Reichs insoweit Anwendung, als nicht die Militärgesetze ein Anderes
bestimmen.
§. 11.
- Kein Mitglied eines Landtags oder einer Kammer eines zum Reich
gehörigen Staats darf außerhalb der Versammlung, zu welcher das Mitglied
gehört, wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines
Berufes gethanen Aeußerung zur Verantwortung gezogen werden. [42]
§. 12.
- Wahrheitsgetreue Berichte über Verhandlungen eines Landtags oder
einer Kammer eines zum Reich gehörigen Staats bleiben von jeder
Verantwortlichkeit frei.
Erster Theil. Von der Bestrafung der Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen im Allgemeinen.
Erster Abschnitt. Strafen.
§. 13.
- Die Todesstrafe ist durch Enthauptung zu vollstrecken.
§. 14.
- Die Zuchthausstrafe ist eine lebenslängliche oder eine zeitige.
- Der Höchstbetrag der zeitigen Zuchthausstrafe ist funfzehn Jahre, ihr Mindestbetrag Ein Jahr.
- Wo das Gesetz die Zuchthausstrafe nicht ausdrücklich als eine lebenslängliche androht, ist dieselbe eine zeitige.
§. 15.
- Die zur Zuchthausstrafe Verurtheilten sind in der Strafanstalt zu den eingeführten Arbeiten anzuhalten.
- Sie können auch zu Arbeiten außerhalb der Anstalt, insbesondere zu
öffentlichen oder von einer Staatsbehörde beaufsichtigten Arbeiten
verwendet werden. Diese Art der Beschäftigung ist nur dann zulässig,
wenn die Gefangenen dabei von anderen freien Arbeitern getrennt gehalten
werden.
§. 16.
- Der Höchstbetrag der Gefängnißstrafe ist fünf Jahre, ihr Mindestbetrag Ein Tag.
- Die zur Gefängnißstrafe Verurtheilten können in einer
Gefangenanstalt auf eine ihren Fähigkeiten und Verhältnissen angemessene
Weise beschäftigt werden; auf ihr Verlangen sind sie in dieser Weise zu
beschäftigen.
- Eine Beschäftigung außerhalb der Anstalt (§. 15) ist nur mit ihrer Zustimmung zulässig. [43]
§. 17.
- Die Festungshaft ist eine lebenslängliche oder eine zeitige.
- Der Höchstbetrag der zeitigen Festungshaft ist funfzehn Jahre, ihr Mindestbetrag Ein Tag.
- Wo das Gesetz die Festungshaft nicht ausdrücklich als eine lebenslängliche androht, ist dieselbe eine zeitige.
- Die Strafe der Festungshaft besteht in Freiheitsentziehung mit
Beaufsichtigung der Beschäftigung und Lebensweise der Gefangenen; sie
wird in Festungen oder in anderen dazu bestimmten Räumen vollzogen.
§. 18.
- Der Höchstbetrag der Haft ist sechs Wochen, ihr Mindestbetrag Ein Tag.
- Die Strafe der Haft besteht in einfacher Freiheitsentziehung.
§. 19.
- Bei Freiheitsstrafen wird der Tag zu vierundzwanzig Stunden, die
Woche zu sieben Tagen, der Monat und das Jahr nach der Kalenderzeit
gerechnet.
- Die Dauer einer Zuchthausstrafe darf nur nach vollen Monaten, die
Dauer einer anderen Freiheitsstrafe nur nach vollen Tagen bemessen
werden.
§. 20.
- Wo das Gesetz die Wahl zwischen Zuchthaus und Festungshaft
gestattet, darf auf Zuchthaus nur dann erkannt werden, wenn festgestellt
wird, daß die strafbar befundene Handlung aus einer ehrlosen Gesinnung
entsprungen ist.
§. 21.
- Achtmonatliche Zuchthausstrafe ist einer einjährigen
Gefängnißstrafe, achtmonatliche Gefängnißstrafe einer einjährigen
Festungshaft gleich zu achten.
§. 22.
- Die Zuchthaus- und Gefängnißstrafe können sowohl für die ganze
Dauer, wie für einen Theil der erkannten Strafzeit in der Weise in
Einzelhaft vollzogen werden, daß der Gefangene unausgesetzt von anderen
Gefangenen gesondert gehalten wird.
- Die Einzelhaft darf ohne Zustimmung des Gefangenen die Dauer von drei Jahren nicht übersteigen.
§. 23.
- Die zu einer längeren Zuchthaus- oder Gefängnißstrafe Verurtheilten
können, wenn sie drei Viertheile, mindestens aber Ein Jahr der ihnen
auferlegten Strafe verbüßt, sich auch während dieser Zeit gut geführt
haben, mit ihrer Zustimmung vorläufig entlassen werden.
§. 24.
- Die vorläufige Entlassung kann bei schlechter Führung des
Entlassenen oder, wenn derselbe den ihm bei der Entlassung auferlegten
Verpflichtungen zuwiderhandelt, jederzeit widerrufen werden. [44]
- Der Widerruf hat die Wirkung, daß die seit der vorläufigen
Entlassung bis zur Wiedereinlieferung verflossene Zeit auf die
festgesetzte Strafdauer nicht angerechnet wird.
§. 25.
- Der Beschluß über die vorläufige Entlassung, sowie über einen
Widerruf ergeht von der obersten Justiz-Aufsichtsbehörde. Vor dem
Beschluß über die Entlassung ist die Gefängnißverwaltung zu hören.
- Die einstweilige Festnahme vorläufig Entlassener kann aus dringenden
Gründen des öffentlichen Wohls von der Polizeibehörde des Orts, an
welchem der Entlassene sich aufhält, verfügt werden. Der Beschluß über
den endgültigen Widerruf ist sofort nachzusuchen.
- Führt die einstweilige Festnahme zu einem Widerrufe, so gilt dieser als am Tage der Festnahme erfolgt.
§. 26.
- Ist die festgesetzte Strafzeit abgelaufen, ohne daß ein Widerruf der
vorläufigen Entlassung erfolgt ist, so gilt die Freiheitsstrafe als
verbüßt.
§. 27.
- Der Mindestbetrag der Geldstrafe ist bei Verbrechen und Vergehen drei Mark, bei Uebertretungen Eine Mark.
§. 28.
- Eine nicht beizutreibende Geldstrafe ist in Gefängniß und, wenn sie
wegen einer Uebertretung erkannt worden ist, in Haft umzuwandeln.
- Ist bei einem Vergehen Geldstrafe allein oder an erster Stelle, oder
wahlweise neben Haft angedroht, so kann die Geldstrafe in Haft
umgewandelt werden, wenn die erkannte Strafe nicht den Betrag von
sechshundert Mark und an ihre Stelle tretende Freiheitsstrafe nicht die
Dauer von sechs Wochen übersteigt.
- War neben der Geldstrafe auf Zuchthaus erkannt, so ist die an deren
Stelle tretende Gefängnißstrafe nach Maßgabe des §. 21 in
Zuchthausstrafe umzuwandeln.
- Der Verurtheilte kann sich durch Erlegung des Strafbetrages, soweit
dieser durch die erstandene Freiheitsstrafe noch nicht getilgt ist, von
der letzteren freimachen.
§. 29.
- Bei Umwandlung einer wegen eines Verbrechens oder Vergehens
erkannten Geldstrafe ist der Betrag von drei bis zu funfzehn Mark, bei
Umwandlung einer wegen einer Uebertretung erkannten Geldstrafe der
Betrag von Einer bis zu funfzehn Mark einer eintägigen Freiheitsstrafe
gleich zu achten.
- Der Mindestbetrag der an Stelle einer Geldstrafe tretenden
Freiheitsstrafe ist Ein Tag, ihr Höchstbetrag bei Haft sechs Wochen, bei
Gefängniß ein Jahr. Wenn jedoch eine neben der Geldstrafe wahlweise
angedrohte Freiheitsstrafe ihrer Dauer nach den vorgedachten
Höchstbetrag nicht erreicht, so darf die an Stelle der Geldstrafe
tretende Freiheitsstrafe den angedrohten Höchsbetrag jener
Freiheitsstrafe nicht übersteigen. [45]
§. 30.
- In den Nachlaß kann eine Geldstrafe nur dann vollstreckt werden,
wenn das Urtheil bei Lebzeiten des Verurtheilten rechtskräftig geworden
war.
§. 31.
- Die Verurtheilung zur Zuchthausstrafe hat die dauernde Unfähigkeit
zum Dienste in dem Deutschen Heere und der Kaiserlichen Marine, sowie
die dauernde Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter von
Rechtswegen zu Folge.
- Unter öffentlichen Aemtern im Sinne dieses Strafgesetzes sind die
Advokatur, die Anwaltschaft und das Notariat, sowie der Geschworenen-
und Schöffendienst mitbegriffen.
§. 32.
- Neben der Todesstrafe und der Zuchthausstrafe kann auf den Verlust
der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden, neben der Gefängnißstrafe
nur, wenn die Dauer der erkannten Strafe drei Monate erreicht und
entweder das Gesetz den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte
ausdrücklich zuläßt oder die Gefängnißstrafe wegen Annahme mildernder
Umstände an Stelle von Zuchthausstrafe ausgesprochen wird.
- Die Dauer dieses Verlustes beträgt bei zeitiger Zuchthausstrafe
mindestens zwei und höchstens zehn Jahre, bei Gefängnißstrafe mindestens
Ein Jahr und höchstens fünf Jahre.
§. 33.
- Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte bewirkt den dauernden
Verlust der aus öffentlichen Wahlen für den Verurtheilten
hervorgegangenen Rechte, ingleichen den dauernden Verlust der
öffentlichen Aemter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen.
§. 34.
- Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte bewirkt ferner die Unfähigkeit, während der im Urtheile bestimmten Zeit
- die Landeskokarde zu tragen;
- in das Deutsche Heer oder in die Kaiserliche Marine einzutreten;
- öffentliche Aemter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen zu erlangen;
- in öffentlichen Angelegenheiten zu stimmen, zu wählen oder gewählt zu werden oder andere politische Rechte auszuüben;
- Zeuge bei Aufnahmen von Urkunden zu sein;
- Vormund, Nebenvormund, Kurator, gerichtlicher Beistand oder Mitglied
eines Familienraths zu sein, es sei denn, daß es sich um Verwandte
absteigender Linie handele und die obervormundschaftliche Behörde oder
der Familienrath die Genehmigung ertheile. [46]
§. 35.
- Neben einer Gefängnißstrafe, mit welcher die Aberkennung der
bürgerlichen Ehrenrechte überhaupt hätte verbunden werden können, kann
auf die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter auf die Dauer von
Einem bis zu fünf Jahren erkannt werden.
- Die Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter hat
den dauernden Verlust der bekleideten Aemter von Rechtswegen zur Folge.
§. 36.
- Die Wirkung der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte überhaupt,
sowie der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter insbesondere,
tritt mit der Rechtskraft des Urtheils ein; die Zeitdauer wird von dem
Tage berechnet, an dem die Freiheitsstrafe, neben welcher jene
Aberkennung ausgesprochen wurde, verbüßt, verjährt oder erlassen ist.
§. 37.
- Ist ein Deutscher im Auslande wegen eines Verbrechens oder Vergehens
bestraft worden, welches nach den Gesetzen des Deutschen Reichs den
Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte überhaupt oder einzelner
bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge hat oder zur Folge haben kann, so ist
ein neues Strafverfahren zulässig, um gegen den in diesem Verfahren für
schuldig Erklärten auf jene Folge zu erkennen.
§. 38.
- Neben einer Freiheitsstrafe kann in den durch das Gesetz
vorgesehenen Fällen auf die Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt
werden.
- Die höhere Landespolizeibehörde erhält durch ein solches Erkenntniß
die Befugniß, nach Anhörung der Gefängnißverwaltung den Verurtheilten
auf die Zeit von höchstens fünf Jahren unter Polizei-Aufsicht zu
stellen.
- Diese Zeit wird von dem Tage berechnet, an welchem die Freiheitsstrafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist.
§. 39.
- Die Polizei-Aufsicht hat folgende Wirkungen:
- dem Verurtheilten kann der Aufenthalt an einzelnen bestimmten Orten von der höheren Landespolizeibehörde untersagt werden;
- die höhere Landespolizeibehörde ist befugt, den Ausländer aus dem Bundesgebiete zu verweisen;
- Haussuchungen unterliegen keiner Beschränkung hinsichtlich der Zeit, zu welcher sie stattfinden dürfen.
§. 40.
- Gegenstände, welche durch ein vorsätzliches Verbrechen oder Vergehen
hervorgebracht, oder welche zur Begehung eines vorsätzlichen
Verbrechens oder Vergehens gebraucht oder bestimmt sind, können, sofern
sie dem Thäter oder einem Theilnehmer gehören, eingezogen werden.
- Die Einziehung ist im Urtheile auszusprechen. [47]
§. 41.
- Wenn der Inhalt einer Schrift, Abbildung oder Darstellung strafbar
ist, so ist im Urtheile auszusprechen, daß alle Exemplare, sowie die zu
ihrer Herstellung bestimmten Platten und Formen unbrauchbar zu machen
sind.
- Diese Vorschrift bezieht sich jedoch nur auf die im Besitze des
Verfassers, Druckers, Herausgebers, Verlegers oder Buchhändlers
befindlichen und auf die öffentlich ausgelegten oder öffentlich
angebotenen Exemplare.
- Ist nur ein Theil der Schrift, Abbildung oder Darstellung strafbar,
so ist, insofern eine Ausscheidung möglich ist, auszusprechen, daß nur
die strafbaren Stellen und derjenige Theil der Platten und Formen, auf
welchem sich diese Stellen befinden, unbrauchbar zu machen sind.
§. 42.
- Ist in den Fällen der §§. 40 und 41 die Verfolgung oder die
Verurtheilung einer bestimmten Person nicht ausführbar, so können die
daselbst vorgeschriebenen Maßnahmen selbstständig erkannt werden.
Zweiter Abschnitt. Versuch.
§. 43.
- Wer den Entschluß, ein Verbrechen oder Vergehen zu verüben, durch
Handlungen, welche einen Anfang der Ausführung dieses Verbrechens oder
Vergehens enthalten, bethätigt hat, ist, wenn das beabsichtigte
Verbrechen oder Vergehen nicht zur Vollendung gekommen ist, wegen
Versuches zu bestrafen.
- Der Versuch eines Vergehens wird jedoch nur in den Fällen bestraft, in welchen das Gesetz dies ausdrücklich bestimmt.
§. 44.
- Das versuchte Verbrechen oder Vergehen ist milder zu bestrafen, als das vollendete.
- Ist das vollendete Verbrechen mit dem Tode oder mit lebenslänglichem
Zuchthaus bedroht, so tritt Zuchtshausstrafe nicht unter drei Jahren
ein, neben welcher auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden
kann.
- Ist das vollendete Verbrechen mit lebenslänglicher Festungshaft bedroht, so tritt Festungshaft nicht unter drei Jahren ein.
- In den übrigen Fällen kann die Strafe bis auf ein Viertheil des
Mindestbetrages der auf das vollendete Verbrechen oder Vergehen
angedrohten Freiheits- und Geldstrafe ermäßigt werden. Ist hiernach
Zuchthausstrafe unter Einem Jahre verwirkt, so ist dieselbe nach Maßgabe
des §. 21 in Gefängniß zu verwandeln.
§. 45.
- Wenn neben der Strafe des vollendeten Verbrechens oder Vergehens die
Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zulässig oder geboten ist,
oder auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden kann, so gilt
Gleiches bei der Versuchsstrafe. [48]
§. 46.
- Der Versuch als solcher bleibt straflos, wenn der Thäter
- die Ausführung der beabsichtigten Handlung aufgegeben hat, ohne daß
er an dieser Ausführung durch Umstände gehindert worden ist, welche von
seinem Willen unabhängig waren, oder
- zu einer Zeit, zu welcher die Handlung noch nicht entdeckt war, den
Eintritt des zur Vollendung des Verbrechens oder Vergehens gehörigen
Erfolges durch eigene Thätigkeit abgewendet hat.
Dritter Abschnitt. Theilnahme.
§. 47.
- Wenn Mehrere eine strafbare Handlung gemeinschaftlich ausführen, so wird Jeder als Thäter bestraft.
§. 48.
- Als Anstifter wird bestraft, wer einen Anderen zu der von demselben
begangenen strafbaren Handlung durch Geschenke oder Versprechen, durch
Drohung, durch Mißbrauch des Ansehens oder der Gewalt, durch
absichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines Irrthums oder durch
andere Mittel vorsätzlich bestimmt hat.
- Die Strafe des Anstifters ist nach demjenigen Gesetze festzusetzen,
welches auf die Handlung Anwendung findet, zu welcher er wissentlich
angestiftet hat.
§. 49.
- Als Gehülfe wird bestraft, wer dem Thäter zur Begehung des
Verbrechens oder Vergehens durch Rath oder That wissentlich Hülfe
geleistet hat.
- Die Strafe des Gehülfen ist nach demjenigen Gesetze festzusetzen,
welches auf die Handlung Anwendung findet, zu welcher er wissentlich
Hülfe geleistet hat, jedoch nach den über die Bestrafung des Versuches
aufgestellten Grundsätzen zu ermäßigen.
§. 49a.
- Wer einen Anderen zur Begehung eines Verbrechens oder zur Theilnahme
an einem Verbrechen auffordert, oder wer eine solche Aufforderung
annimmt, wird, soweit nicht das Gesetz eine andere Strafe androht, wenn
das Verbrechen mit dem Tode oder mit lebenslänglicher Zuchthausstrafe
bedroht ist, mit Gefängniß nicht unter drei Monaten, wenn das Verbrechen
mit einer geringeren Strafe bedroht ist, mit Gefängniß bis zu zwei
Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft.
- Die gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher sich zur Begehung
eines Verbrechens oder zur Theilnahme an einem Verbrechen erbietet,
sowie Denjenigen, welcher ein solches Erbieten annimmt. [49]
- Es wird jedoch das lediglich mündlich ausgedrückte Auffordern oder
Erbieten, sowie die Annahme eines solchen nur dann bestraft, wenn die
Aufforderung oder das Erbieten an die Gewährung von Vortheilen irgend
welcher Art geknüpft worden ist.
- Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen
Ehrenrechte und auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden.
§. 50.
- Wenn das Gesetz die Strafbarkeit einer Handlung nach den
persönlichen Eigenschaften oder Verhältnissen desjenigen, welcher
dieselbe begangen hat, erhöht oder vermindert, so sind diese besonderen
Thatumstände dem Thäter oder demjenigen Theilnehmer (Mitthäter,
Anstifter, Gehülfe) zuzurechnen, bei welchem sie vorliegen.
Vierter Abschnitt. Gründe, welche die Strafe ausschließen oder mildern.
§. 51.
- Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Thäter zur
Zeit der Begehung der Handlung sich in einem Zustande von
Bewußtlosigkeit oder krankhafter Störung der Geistesthätigkeit befand,
durch welchen seine freie Willensbestimmung ausgeschlossen war.
§. 52.
- Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Thäter durch
unwiderstehliche Gewalt oder durch eine Drohung, welche mit einer
gegenwärtigen, auf andere Weise nicht abwendbaren Gefahr für Leib und
Leben seiner selbst oder eines Angehörigen verbunden war, zu der
Handlung genöthigt worden ist.
- Als Angehörige im Sinne dieses Strafgesetzes sind anzusehen
Verwandte und Verschwägerte auf- und absteigender Linie, Adoptiv- und
Pflege-Eltern und -Kinder, Ehegatten, Geschwister und deren Ehegatten,
und Verlobte.
§. 53.
- Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn die Handlung durch Nothwehr geboten war.
- Nothwehr ist diejenige Vertheidigung, welche erforderlich ist, um
einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff von sich oder einem Anderen
abzuwenden.
- Die Ueberschreitung der Nothwehr ist nicht strafbar, wenn der Thäter
in Bestürzung, Furcht oder Schrecken über die Grenzen der Vertheidigung
hinausgegangen ist.
§. 54.
- Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn die Handlung außer
dem Falle der Nothwehr in einem unverschuldeten, auf andere Weise nicht
zu beseitigenden Nothstande zur Rettung aus einer gegenwärtigen Gefahr
für Leib oder Leben des Thäters oder eines Angehörigen begangen worden
ist. [50]
§. 55.
- Wer bei Begehung der Handlung das zwölfte Lebensjahr nicht vollendet
hat, kann wegen derselben nicht strafrechtlich verfolgt werden.
- Gegen denselben können jedoch nach Maßgabe der landesgesetzlichen
Vorschriften die zur Besserung und Beaufsichtigung geeigneten Maßregeln
getroffen werden. Insbesondere kann die Unterbringung in eine
Erziehungs- oder Besserungsanstalt erfolgen, nachdem durch Beschluß der
Vormundschaftsbehörde die Begehung der Handlung festgestellt und die
Unterbringung für zulässig erklärt ist.
§. 56.
- Ein Angeschuldigter, welcher zu einer Zeit, als er das zwölfte, aber
nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte, eine strafbare
Handlung begangen hat, ist freizusprechen, wenn er bei Begehung
derselben die zur Erkenntniß ihrer Strafbarkeit erforderliche Einsicht
nicht besaß.
- In dem Urtheile ist zu bestimmen, ob der Angeschuldigte seiner
Familie überwiesen oder in eine Erziehungs- oder Besserungsanstalt
gebracht werden soll. In der Anstalt ist er so lange zu behalten, als
die der Anstalt vorgesetzte Verwaltungsbehörde solches für erforderlich
erachtet, jedoch nicht über das vollendete zwanzigste Lebensjahr.
§. 57.
- Wenn ein Angeschuldigter, welcher zu einer Zeit, als er das zwölfte,
aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte, eine strafbare
Handlung begangen hat, bei Begehung derselben die zur Erkenntniß ihrer
Strafbarkeit erforderliche Einsicht besaß, so kommen gegen ihn folgende
Bestimmungen zur Anwendung:
- ist die Handlung mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zuchthaus
bedroht, so ist auf Gefängniß von drei bis zu funfzehn Jahren zu
erkennen;
- ist die Handlung mit lebenslänglicher Festungshaft bedroht, so ist auf Festungshaft von drei bis zu funfzehn Jahren zu erkennen;
- ist die Handlung mit Zuchthaus oder mit einer anderen Strafart
bedroht, so ist die Strafe zwischen dem gesetzlichen Mindestbetrage der
angedrohten Strafart und der Hälfte des Höchstbetrages der angedrohten
Strafe zu bestimmen. Ist die so bestimmte Strafe Zuchthaus, so tritt
Gefängnißstrafe von gleicher Dauer an ihre Stelle;
- ist die Handlung ein Vergehen oder eine Uebertretung, so kann in besonders leichten Fällen auf Verweis erkannt werden;
- auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte überhaupt oder einzelner
bürgerlichen Ehrenrechte, sowie auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht
ist nicht zu erkennen.
- Die Freiheitsstrafe ist in besonderen, zur Verbüßung von Strafen
jugendlicher Personen bestimmten Anstalten oder Räumen zu vollziehen. [51]
§. 58.
- Ein Taubstummer, welcher die zur Erkenntniß der Strafbarkeit einer
von ihm begangenen Handlung erforderliche Einsicht nicht besaß, ist
freizusprechen.
§. 59.
- Wenn Jemand bei Begehung einer strafbaren Handlung das Vorhandensein
von Thatumständen nicht kannte, welche zum gesetzlichen Thatbestande
gehören oder die Strafbarkeit erhöhen, so sind ihm diese Umstände nicht
zuzurechnen.
- Bei der Bestrafung fahrlässig begangener Handlungen gilt diese
Bestimmung nur insoweit, als die Unkenntniß selbst nicht durch
Fahrlässigkeit verschuldet ist.
§. 60.
- Eine erlittene Untersuchungshaft kann bei Fällung des Urtheils auf die erkannte Strafe ganz oder theilweise angerechnet werden.
§. 61.
- Eine Handlung, deren Verfolgung nur auf Antrag eintritt, ist nicht
zu verfolgen, wenn der zum Antrage Berechtigte es unterläßt, den Antrag
binnen drei Monaten zu stellen. Diese Frist beginnt mit dem Tage, seit
welchem der zum Antrage Berechtigte von der Handlung und von der Person
des Thäters Kenntniß gehabt hat.
§. 62.
- Wenn von mehreren zum Antrage Berechtigten einer die dreimonatliche
Frist versäumt, so wird hierdurch das Recht der übrigen nicht
ausgeschlossen.
§. 63.
- Der Antrag kann nicht getheilt werden. Das gerichtliche Verfahren
findet gegen sämmtliche an der Handlung Betheiligte (Thäter und
Theilnehmer), sowie gegen den Begünstiger statt, auch wenn nur gegen
eine dieser Personen auf Bestrafung angetragen worden ist.
§. 64.
- Die Zurücknahme des Antrages ist nur in den gesetzlich besonders
vorgesehenen Fällen und nur bis zur Verkündung eines auf Strafe
lautenden Urtheils zulässig.
- Die rechtzeitige Zurücknahme des Antrages gegen eine der
vorbezeichneten Personen hat die Einstellung des Verfahrens auch gegen
die anderen zur Folge.
§. 65.
- Der Verletzte, welcher das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, ist selbstständig zu dem Antrage auf Bestrafung berechtigt.
- So lange der Verletzte minderjährig ist, hat der gesetzliche
Vertreter desselben, unabhängig von der eigenen Befugniß des Verletzten,
das Recht, den Antrag zu stellen. [52]
- Bei bevormundeten Geisteskranken und Taubstummen ist der Vormund der zur Stellung des Antrages Berechtigte.
§. 66.
- Durch Verjährung wird die Strafverfolgung und die Strafvollstreckung ausgeschlossen.
§. 67.
- Die Strafverfolgung von Verbrechen verjährt,
- wenn sie mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bedroht sind, in zwanzig Jahren;
- wenn sie im Höchstbetrage mit einer Freiheitsstrafe von einer längeren als zehnjährigen Dauer bedroht sind, in funfzehn Jahren;
- wenn sie mit einer geringeren Freiheitsstrafe bedroht sind, in zehn Jahren.
- Die Strafverfolgung von Vergehen, die im Höchstbetrage mit einer
längeren als dreimonatlichen Gefängnißstrafe bedroht sind, verjährt in
fünf Jahren, von anderen Vergehen in drei Jahren.
- Die Strafverfolgung von Uebertretungen verjährt in drei Monaten.
- Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem die Handlung
begangen ist, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des eingetretenen
Erfolges.
§. 68.
- Jede Handlung des Richters, welche wegen der begangenen That gegen den Thäter gerichtet ist, unterbricht die Verjährung.
- Die Unterbrechung findet nur rücksichtlich desjenigen statt, auf welchen die Handlung sich bezieht.
- Nach der Unterbrechung beginnt eine neue Verjährung.
§. 69.
- Ist der Beginn oder die Fortsetzung eines Strafverfahrens von einer
Vorfrage abhängig, deren Entscheidung in einem anderen Verfahren
erfolgen muß, so ruht die Verjährung bis zu dessen Beendigung.
§. 70.
- Die Vollstreckung rechtskräftig erkannter Strafen verjährt, wenn
- auf Tod oder auf lebenslängliches Zuchthaus oder auf lebenslängliche Festungshaft erkannt ist, in dreißig Jahren;
- auf Zuchthaus oder Festungshaft von mehr als zehn Jahren erkannt ist, in zwanzig Jahren;
- auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder auf Festungshaft von fünf bis
zu zehn Jahren oder Gefängniß von mehr als fünf Jahren erkannt ist, in
funfzehn Jahren;
- auf Festungshaft oder Gefängniß von zwei bis zu fünf Jahren oder auf
Geldstrafe von mehr als sechstausend Mark erkannt ist, in zehn Jahren;
- auf Festungshaft oder Gefängniß bis zu zwei Jahren oder auf
Geldstrafe von mehr als einhundertfunfzig bis zu sechstausend Mark
erkannt ist, in fünf Jahren;
- auf Haft oder auf Geldstrafe bis zu einhundertfunfzig Mark erkannt ist, in zwei Jahren.
- Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem das Urtheil rechtskräftig geworden ist. [53]
§. 71.
- Die Vollstreckung einer wegen derselben Handlung neben einer
Freiheitsstrafe erkannten Geldstrafe verjährt nicht früher, als die
Vollstreckung der Freiheitsstrafe.
§. 72.
- Jede auf Vollstreckung der Strafe gerichtete Handlung derjenigen
Behörde, welcher die Vollstreckung obliegt, sowie die zum Zwecke der
Vollstreckung erfolgende Festnahme des Verurtheilten unterbricht die
Verjährung.
- Nach der Unterbrechung der Vollstreckung der Strafe beginnt eine neue Verjährung.
Fünfter Abschnitt. Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen.
§. 73.
- Wenn eine und dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze verletzt, so
kommt nur dasjenige Gesetz, welches die schwerste Strafe, und bei
ungleichen Strafarten dasjenige Gesetz, welches die schwerste Strafart
androht, zu Anwendung.
§. 74.
- Gegen denjenigen, welcher durch mehrere selbstständige Handlungen
mehrere Verbrechen oder Vergehen, oder dasselbe Verbrechen oder Vergehen
mehrmals begangen und dadurch mehrere zeitige Freiheitsstrafen verwirkt
hat, ist auf eine Gesammtstrafe zu erkennen, welche in einer Erhöhung
der verwirkten schwersten Strafe besteht.
- Bei dem Zusammentreffen ungleichartiger Freiheitsstrafen tritt diese Erhöhung bei der ihrer Art nach schwersten Strafe ein.
- Das Maß der Gesammtstrafe darf den Betrag der verwirkten
Einzelstrafen nicht erreichen und funfzehnjähriges Zuchthaus,
zehnjähriges Gefängniß oder funfzehnjährige Festungshaft nicht
übersteigen.
§. 75.
- Trifft Festungshaft nur mit Gefängniß zusammen, so ist auf jede dieser Strafarten gesondert zu erkennen.
- Ist Festungshaft oder Gefängniß mehrfach verwirkt, so ist
hinsichtlich der mehreren Strafen gleicher Art so zu verfahren, als wenn
dieselben allein verwirkt wären.
- Die Gesammtdauer der Strafen darf in diesen Fällen funfzehn Jahre nicht übersteigen. [54]
§. 76.
- Die Verurtheilung zu einer Gesammtstrafe schließt die Aberkennung
der bürgerlichen Ehrenrechte nicht aus, wenn diese auch nur neben einer
der verwirkten Einzelstrafe zulässig oder geboten ist.
- Ingleichen kann neben der Gesammtstrafe auf Zulässigkeit von
Polizei-Aufsicht erkannt werden, wenn dieses auch nur wegen einer der
mehreren strafbaren Handlungen statthaft ist.
§. 77.
- Trifft Haft mit einer anderen Freiheitsstrafe zusammen, so ist auf die erstere gesondert zu erkennen.
- Auf eine mehrfach verwirkte Haft ist ihrem Gesammtbetrage nach, jedoch nicht über die Dauer von drei Monaten zu erkennen.
§. 78.
- Auf Geldstrafen, welche wegen mehrerer strafbarer Handlungen allein
oder neben einer Freiheitsstrafe verwirkt sind, ist ihrem vollen Betrage
nach zu erkennen.
- Bei Umwandlung mehrerer Geldstrafen ist der Höchstbetrag der an die
Stelle derselben tretenden Freiheitsstrafe zwei Jahre Gefängniß und,
wenn die mehreren Geldstrafen nur wegen Uebertretungen erkannt worden
sind, drei Monate Haft.
§. 79.
- Die Vorschriften der §§. 74 und 78 finden auch Anwendung, wenn,
bevor eine erkannte Strafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist, die
Verurtheilung wegen einer strafbaren Handlung erfolgt, welche vor der
früheren Verurtheilung begangen war.
Zweiter Theil. Von den einzelnen Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen und deren Bestrafung.
Erster Abschnitt. Hochverrath und Landesverrath.
§. 80.
- Der Mord und der Versuch des Mordes, welche an dem Kaiser, an dem
eigenen Landesherrn, oder während des Aufenthalts in einem Bundesstaate
an dem Landesherrn dieses Staats verübt worden sind, werden als
Hochverrath mit dem Tode bestraft. [55]
§. 81.
- Wer außer den Fällen des §. 80 es unternimmt,
- einen Bundesfürsten zu tödten, gefangen zu nehmen, in Feindes Gewalt zu liefern oder zur Regierung unfähig zu machen,
- die Verfassung des Deutschen Reichs oder eines Bundesstaats oder die in demselben bestehende Thronfolge gewaltsam zu ändern,
- das Bundesgebiet ganz oder theilweise einem fremden Staate gewaltsam
einzuverleiben oder einen Theil desselben vom Ganzen loszureißen, oder
- das Gebiet eines Bundesstaats ganz oder theilweise einem anderen
Bundesstaate gewaltsam einzuverleiben oder einen Theil desselben vom
Ganzen loszureißen,
- wird wegen Hochverraths mit lebenslänglichem Zuchthaus oder lebenslänglicher Festungshaft bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter fünf Jahren ein.
- Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen
Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte
erkannt werden.
§. 82.
- Als ein Unternehmen, durch welches das Verbrechen des Hochverraths
vollendet wird, ist jede Handlung anzusehen, durch welche das Vorhaben
unmittelbar zur Ausführung gebracht werden soll.
§. 83.
- Haben Mehrere die Ausführung eines hochverrätherischen Unternehmens
verabredet, ohne daß es zum Beginn einer nach §. 82 strafbaren Handlung
gekommen ist, so werden dieselben mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren
oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter zwei Jahren ein.
- Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen
Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte
erkannt werden.
§. 84.
- Die Strafvorschriften des §. 83 finden auch gegen denjenigen
Anwendung, welcher zur Vorbereitung eines Hochverraths entweder sich mit
einer auswärtigen Regierung einläßt oder die ihm von dem Reich oder
einem Bundesstaate anvertraute Macht mißbraucht oder Mannschaften
anwirbt oder in den Waffen einübt.
§. 85.
- Wer öffentlich vor einer Menschenmenge, oder wer durch Verbreitung
oder öffentlichen Anschlag oder öffentliche Ausstellung von Schriften
oder anderen Darstellungen zur Ausführung einer nach §. 82 strafbaren
Handlung auffordert, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder
Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. [56]
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft von Einem bis zu fünf Jahren ein.
§. 86.
- Jede andere, ein hochverrätherisches Unternehmen vorbereitende
Handlung wird mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder Festungshaft von
gleicher Dauer bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft von sechs Monaten bis zu drei Jahren ein.
§. 87.
- Ein Deutscher, welcher sich mit einer ausländischen Regierung
einläßt, um dieselbe zu einem Kriege gegen das Deutsche Reich zu
veranlassen, wird wegen Landesverraths mit Zuchthaus nicht unter fünf
Jahren und, wenn der Krieg ausgebrochen ist, mit lebenslänglichem
Zuchthaus bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft von sechs
Monaten bis zu fünf Jahren und, wenn der Krieg ausgebrochen ist,
Festungshaft nicht unter fünf Jahren ein.
- Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen
Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte
erkannt werden.
§. 88.
- Ein Deutscher, welcher während eines gegen das Deutsche Reich
ausgebrochenen Krieges in der feindlichen Kriegsmacht Dienste nimmt oder
die Waffen gegen das Deutsche Reich oder dessen Bundesgenossen trägt,
wird wegen Landesverraths mit lebenslänglichem Zuchthaus oder
lebenslänglicher Festungshaft bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter fünf Jahren ein.
- Ein Deutscher, welcher schon früher in fremden Kriegsdiensten stand,
wird, wenn er nach Ausbruch des Krieges in der feindlichen Kriegsmacht
verbleibt oder die Waffen gegen das Deutsche Reich oder dessen
Bundesgenossen trägt, wegen Landesverraths mit Zuchthaus von zwei bis zu
zehn Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind
mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft bis zu zehn Jahren
ein.
- Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen
Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte
erkannt werden.
§. 89.
- Ein Deutscher, welcher vorsätzlich während eines gegen das Deutsche
Reich ausgebrochenen Krieges einer feindlichen Macht Vorschub leistet
oder den Truppen des Deutschen Reichs oder der Bundesgenossen desselben
Nachtheil zufügt, wird wegen Landesverraths mit Zuchthaus bis zu zehn
Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde
Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft bis zu zehn Jahren ein.
- Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen
Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte
erkannt werden. [57]
§. 90.
- Lebenslängliche Zuchthausstrafe trifft einen Deutschen, welcher
vorsätzlich während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen
Krieges
- Festungen, Pässe, besetzte Plätze oder andere Vertheidigungsposten,
ingleichen Deutsche oder verbündete Truppen oder einzelne Offiziere oder
Soldaten in feindliche Gewalt bringt;
- Festungswerke, Schiffe oder andere Fahrzeuge der Kriegsmarine,
Kassen, Zeughäuser, Magazine oder andere Vorräthe an Waffen,
Schießbedarf oder anderen Kriegsbedürfnissen in feindliche Gewalt bringt
oder dieselben, sowie Brücken und Eisenbahnen zum Vortheile des Feindes
zerstört oder unbrauchbar macht;
- dem Feinde Mannschaften zuführt oder Soldaten des Deutschen oder verbündeten Heeres verleitet, zum Feinde überzugehen;
- Operationspläne oder Pläne von Festungen oder festen Stellungen dem Feinde mittheilt;
- dem Feinde als Spion dient oder feindliche Spione aufnimmt, verbirgt oder ihnen Beistand leistet, oder
- einen Aufstand unter den Deutschen oder verbündeten Truppen erregt.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter fünf Jahren ein.
- Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen
Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte
erkannt werden.
§. 91.
- Gegen Ausländer ist wegen der in den §§. 87, 89, 90 bezeichneten Handlungen nach dem Kriegsgebrauche zu verfahren.
- Begehen sie aber solche Handlungen, während sie unter dem Schutze
des Deutschen Reichs oder eines Bundesstaats sich innerhalb des
Bundesgebietes aufhalten, so kommen die in den §§. 87, 89 und 90
bestimmten Strafen zur Anwendung.
§. 92.
- Wer vorsätzlich
- Staatsgeheimnisse oder Festungspläne, oder solche Urkunden,
Aktenstücke oder Nachrichten, von denen er weiß, daß ihre Geheimhaltung
einer anderen Regierung gegenüber für das Wohl des Deutschen Reichs oder
eines Bundesstaats erforderlich ist, dieser Regierung mittheilt oder
öffentlich bekannt macht;
- zur Gefährdung der Rechte des Deutschen Reichs oder eines
Bundesstaats im Verhältniß zu einer anderen Regierung die über solche
Rechte sprechenden Urkunden und Beweismittel vernichtet, verfälscht oder
unterdrückt, oder [58]
- ein ihm von Seiten des Deutschen Reichs oder von einem Bundesstaate
aufgetragenes Staatsgeschäft mit einer andern Regierung zum Nachtheil
dessen führt, der ihm den Auftrag ertheilt hat,
- wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter sechs Monaten ein.
§. 93.
- Wenn in den Fällen der §§. 80, 81, 83, 84, 87 bis 92 die
Untersuchung eröffnet wird, so kann bis zu deren rechtskräftigen
Beendigung des Vermögen, welches der Angeschuldigte besitzt, oder
welches ihm später anfällt, mit Beschlag belegt werden.
Zweiter Abschnitt. Beleidigung des Landesherrn.
§. 94.
- Wer einer Thätlichkeit gegen den Kaiser, gegen seinen Landesherrn
oder während seines Aufenthalts in einem Bundesstaate einer Thätlichkeit
gegen den Landesherrn dieses Staats sich schuldig macht, wird mit
lebenslänglichem Zuchthaus oder lebenslänglicher Festungshaft, in minder
schweren Fällen mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder mit
Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Neben der Festungshaft kann
auf Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter, sowie der aus
öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte erkannt werden.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter fünf Jahren ein.
§. 95.
- Wer den Kaiser, seinen Landesherrn oder während seines Aufenthalts
in einem Bundesstaate dessen Landesherrn beleidigt, wird mit Gefängniß
nicht unter zwei Monaten oder mit Festungshaft von zwei Monaten bis zu
fünf Jahren bestraft.
- Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bekleideten
öffentlichen Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen
Rechte erkannt werden.
§. 96.
- Wer einer Thätlichkeit gegen ein Mitglied des landesherrlichen
Hauses seines Staats oder gegen den Regenten seines Staats oder während
seines Aufenthalts in einem Bundesstaate einer Thätlichkeit gegen ein
Mitglied des landesherrlichen Hauses dieses Staats oder gegen den
Regenten dieses Staats sich schuldig macht, wird mit Zuchthaus nicht
unter fünf Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer, in minder
schweren Fällen mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Festungshaft
von gleicher Dauer bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft von Einem bis zu fünf Jahren ein. [59]
§. 97.
- Wer ein Mitglied des landesherrlichen Hauses seines Staats oder den
Regenten seines Staats oder während seines Aufenthalts in einem
Bundesstaate ein Mitglied des landesherrlichen Hauses dieses Staats oder
den Regenten dieses Staats beleidigt, wird mit Gefängniß von Einem
Monat bis zu drei Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer
bestraft.
Dritter Abschnitt. Beleidigung von Bundesfürsten.
§. 98.
- Wer außer dem Falle des §. 94 sich einer Thätlichkeit gegen einen
Bundesfürsten schuldig macht, wird mit Zuchthaus von zwei bis zu zehn
Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft von sechs Monaten bis zu zehn Jahren ein.
§. 99.
- Wer außer dem Falle des §. 95 einen Bundesfürsten beleidigt, wird
mit Gefängniß von Einem Monat bis zu drei Jahren oder mit Festungshaft
von gleicher Dauer bestraft.
- Die Verfolgung tritt nur mit Ermächtigung des Beleidigten ein.
§. 100.
- Wer außer dem Falle des §. 96 sich einer Thätlichkeit gegen ein
Mitglied eines bundesfürstlichen Hauses oder den Regenten eines
Bundesstaats schuldig macht, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder
mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft von Einem Monat bis zu drei Jahren ein.
§. 101.
- Wer außer dem Falle des §. 97 den Regenten eines Bundesstaats
beleidigt, wird mit Gefängniß von Einer Woche bis zu zwei Jahren oder
mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft.
- Die Verfolgung tritt nur mit Ermächtigung des Beleidigten ein. [60]
Vierter Abschnitt. Feindliche Handlungen gegen befreundete Staaten.
§. 102.
- Ein Deutscher, welcher im Inlande oder Auslande, oder ein Ausländer,
welcher während seines Aufenthalts im Inlande gegen einen nicht zum
Deutschen Reich gehörenden Staat oder dessen Landesherrn eine Handlung
vornimmt, die, wenn er sie gegen einen Bundesstaat oder einen
Bundesfürsten begangen hätte, nach Vorschrift der §§. 81 bis 86 zu
bestrafen sein würde, wird in den Fällen der §§. 81 bis 84 mit
Festungshaft von Einem bis zu zehn Jahren oder, wenn mildernde Umstände
vorhanden sind, mit Festungshaft von sechs Monaten bis zu zehn Jahren,
in den Fällen der §§. 85 und 86 mit Festungshaft von Einem Monat bis zu
drei Jahren bestraft, sofern in dem anderen Staate dem Deutschen Reich
die Gegenseitigkeit verbürgt ist.
- Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der auswärtigen Regierung ein. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig.
§. 103.
- Wer sich gegen den Landesherrn oder den Regenten eines nicht zum
Deutschen Reich gehörenden Staats einer Beleidigung schuldig macht, wird
mit Gefängniß von Einer Woche bis zu zwei Jahren oder mit Festungshaft
von gleicher Dauer bestraft, sofern in diesem Staate dem Deutschen Reich
die Gegenseitigkeit verbürgt ist.
- Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der auswärtigen Regierung ein. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig.
§. 103a.
- Wer ein öffentliches Zeichen der Autorität eines nicht zum Deutschen
Reich gehörenden Staats oder ein Hoheitszeichen eines solchen Staats
böswillig wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder beschimpfenden Unfug
daran verübt, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit
Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.
§. 104.
- Wer sich gegen einen bei dem Reich, einem bundesfürstlichen Hofe
oder bei dem Senate einer der freien Hansestädte beglaubigten Gesandten
oder Geschäftsträger einer Beleidigung schuldig macht, wird mit
Gefängniß bis zu Einem Jahre oder mit Festungshaft von gleicher Dauer
bestraft.
- Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des Beleidigten ein. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig.
Fünfter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen in Beziehung auf die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte.
§. 105.
- Wer es unternimmt, den Senat oder die Bürgerschaft einer der freien
Hansestädte, eine gesetzgebende Versammlung des Reichs oder eines
Bundesstaats auseinander zu sprengen, zur Fassung oder Unterlassung von
Beschlüssen zu nöthigen oder Mitglieder aus ihnen gewaltsam zu
entfernen, wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder mit
Festungshaft von gleicher Dauer bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter Einem Jahre ein. [61]
§. 106.
- Wer ein Mitglied einer der vorbezeichneten Versammlungen durch
Gewalt oder durch Bedrohung mit einer strafbaren Handlung verhindert,
sich an den Ort der Versammlung zu begeben oder zu stimmen, wird mit
Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer
bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft bis zu zwei Jahren ein.
§. 107.
- Wer einen Deutschen durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einer
strafbaren Handlung verhindert, in Ausübung seiner staatsbürgerlichen
Rechte zu wählen oder zu stimmen, wird mit Gefängniß nicht unter sechs
Monaten oder mit Festungshaft bis zu fünf Jahren bestraft.
- Der Versuch ist strafbar.
§. 108.
- Wer in einer öffentlichen Angelegenheit mit der Sammlung von Wahl-
oder Stimm-Zetteln oder -Zeichen oder mit der Führung der
Beurkundungsverhandlung beauftragt, ein unrichtiges Ergebniß der
Wahlhandlung vorsätzlich herbeiführt oder das Ergebniß verfälscht, wird
mit Gefängniß von Einer Woche bis zu drei Jahren bestraft.
- Wird die Handlung von Jemand begangen, welcher nicht mit der
Sammlung der Zettel oder Zeichen oder einer anderen Verrichtung bei dem
Wahlgeschäfte beauftragt ist, so tritt Gefängnißstrafe bis zu zwei
Jahren ein.
- Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
§. 109.
- Wer in einer öffentlichen Angelegenheit eine Wahlstimme kauft oder
verkauft, wird mit Gefängniß von Einem Monat bis zu zwei Jahren
bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt
werden.
Sechster Abschnitt. Widerstand gegen die Staatsgewalt.
§. 110.
- Wer öffentlich vor einer Menschenmenge, oder wer durch Verbreitung
oder öffentlichen Anschlag oder öffentliche Ausstellung von Schriften
oder anderen Darstellungen zum Ungehorsam gegen Gesetze oder
rechtsgültige Verordnungen oder gegen die von der Obrigkeit innerhalb
ihrer Zuständigkeit getroffenen Anordnungen auffordert, wird mit
Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei
Jahren bestraft.
§. 111.
- Wer auf die vorbezeichnete Weise zur Begehung einer strafbaren
Handlung auffordert, ist gleich dem Anstifter zu bestrafen, wenn die
Aufforderung die strafbare Handlung oder einen strafbaren Versuch
derselben zur Folge gehabt hat. [62]
- Ist die Aufforderung ohne Erfolg geblieben, so tritt Geldstrafe bis
zu sechshundert Mark oder Gefängnißstrafe bis zu Einem Jahre ein. Die
Strafe darf jedoch, der Art oder dem Maße nach, keine schwerere sein,
als die auf die Handlung selbst angedrohte.
§. 112.
- Wer eine Person des Soldatenstandes, es sei des Deutschen Heeres
oder der Kaiserlichen Marine, auffordert oder anreizt, dem Befehle des
Oberen nicht Gehorsam zu leisten, wer insbesondere eine Person, welche
zum Beurlaubtenstande gehört, auffordert oder anreizt, der Einberufung
zum Dienste nicht zu folgen, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren
bestraft.
§. 113.
- Wer einem Beamten, welcher zur Vollstreckung von Gesetzen, von
Befehlen und Anordnungen der Verwaltungsbehörden oder von Urtheilen und
Verfügungen der Gerichte berufen ist, in der rechtmäßigen Ausübung
seines Amtes durch Gewalt oder durch Bedrohung mit Gewalt Widerstand
leistet, oder wer einen solchen Beamten während der rechtmäßigen
Ausübung seines Amtes thätlich angreift, wird mit Gefängniß von vierzehn
Tagen bis zu zwei Jahren bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe bis zu Einem Jahre oder Geldstrafe bis zu eintausend Mark ein.
- Dieselben Strafvorschriften treten ein, wenn die Handlung gegen
Personen, welche zur Unterstützung des Beamten zugezogen waren, oder
gegen Mannschaften der bewaffneten Macht oder gegen Mannschaften einer
Gemeinde-, Schutz- oder Bürgerwehr in Ausübung des Dienstes begangen
wird.
§. 114.
- Wer es unternimmt, durch Gewalt oder Drohung eine Behörde oder einen
Beamten zur Vornahme oder Unterlassung einer Amtshandlung zu nöthigen,
wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe bis zu zwei Jahren ein.
§. 115.
- Wer an einer öffentlichen Zusammenrottung, bei welcher eine der in
den §§. 113 und 114 bezeichneten Handlungen mit vereinten Kräften
begangen wird, Theil nimmt, wird wegen Aufruhrs mit Gefängniß nicht
unter sechs Monaten bestraft.
- Die Rädelsführer, sowie diejenigen Aufrührer, welche eine der in den
§§. 113 und 114 bezeichneten Handlungen begehen, werden mit Zuchthaus
bis zu zehn Jahren bestraft; auch kann auf Zulässigkeit von
Polizei-Aufsicht erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so
tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein. [63]
§. 116.
- Wird eine auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen versammelte
Menschenmenge von dem zuständigen Beamten oder Befehlshaber der
bewaffneten Macht aufgefordert, sich zu entfernen, so wird jeder der
Versammelten, welcher nach der dritten Aufforderung sich nicht entfernt,
wegen Auflaufs mit Gefängniß bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe
bis zu eintausendfünfhundert Mark bestraft.
- Ist bei einem Auflaufe gegen die Beamten oder die bewaffnete Macht
mit vereinten Kräften thätlicher Widerstand geleistet oder Gewalt verübt
worden, so treten gegen diejenigen, welche an diesen Handlungen Theil
genommen haben, die Strafen des Aufruhrs ein.
§. 117.
- Wer einem Forst- oder Jagdbeamten, einem Waldeigenthümer, Forst-
oder Jagdberechtigten, oder einem von diesen bestellten Aufseher, in der
rechtmäßigen Ausübung seines Amtes oder Rechtes durch Gewalt oder durch
Bedrohung mit Gewalt Widerstand leistet, oder wer eine dieser Personen
während der Ausübung ihres Amtes oder Rechtes thätlich angreift, wird
mit Gefängniß von vierzehn Tagen bis zu drei Jahren bestraft.
- Ist der Widerstand oder der Angriff unter Drohung mit Schießgewehr,
Aexten oder anderen gefährlichen Werkzeugen erfolgt, oder mit Gewalt an
der Person begangen worden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei
Monaten ein.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt in den Fällen des Absatz
1 Gefängnißstrafe bis zu Einem Jahre, in den Fällen des Absatz 2
Gefängnißstrafe nicht unter Einem Monat ein.
§. 118.
- Ist durch den Widerstand oder den Angriff eine Körperverletzung
dessen, gegen welchen die Handlung begangen ist, verursacht worden, so
ist auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu erkennen.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein.
§. 119.
- Wenn eine der in den §§. 117 und 118 bezeichneten Handlungen von
Mehreren gemeinschaftlich begangen worden ist, so kann die Strafe bis um
die Hälfte des angedrohten Höchstbetrages, die Gefängnißstrafe jedoch
nicht über fünf Jahre erhöht werden.
§. 120.
- Wer einen Gefangenen aus der Gefangenanstalt oder aus der Gewalt der
bewaffneten Macht, des Beamten oder desjenigen, unter dessen
Beaufsichtigung, Begleitung oder Bewachung er sich befindet, vorsätzlich
befreit oder ihm zur Selbstbefreiung vorsätzlich behülflich ist, wird
mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft.
- Der Versuch ist strafbar.
§. 121.
- Wer vorsätzlich einen Gefangenen, mit dessen Beaufsichtigung oder
Begleitung er beauftragt ist, entweichen läßt oder dessen Befreiung
befördert, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft. [64]
- Ist die Entweichung durch Fahrlässigkeit befördert worden, so tritt
Gefängnißstrafe bis zu drei Monaten oder Geldstrafe bis zu dreihundert
Mark ein.
§. 122.
- Gefangene, welche sich zusammenrotten und mit vereinten Kräften die
Anstaltsbeamten oder die mit der Beaufsichtigung Beauftragten angreifen,
denselben Widerstand leisten oder es unternehmen, sie zu Handlungen
oder Unterlassungen zu nöthigen, werden wegen Meuterei mit Gefängniß
nicht unter sechs Monaten bestraft.
- Gleiche Strafe tritt ein, wenn Gefangene sich zusammenrotten und mit vereinten Kräften einen gewaltsamen Ausbruch unternehmen.
- Diejenigen Meuterer, welche Gewaltthätigkeiten gegen die
Anstaltsbeamten oder die mit der Beaufsichtigung Beauftragten verüben,
werden mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft; auch kann auf
Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden.
Siebenter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung.
§. 123.
- Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete
Besitzthum eines Anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum
öffentlichen Dienst bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer,
wenn er ohne Befugniß darin verweilt, auf die Aufforderung des
Berechtigten sich nicht entfernt, wird wegen Hausfriedensbruches mit
Gefängniß bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu dreihundert
Mark bestraft.
- Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.
- Ist die Handlung von einer mit Waffen versehenen Person oder von
Mehreren gemeinschaftlich begangen worden, so tritt Gefängnißstrafe von
Einer Woche bis zu Einem Jahre ein.
§. 124.
- Wenn sich eine Menschenmenge öffentlich zusammenrottet und in der
Absicht, Gewaltthätigkeiten gegen Personen oder Sachen mit vereinten
Kräften zu begehen, in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das
befriedete Besitzthum eines Anderen oder in abgeschlossene Räume, welche
zum öffentlichen Dienst bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, so
wird Jeder, welcher an diesen Handlungen Theil nimmt, mit Gefängniß von
Einem Monat bis zu zwei Jahren bestraft.
§. 125.
- Wenn sich eine Menschenmenge öffentlich zusammenrottet und mit
vereinten Kräften gegen Personen oder Sachen Gewaltthätigkeiten begeht,
so wird Jeder, welcher an dieser Zusammenrottung Theil nimmt, wegen
Landfriedensbruches mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft. [65]
- Die Rädelsführer, sowie diejenigen, welche Gewaltthätigkeiten gegen
Personen begangen oder Sachen geplündert, vernichtet oder zerstört
haben, werden mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft; auch kann auf
Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden. Sind mildernde
Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten
ein.
§. 126.
- Wer durch Androhung eines gemeingefährlichen Verbrechens den
öffentlichen Frieden stört, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahr
bestraft.
§. 127.
- Wer unbefugterweise einen bewaffneten Haufen bildet oder befehligt
oder eine Mannschaft, von der er weiß, daß sie ohne gesetzliche Befugniß
gesammelt ist, mit Waffen oder Kriegsbedürfnissen versieht, wird mit
Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.
- Wer sich einem solchen bewaffneten Haufen anschließt, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahr bestraft.
§. 128.
- Die Theilnahme an einer Verbindung, deren Dasein, Verfassung oder
Zwecke vor der Staatsregierung geheim gehalten werden soll, oder in
welcher gegen unbekannte Obere Gehorsam oder gegen bekannte Obere
unbedingter Gehorsam versprochen wird, ist an den Mitgliedern mit
Gefängniß bis zu sechs Monaten, an den Stiftern und Vorstehern der
Verbindung mit Gefängniß von Einem Monat bis zu Einem Jahre zu
bestrafen.
- Gegen Beamte kann auf Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung
öffentlicher Aemter auf die Dauer von Einem bis zu fünf Jahren erkannt
werden.
§. 129.
- Die Theilnahme an einer Verbindung, zu deren Zwecken oder
Beschäftigungen gehört, Maßregeln der Verwaltung oder die Vollziehung
von Gesetzen durch ungesetzliche Mittel zu verhindern oder zu
entkräften, ist an den Mitgliedern mit Gefängniß bis zu Einem Jahre, an
den Stiftern und Vorstehern der Verbindung mit Gefängniß von drei
Monaten bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
- Gegen Beamte kann auf Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung
öffentlicher Aemter auf die Dauer von Einem bis zu fünf Jahren erkannt
werden.
§. 130.
- Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise
verschiedene Klassen der Bevölkerung zu Gewaltthätigkeiten gegen
einander öffentlich anreizt, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert
Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.
§. 130a.
- Ein Geistlicher oder anderer Religionsdiener, welcher in Ausübung
oder in Veranlassung der Ausübung seines Berufes öffentlich vor einer
Menschenmenge, oder welcher in einer Kirche oder an einem anderen zu
religiösen Versammlungen bestimmten Orte vor Mehreren Angelegenheiten
des Staats in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum
Gegenstande einer Verkündigung oder Erörterung macht, wird mit Gefängniß
oder Festungshaft bis zu zwei Jahren bestraft. [66]
- Gleiche Strafe trifft denjenigen Geistlichen oder anderen
Religionsdiener, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung
seines Berufes Schriftstücke ausgibt oder verbreitet, in welchen
Angelegenheiten des Staats in einer den öffentlichen Frieden
gefährdenden Weise zum Gegenstande einer Verkündigung oder Erörterung
gemacht sind.
§. 131.
- Wer erdichtete oder entstellte Thatsachen, wissend, daß sie
erdichtet oder entstellt sind, öffentlich behauptet oder verbreitet, um
dadurch Staatseinrichtungen oder Anordnungen der Obrigkeit verächtlich
zu machen, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit
Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.
§. 132.
- Wer unbefugt sich mit Ausübung eines öffentlichen Amtes befaßt oder
eine Handlung vornimmt, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes
vorgenommen werden darf, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre oder mit
Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft.
§. 133.
- Wer eine Urkunde, ein Register, Akten oder einen sonstigen
Gegenstand, welche sich zur amtlichen Aufbewahrung an einem dazu
bestimmten Orte befinden, oder welche einen Beamten oder einem Dritten
amtlich übergeben worden sind, vorsätzlich vernichtet, bei Seite schafft
oder beschädigt, wird mit Gefängniß bestraft.
- Ist die Handlung in gewinnsüchtiger Absicht begangen, so tritt
Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein; auch kann auf Verlust der
bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
§. 134.
- Wer öffentlich angeschlagene Bekanntmachungen, Verordnungen, Befehle
oder Anzeigen von Behörden oder Beamten böswillig abreißt, beschädigt
oder verunstaltet, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit
Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft.
§. 135.
- Wer ein öffentliches Zeichen der Autorität des Reichs oder eines
Bundesfürsten oder ein Hoheitszeichen eines Bundesstaats böswillig
wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder beschimpfenden Unfug daran
verübt, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß
bis zu zwei Jahren bestraft.
§. 136.
- Wer unbefugt ein amtliches Siegel, welches von einer Behörde oder
einem Beamten angelegt ist, um Sachen zu verschließen, zu bezeichnen
oder in Beschlag zu nehmen, vorsätzlich erbricht, ablöst oder beschädigt
oder den durch ein solches Siegel bewirkten amtlichen Verschluß
aufhebt, wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. [67]
§. 137.
- Wer Sachen, welche durch die zuständigen Behörden oder Beamten
gepfändet oder in Beschlag genommen worden sind, vorsätzlich bei Seite
schafft, zerstört oder in anderer Weise der Verstrickung ganz oder
theilweise entzieht, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft.
§. 138.
- Wer als Zeuge, Geschworener oder Schöffe berufen, eine unwahre
Thatsache als Entschuldigung vorschützt, wird mit Gefängniß bis zu zwei
Monaten bestraft.
- Dasselbe gilt von einem Sachverständigen, welcher zum Erscheinen gesetzlich verpflichtet ist.
- Die auf das Nichterscheinen gesetzten Ordnungsstrafen werden durch vorstehende Strafbestimmungen nicht ausgeschlossen.
§. 139.
- Wer von dem Vorhaben eines Hochverraths, Landesverraths,
Münzverbrechens, Mordes, Raubes, Menschenraubes oder eines
gemeingefährlichen Verbrechens zu einer Zeit, in welcher die Verhütung
des Verbrechens möglich ist, glaubhafte Kenntniß erhält und es
unterläßt, hiervon der Behörde oder der durch das Verbrechen bedrohten
Person zur rechten Zeit Anzeige zu machen, ist, wenn das Verbrechen oder
ein strafbarer Versuch desselben begangen worden ist, mit Gefängniß zu
bestrafen.
§. 140.
- Wegen Verletzung der Wehrpflicht wird bestraft:
- ein Wehrpflichtiger, welcher in der Absicht, sich dem Eintritte in
den Dienst des stehenden Heeres oder der Flotte zu entziehen, ohne
Erlaubniß entweder das Bundesgebiet verläßt oder nach erreichtem
militärpflichtigen Alter sich außerhalb des Bundesgebietes aufhält: mit
Geldstrafe von einhundertfunfzig bis zu dreitausend Mark oder mit
Gefängniß von Einem Monat bis zu Einem Jahre;
- ein Offizier oder im Offizierrange stehender Arzt des
Beurlaubtenstandes, welcher ohne Erlaubniß auswandert: mit Geldstrafe
bis zu dreitausend Mark oder mit Haft oder mit Gefängniß bis zu sechs
Monaten;
- ein jeder Wehrpflichtige, welcher nach öffentlicher Bekanntmachung
einer vom Kaiser für die Zeit eines Krieges oder einer Kriegsgefahr
erlassenen besonderen Anordnung in Widerspruch mit derselben auswandert:
mit Gefängniß bis zu zwei Jahren, neben welchem auf Geldstrafe bis zu
dreitausend Mark erkannt werden kann.
- Der Versuch ist strafbar.
- Das Vermögen des Angeschuldigten kann, insoweit als es nach dem
Ermessen des Richters zur Deckung der den Angeschuldigten möglicherweise
treffenden höchsten Geldstrafe und der Kosten des Verfahrens
erforderlich ist, mit Beschlag belegt werden. [68]
§. 141.
- Wer einen Deutschen zum Militärdienste einer ausländischen Macht
anwirbt oder den Werbern der letzteren zuführt, ingleichen wer einen
Deutschen Soldaten vorsätzlich zum Desertiren verleitet oder die
Desertion desselben vorsätzlich befördert, wird mit Gefängniß von drei
Monaten bis zu drei Jahren bestraft.
- Der Versuch ist strafbar.
§. 142.
- Wer sich vorsätzlich durch Selbstverstümmelung oder auf andere Weise
zur Erfüllung der Wehrpflicht untauglich macht oder durch einen Anderen
untauglich machen läßt, wird mit Gefängniß nicht unter Einem Jahre
bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt
werden.
- Dieselbe Strafe trifft denjenigen, welcher einen Anderen auf dessen Verlangen zur Erfüllung der Wehrpflicht untauglich macht.
§. 143.
- Wer in der Absicht, sich zur Erfüllung der Wehrpflicht ganz oder
theilweise zu entziehen, auf Täuschung berechnete Mittel anwendet, wird
mit Gefängniß bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen
Ehrenrechte erkannt werden.
- Dieselbe Strafvorschrift findet auf den Theilnehmer Anwendung.
§. 144.
- Wer es sich zum Geschäfte macht, Deutsche unter Vorspiegelung
falscher Thatsachen oder wissentlich mit unbegründeten Angaben oder
durch andere auf Täuschung berechnete Mittel zur Auswanderung zu
verleiten, wird mit Gefängniß von Einem Monat bis zu zwei Jahren
bestraft.
§. 145.
- Wer die vom Kaiser
- zur Verhütung des Zusammenstoßens der Schiffe auf See,
- über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstoße von Schiffen auf See, oder
- in Betreff der Noth- und Lootsensignale für Schiffe auf See und auf den Küstengewässern
- erlassenen Verordnungen übertritt, wird mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark bestraft. [69]
Achter Abschnitt. Münzverbrechen und Münzvergehen.
§. 146.
- Wer inländisches oder ausländisches Metallgeld oder Papiergeld
nachmacht, um das nachgemachte Geld als echtes zu gebrauchen oder sonst
in Verkehr zu bringen, oder wer in gleicher Absicht echtem Gelde durch
Veränderung an demselben Schein eines höheren Werths oder verrufenem
Gelde durch Veränderung an demselben das Ansehen eines noch geltenden
gibt, wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft; auch ist
Polizei-Aufsicht zulässig.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe ein.
§. 147.
- Dieselben Strafbestimmungen finden auf denjenigen Anwendung, welcher
das von ihn auch ohne die vorbezeichnete Absicht nachgemachte oder
verfälschte Geld als echtes in Verkehr bringt, sowie auf denjenigen,
welcher nachgemachtes oder verfälschtes Geld sich verschafft und solches
entweder in Verkehr bringt oder zum Zwecke der Verbreitung aus dem
Auslande einführt.
§. 148.
- Wer nachgemachtes oder verfälschtes Geld als echtes empfängt und
nach erkannter Unechtheit als echtes in Verkehr bringt, wird mit
Gefängniß bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu dreihundert
Mark bestraft.
- Der Versuch ist strafbar.
§. 149.
- Dem Papiergelde werden gleich geachtet die auf den Inhaber lautenden
Schuldverschreibungen, Banknoten, Aktien oder deren Stelle vertretende
Interimsscheine oder Quittungen, sowie die zu diesen Papieren gehörenden
Zins-, Gewinnantheils- oder Erneuerungsscheine, welche von dem Reiche,
dem Norddeutschen Bunde, einem Bundesstaate oder fremden Staate oder von
einer zur Ausgabe solcher Papiere berechtigten Gemeinde, Korporation,
Gesellschaft oder Privatperson ausgestellt sind.
§. 150.
- Wer echte, zum Umlauf bestimmte Metallgeldstücke durch Beschneiden,
Abfeilen oder auf andere Art verringert und als vollgültig in Verkehr
bringt, oder wer solche verringerte Münzen gewohnheitsmäßig oder im
Einverständnisse mit dem, welcher sie verringert hat, als vollgültig in
Verkehr bringt, wird mit Gefängniß bestraft, neben welchem auf
Geldstrafe bis zu dreitausend Mark, sowie auf Verlust der bürgerlichen
Ehrenrechte erkannt werden kann.
- Der Versuch ist strafbar.
§. 151.
- Wer Stempel, Siegel, Stiche, Platten oder andere zur Anfertigung von
Metallgeld, Papiergeld oder dem letzteren gleich geachteten Papieren
dienliche Formen zum Zwecke eines Münzverbrechens angeschafft oder
angefertigt hat, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.
§. 152.
- Auf die Einziehung des nachgemachten oder verfälschten Geldes, sowie
der im §. 151 bezeichneten Gegenstände ist zu erkennen, auch wenn die
Verfolgung oder Verurtheilung einer bestimmten Person nicht stattfindet.
[70]
Neunter Abschnitt. Meineid.
§. 153.
- Wer einen ihm zugeschobenen, zurückgeschobenen oder auferlegten Eid
wissentlich falsch schwört, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren
bestraft.
§. 154.
- Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher vor einer zur Abnahme von
Eiden zuständigen Behörde wissentlich ein falsches Zeugniß oder ein
falsches Gutachten mit einem Eide bekräftigt oder den vor seiner
Vernehmung geleisteten Eid wissentlich durch ein falsches Zeugniß oder
ein falsches Gutachten verletzt.
- Ist das falsche Zeugniß oder Gutachten in einer Strafsache zum
Nachtheile eines Angeschuldigten abgegeben und dieser zum Tode, zu
Zuchthaus oder zu einer anderen mehr als fünf Jahre betragenden
Freiheitsstrafe verurtheilt worden, so tritt Zuchthausstrafe nicht unter
drei Jahren ein.
§. 155.
- Der Ableistung eines Eides wird gleich geachtet, wenn
- ein Mitglied einer Religionsgesellschaft, welcher das Gesetz den
Gebrauch gewisser Betheuerungsformeln an Stelle des Eides gestattet,
eine Erklärung unter der Betheuerungsformel seiner Religionsgesellschaft
abgibt;
- derjenige, welcher als Partei, Zeuge oder Sachverständiger einen Eid
geleistet hat, in gleicher Eigenschaft eine Versicherung unter Berufung
auf den bereits früher in derselben Angelegenheit geleisteten Eid
abgibt, oder ein Sachverständiger, welcher als solcher ein- für allemal
vereidet ist, eine Versicherung auf den von ihm geleisteten Eid abgibt;
- ein Beamter eine amtliche Versicherung unter Berufung auf seinen Diensteid abgibt.
§. 156.
- Wer von einer zur Abnahme einer Versicherung an Eidesstatt
zuständigen Behörde eine solche Versicherung wissentlich falsch abgibt
oder unter Berufung auf eine solche Versicherung wissentlich falsch
aussagt, wird mit Gefängniß von Einem Monat bis zu drei Jahren bestraft.
§. 157.
- Hat ein Zeuge oder Sachverständiger sich eines Meineids (§§. 154,
155) oder einer falschen Versicherung an Eidesstatt schuldig gemacht, so
ist die an sich verwirkte Strafe auf die Hälfte bis auf ein Viertheil
zu ermäßigen, wenn
- die Angabe der Wahrheit gegen ihn selbst eine Verfolgung wegen eines Verbrechens oder Vergehens nach sich ziehen konnte, oder
- der Aussagende die falsche Aussage zu Gunsten einer Person,
rücksichtlich welcher er die Aussage ablehnen durfte, erstattet hat,
ohne über sein Recht, die Aussage ablehnen zu dürfen, belehrt worden zu
sein.
- Ist hiernach Zuchthausstrafe unter Einem Jahre verwirkt, so ist
dieselbe nach Maßgabe des §. 21 in Gefängnißstrafe zu verwandeln. [71]
§. 158.
- Gleiche Strafermäßigung tritt ein, wenn derjenige, welcher sich
eines Meineides oder einer falschen Versicherung an Eidesstatt schuldig
gemacht hat, bevor eine Anzeige gegen ihn erfolgt oder eine Untersuchung
gegen ihn eingeleitet und bevor ein Rechtsnachtheil für einen Anderen
aus der falschen Aussage entstanden ist, diese bei derjenigen Behörde,
bei welcher er sie abgegeben hat, widerruft.
§. 159.
- Wer es unternimmt, einen Anderen zur Begehung eines Meineides zu
verleiten, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren, und wer es unternimmt,
einen Anderen zur wissentlichen Abgabe einer falschen Versicherung an
Eidesstatt zu verleiten, mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft.
§. 160.
- Wer einen Anderen zur Ableistung eines falschen Eides verleitet,
wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft, neben welchem auf den
Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann, und wer einen
Anderen zur Ableistung einer falschen Versicherung an Eidesstatt
verleitet, wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft.
- Der Versuch ist strafbar.
§. 161.
- Bei jeder Verurtheilung wegen Meineides, mit Ausnahme der Fälle in
den §§. 157 und 158, ist auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und
außerdem auf die dauernde Unfähigkeit des Verurtheilten, als Zeuge oder
Sachverständiger eidlich vernommen zu werden, zu erkennen.
- In den Fällen der §§. 156 bis 159 kann neben der Gefängnißstrafe auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
§. 162.
- Wer vorsätzlich einer durch eidliches Angelöbniß vor Gericht
bestellten Sicherheit oder dem in einem Offenbarungseide gegebenen
Versprechen zuwiderhandelt, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren
bestraft.
§. 163.
- Wenn eine der in den §§. 153 bis 156 bezeichneten Handlungen aus
Fahrlässigkeit begangen worden ist, so tritt Gefängnißstrafe bis zu
Einem Jahre ein.
- Straflosigkeit tritt ein, wenn der Thäter, bevor eine Anzeige gegen
ihn erfolgt oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet und bevor ein
Rechtsnachtheil für einen Anderen aus der falschen Aussage entstanden
ist, diese bei derjenigen Behörde, bei welcher er sie abgegeben hat,
widerruft. [72]
Zehnter Abschnitt. Falsche Anschuldigung.
§. 164.
- Wer bei einer Behörde eine Anzeige macht, durch welche er Jemand
wider besseres Wissen der Begehung einer strafbaren Handlung oder der
Verletzung einer Amtspflicht beschuldigt, wird mit Gefängniß nicht unter
Einem Monat bestraft; auch kann gegen denselben auf Verlust der
bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
- So lange ein in Folge der gemachten Anzeige eingeleitetes Verfahren
anhängig ist, soll mit dem Verfahren und mit der Entscheidung über die
falsche Anschuldigung inne gehalten werden.
§. 165.
- Wird wegen falscher Anschuldigung auf Strafe erkannt, so ist
zugleich dem Verletzten die Befugniß zuzusprechen, die Verurtheilung auf
Kosten des Schuldigen öffentlich bekannt zu machen. Die Art der
Bekanntmachung, sowie die Frist zu derselben, ist in dem Urtheile zu
bestimmen.
- Dem Verletzten ist auf Kosten des Schuldigen eine Ausfertigung des Urtheils zu ertheilen.
Elfter Abschnitt. Vergehen, welche sich auf die Religion beziehen.
§. 166.
- Wer dadurch, daß er öffentlich in beschimpfenden Aeußerungen Gott
lästert, ein Aergerniß gibt, oder wer öffentlich eine der christlichen
Kirchen oder eine andere mit Korporationsrechten innerhalb des
Bundesgebietes bestehende Religionsgesellschaft oder ihre Einrichtungen
oder Gebräuche beschimpft, ingleichen wer in einer Kirche oder in einem
anderen zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte beschimpfenden Unfug
verübt, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft.
§. 167.
- Wer durch eine Thätlichkeit oder Drohung Jemand hindert, den
Gottesdienst einer im Staate bestehenden Religionsgesellschaft
auszuüben, ingleichen wer in einer Kirche oder in einem anderen zu
religiösen Versammlungen bestimmten Orte durch Erregung von Lärm oder
Unordnung den Gottesdienst oder einzelne gottesdienstliche Verrichtungen
einer im Staate bestehenden Religionsgesellschaft vorsätzlich
verhindert oder stört, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft.
§. 168.
- Wer unbefugt eine Leiche aus dem Gewahrsam der dazu berechtigten
Personen wegnimmt, ingleichen wer unbefugt ein Grab zerstört oder
beschädigt, oder wer an einem Grabe beschimpfenden Unfug verübt, wird
mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft; auch kann auf Verlust der
bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. [73]
Zwölfter Abschnitt Verbrechen und Vergehen in Beziehung auf den Personenstand.
§. 169.
- Wer ein Kind unterschiebt oder vorsätzlich verwechselt, oder wer auf
andere Weise den Personenstand eines Anderen vorsätzlich verändert oder
unterdrückt, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren und, wenn die
Handlung in gewinnsüchtiger Absicht begangen wurde, mit Zuchthaus bis zu
zehn Jahren bestraft.
- Der Versuch ist strafbar.
§. 170.
- Wer bei Eingehung einer Ehe dem anderen Theile ein gesetzliches
Ehehinderniß arglistig verschweigt, oder wer den anderen Theil zur
Eheschließung arglistig mittels einer solchen Täuschung verleitet,
welche den Getäuschten berechtigt, die Gültigkeit der Ehe anzufechten,
wird, wenn aus einem dieser Gründe die Ehe aufgelöst worden ist, mit
Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft.
- Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des getäuschten Theils ein.
Dreizehnter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit.
§. 171.
- Ein Ehegatte, welcher eine neue Ehe eingeht, bevor seine Ehe
aufgelöst, für ungültig oder nichtig erklärt worden ist, ingleichen eine
unverheirathete Person, welche mit einem Ehegatten, wissend, daß er
verheirathet ist, eine Ehe eingeht, wird mit Zuchthaus bis zu fünf
Jahren bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein.
- Die Verjährung der Strafverfolgung beginnt mit dem Tage, an welchem
eine der beiden Ehen aufgelöst, für ungültig oder nichtig erklärt worden
ist.
§. 172.
- Der Ehebruch wird, wenn wegen desselben die Ehe geschieden ist, an
dem schuldigen Ehegatten, sowie dessen Mitschuldigen mit Gefängniß bis
zu sechs Monaten bestraft.
- Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.
§. 173.
- Der Beischlaf zwischen Verwandten auf- und absteigender Linie wird
an den ersteren mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren, an den letzteren mit
Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.
- Der Beischlaf zwischen Verschwägerten auf- und absteigender Linie,
sowie zwischen Geschwistern wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren
bestraft. [74]
- Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
- Verwandte und Verschwägerte absteigender Linie bleiben straflos, wenn sie das achtzehnte Lebensjahr nicht vollendet haben.
§. 174.
- Mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren werden bestraft:
- Vormünder, welche mit ihren Pflegebefohlenen, Adoptiv- und
Pflegeeltern, welche mit ihren Kindern, Geistliche, Lehrer und Erzieher,
welche mit ihren minderjährigen Schülern und Zöglingen unzüchtige
Handlungen vornehmen;
- Beamte, die mit Personen, gegen welche sie eine Untersuchung zu
führen haben oder welche ihrer Obhut anvertraut sind, unzüchtige
Handlungen vornehmen;
- Beamte, Aerzte oder andere Medizinalpersonen, welche in Gefängnissen
oder in öffentlichen, zur Pflege von Kranken, Armen oder anderen
Hülflosen bestimmten Anstalten beschäftigt oder angestellt sind, wenn
sie mit den in das Gefängniß oder in die Anstalt aufgenommenen Personen
unzüchtige Handlungen vornehmen.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein.
§. 175.
- Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen
Geschlechts oder von Menschen mit Thieren begangen wird, ist mit
Gefängniß zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen
Ehrenrechte erkannt werden.
§. 176.
- Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
- mit Gewalt unzüchtige Handlungen an einer Frauensperson vornimmt
oder dieselbe durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben
zur Duldung unzüchtiger Handlungen nöthigt;
- eine in einem willenlosen oder bewußtlosen Zustande befindliche oder
eine geisteskranke Frauensperson zum außerehelichen Beischlafe
mißbraucht, oder
- mit Personen unter vierzehn Jahren unzüchtige Handlungen vornimmt
oder dieselben zur Verübung oder Duldung unzüchtiger Handlungen
verleitet.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein.
§. 177.
- Mit Zuchthaus wird bestraft, wer durch Gewalt oder durch Drohung mit
gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine Frauensperson zur Duldung
des außerehelichen Beischlafs nöthigt, oder wer eine Frauensperson zum
außerehelichen Beischlafe mißbraucht, nachdem er sie zu diesem Zwecke in
einen willenlosen oder bewußtlosen Zustand versetzt hat. [75]
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter Einem Jahre ein.
§. 178.
- Ist durch eine der in den §§. 176 und 177 bezeichneten Handlungen
der Tod der verletzten Person verursacht worden, so tritt
Zuchthausstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliche
Zuchthausstrafe ein.
§. 179.
- Wer eine Frauensperson zur Gestattung des Beischlafs dadurch
verleitet, daß er eine Trauung vorspiegelt, oder einen anderen Irrthum
in ihr erregt oder benutzt, in welchem sie den Beischlaf für einen
ehelichen hielt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein.
- Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.
§. 180.
- Wer gewohnheitsmäßig oder aus Eigennutz durch seine Vermittelung
oder durch Gewährung oder Verschaffung von Gelegenheit zur Unzucht
Vorschub leistet, wird wegen Kuppelei mit Gefängniß bestraft; auch kann
auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, sowie auf Zulässigkeit von
Polizei-Aufsicht erkannt werden.
§. 181.
- Die Kuppelei ist, selbst wenn sie weder gewohnheitsmäßig noch aus
Eigennutz betrieben wird, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren zu bestrafen,
wenn
- um der Unzucht Vorschub zu leisten, hinterlistige Kunstgriffe angewendet worden sind, oder
- der Schuldige zu den Personen, mit welchen die Unzucht getrieben
worden ist, in dem Verhältniß von Eltern zu Kindern, von Vormündern zu
Pflegebefohlenen, von Geistlichen, Lehrern oder Erziehern zu den von
ihnen zu unterrichtenden oder zu erziehenden Personen steht.
- Neben der Zuchthausstrafe ist der Verlust der bürgerlichen
Ehrenrechte auszusprechen; auch kann auf Zulässigkeit von
Polizei-Aufsicht erkannt werden.
§. 182.
- Wer ein unbescholtenes Mädchen, welches das sechzehnte Lebensjahr
nicht vollendet hat, zum Beischlafe verführt, wird mit Gefängniß bis zu
Einem Jahre bestraft.
- Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der Eltern oder des Vormundes der Verführten ein.
§. 183.
- Wer durch eine unzüchtige Handlung öffentlich ein Aergerniß gibt,
wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu
fünfhundert Mark bestraft. [76]
- Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
§. 184.
- Wer unzüchtige Schriften, Abbildungen oder Darstellungen verkauft,
vertheilt oder sonst verbreitet, oder an Orten, welche dem Publikum
zugänglich sind, ausstellt oder anschlägt, wird mit Geldstrafe bis zu
dreihundert Mark oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft.
Vierzehnter Abschnitt. Beleidigung.
§. 185.
- Die Beleidigung wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder
mit Haft oder mit Gefängniß bis zu Einem Jahre und, wenn die Beleidigung
mittels einer Thätlichkeit begangen wird, mit Geldstrafe bis zu
eintausendfünfhundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren
bestraft.
§. 186.
- Wer in Beziehung auf einen Anderen eine Thatsache behauptet oder
verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der
öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht
diese Thatsache erweislich wahr ist, wegen Beleidigung mit Geldstrafe
bis zu sechshundert Mark oder mit Haft oder mit Gefängniß bis zu Einem
Jahre und, wenn die Beleidigung öffentlich oder durch Verbreitung von
Schriften, Abbildungen oder Darstellungen begangen ist, mit Geldstrafe
bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren
bestraft.
§. 187.
- Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen Anderen eine
unwahre Thatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben
verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen
oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird wegen
verleumderischer Beleidigung mit Gefängniß bis zu zwei Jahren und, wenn
die Verleumdung öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften,
Abbildungen oder Darstellungen begangen ist, mit Gefängniß nicht unter
Einem Monat bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann die Strafe bis auf Einen
Tag Gefängniß ermäßigt, oder auf Geldstrafe bis zu neunhundert Mark
erkannt werden.
§. 188.
- In den Fällen der §§. 186 und 187 kann auf Verlangen des
Beleidigten, wenn die Beleidigung nachtheilige Folgen für die
Vermögensverhältnisse, den Erwerb oder das Fortkommen des Beleidigten
mit sich bringt, neben der Strafe auf eine an den Beleidigten zu
erlegende Buße bis zum Betrage von sechstausend Mark erkannt werden. [77]
- Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruches aus.
§. 189.
- Wer das Andenken eines Verstorbenen dadurch beschimpft, daß er wider
besseres Wissen eine unwahre Thatsache behauptet oder verbreitet,
welche denselben bei seinen Lebzeiten verächtlich zu machen oder in der
öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet gewesen wäre, wird mit
Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Geldstrafe bis zu neunhundert Mark erkannt werden.
- Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der Eltern, der Kinder oder des Ehegatten des Verstorbenen ein.
§. 190.
- Ist die behauptete oder verbreitete Thatsache eine strafbare
Handlung, so ist der Beweis der Wahrheit als erbracht anzusehen, wenn
der Beleidigte wegen dieser Handlung rechtskräftig verurtheilt worden
ist. Der Beweis der Wahrheit ist dagegen ausgeschlossen, wenn der
Beleidigte wegen dieser Handlung vor der Behauptung oder Verbreitung
rechtskräftig freigesprochen worden ist.
§. 191.
- Ist wegen der strafbaren Handlung zum Zwecke der Herbeiführung eines
Strafverfahrens bei der Behörde Anzeige gemacht, so ist bis zu dem
Beschlusse, daß die Eröffnung der Untersuchung nicht stattfinde, oder
bis zur Beendigung der eingeleiteten Untersuchung mit dem Verfahren und
der Entscheidung über die Beleidigung inne zu halten.
§. 192.
- Der Beweis der Wahrheit der behaupteten oder verbreiteten Thatsache
schließt die Bestrafung nach Vorschrift des §. 185 nicht aus, wenn das
Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Behauptung oder
Verbreitung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah,
hervorgeht.
§. 193.
- Tadelnde Urtheile über wissenschaftliche, künstlerische oder
gewerbliche Leistungen, ingleichen Aeußerungen, welche zur Ausführung
oder Vertheidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter
Interessen gemacht werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten
gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urtheile von Seiten
eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das
Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Aeußerung oder aus den
Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.
§. 194.
- Die Verfolgung einer Beleidigung tritt nur auf Antrag ein. Die Zurücknahme des Antrages (§§. 185 bis 193) ist zulässig. [78]
§. 195.
- Sind Ehefrauen oder unter väterlicher Gewalt stehende Kinder
beleidigt worden, so haben sowohl die Beleidigten, als deren Ehemänner
und Väter das Recht, auf Bestrafung anzutragen.
§. 196.
- Wenn die Beleidigung gegen eine Behörde, einen Beamten, einen
Religionsdiener oder ein Mitglied der bewaffneten Macht, während sie in
der Ausübung ihres Berufes begriffen sind, oder in Beziehung auf ihren
Beruf, begangen ist, so haben außer den unmittelbar Betheiligten auch
deren amtliche Vorgesetzte das Recht, den Strafantrag zu stellen.
§. 197.
- Eines Antrages bedarf es nicht, wenn die Beleidigung gegen eine
gesetzgebende Versammlung des Reichs oder eines Bundesstaats, oder gegen
eine andere politische Körperschaft begangen worden ist. Dieselbe darf
jedoch nur mit Ermächtigung der beleidigten Körperschaft verfolgt
werden.
§. 198.
- Ist bei wechselseitigen Beleidigungen von einem Theile auf
Bestrafung angetragen worden, so ist der andere Theil bei Verlust seines
Rechts verpflichtet, den Antrag auf Bestrafung spätestens vor Schluß
der Verhandlung in erster Instanz zu stellen, hierzu aber auch dann
berechtigt, wenn zu jenem Zeitpunkte die dreimonatliche Frist bereits
abgelaufen ist.
§. 199.
- Wenn eine Beleidigung auf der Stelle erwidert wird, so kann der
Richter beide Beleidiger oder einen derselben für straffrei erklären.
§. 200.
- Wird wegen einer öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften,
Darstellungen oder Abbildungen begangenen Beleidigung auf Strafe
erkannt, so ist zugleich dem Beleidigten die Befugniß zuzusprechen, die
Verurtheilung auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekannt zu machen.
Die Art der Bekanntmachung, sowie die Frist zu derselben ist in dem
Urtheile zu bestimmen.
- Erfolgte die Beleidigung in einer Zeitung oder Zeitschrift, so ist
der verfügende Theil des Urtheils auf Antrag des Beleidigten durch die
öffentlichen Blätter bekannt zu machen, und zwar wenn möglich durch
dieselbe Zeitung oder Zeitschrift und in demselben Theile und mit
derselben Schrift, wie der Abdruck der Beleidigung geschehen.
- Dem Beleidigten ist auf Kosten des Schuldigen eine Ausfertigung des Urtheils zu ertheilen. [79]
Funfzehnter Abschnitt. Zweikampf.
§. 201.
- Die Herausforderung zum Zweikampf mit tödtlichen Waffen, sowie die
Annahme einer solchen Herausforderung wird mit Festungshaft bis zu sechs
Monaten bestraft.
§. 202.
- Festungshaft von zwei Monaten bis zu zwei Jahren tritt ein, wenn bei
der Herausforderung die Absicht, daß einer von beiden Theilen das Leben
verlieren soll, entweder ausgesprochen ist oder aus der gewählten Art
des Zweikampfs erhellt.
§. 203.
- Diejenigen, welche den Auftrag zu einer Herausforderung übernehmen
und ausrichten (Kartellträger), werden mit Festungshaft bis zu sechs
Monaten bestraft.
§. 204.
- Die Strafe der Herausforderung und die Annahme derselben, sowie die
Strafe der Kartellträger fällt weg, wenn die Parteien den Zweikampf vor
dessen Beginn freiwillig aufgegeben haben.
§. 205.
- Der Zweikampf wird mit Festungshaft von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
§. 206.
- Wer seinen Gegner im Zweikampf tödtet, wird mit Festungshaft nicht
unter zwei Jahren, und wenn der Zweikampf ein solcher war, welcher den
Tod des einen von Beiden herbeiführen sollte, mit Festungshaft nicht
unter drei Jahren bestraft.
§. 207.
- Ist eine Tödtung oder Körperverletzung mittels vorsätzlicher
Uebertretung der vereinbarten oder hergebrachten Regeln des Zweikampfs
bewirkt worden, so ist der Uebertreter, sofern nicht nach den
vorhergehenden Bestimmungen eine härtere Strafe verwirkt ist, nach den
allgemeinen Vorschriften über das Verbrechen der Tödtung oder der
Körperverletzung zu bestrafen.
§. 208.
- Hat der Zweikampf ohne Sekundanten stattgefunden, so kann die
verwirkte Strafe bis um die Hälfte, jedoch nicht über funfzehn Jahre
erhöht werden.
§. 209.
- Kartellträger, welche ernstlich bemüht gewesen sind, den Zweikampf
zu verhindern, Sekundanten, sowie zum Zweikampf zugezogene Zeugen,
Aerzte und Wundärzte sind straflos. [80]
§. 210.
- Wer einen Anderen zum Zweikampf mit einem Dritten absichtlich,
insonderheit durch Bezeigung oder Androhung von Verachtung anreizt,
wird, falls der Zweikampf stattgefunden hat, mit Gefängniß nicht unter
drei Monaten bestraft.
Sechszehnter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider das Leben.
§. 211.
- Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung mit
Ueberlegung ausgeführt hat, wegen Mordes mit dem Tode bestraft.
§. 212.
- Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung
nicht mit Ueberlegung ausgeführt hat, wegen Todtschlages mit Zuchthaus
nicht unter fünf Jahren bestraft.
§. 213.
- War der Todtschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem
Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem
Getödteten zum Zorne gereizt und hierdurch auf der Stelle zur That
hingerissen worden, oder sind andere mildernde Umstände vorhanden, so
tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein.
§. 214.
- Wer bei Unternehmung einer strafbaren Handlung, um ein der
Ausführung derselben entgegentretendes Hinderniß zu beseitigen oder um
sich der Ergreifung auf frischer That zu entziehen, vorsätzlich einen
Menschen tödtet, wird mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit
lebenslänglichem Zuchthaus bestraft.
§. 215.
- Der Todtschlag an einem Verwandten aufsteigender Linie wird mit
Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus
bestraft.
§. 216.
- Ist Jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des
Getödteten zur Tödtung bestimmt worden, so ist auf Gefängniß nicht unter
drei Jahren zu erkennen.
§. 217.
- Eine Mutter, welche ihr uneheliches Kind in oder gleich nach der
Geburt vorsätzlich tödtet, wird mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren
bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter zwei Jahren ein.
§. 218.
- Eine Schwangere, welche ihre Frucht vorsätzlich abtreibt oder im
Mutterleibe tödtet, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. [81]
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein.
- Dieselben Strafvorschriften finden auf denjenigen Anwendung, welcher
mit Einwilligung der Schwangeren die Mittel zu der Abtreibung oder
Tödtung bei ihr angewendet oder ihr beigebracht hat.
§. 219.
- Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer einer
Schwangeren, welche ihre Frucht abgetrieben oder getödtet hat, gegen
Entgelt die Mittel hierzu verschafft, bei ihr angewendet oder ihr
beigebracht hat.
§. 220.
- Wer die Leibesfrucht einer Schwangeren ohne deren Wissen oder Willen
vorsätzlich abtreibt oder tödtet, wird mit Zuchthaus nicht unter zwei
Jahren bestraft.
- Ist durch die Handlung der Tod der Schwangeren verursacht worden, so
tritt Zuchthausstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliche
Zuchthausstrafe ein.
§. 221.
- Wer eine wegen jugendlichen Alters, Gebrechlichkeit oder Krankheit
hülflose Person aussetzt, oder wer eine solche Person, wenn dieselbe
unter seiner Obhut steht oder wenn er für die Unterbringung,
Fortschaffung oder Aufnahme derselben zu sorgen hat, in hülfloser Lage
vorsätzlich verläßt, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten
bestraft.
- Wird die Handlung von leiblichen Eltern gegen ihr Kind begangen, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein.
- Ist durch die Handlung eine schwere Körperverletzung der
ausgesetzten oder verlassenen Person verursacht worden, so tritt
Zuchthausstrafe bis zu zehn Jahren und, wenn durch die Handlung der Tod
verursacht worden ist, Zuchthausstrafe nicht unter drei Jahren ein.
§. 222.
- Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft.
- Wenn der Thäter zu der Aufmerksamkeit, welche er aus den Augen
setzte, vermöge seines Amtes, Berufes oder Gewerbes besonders
verpflichtet war, so kann die Strafe bis auf fünf Jahre Gefängniß erhöht
werden.
Siebenzehnter Abschnitt. Körperverletzung.
§. 223.
- Wer vorsätzlich einen Anderen körperlich mißhandelt oder an der
Gesundheit beschädigt, wird wegen Körperverletzung mit Gefängniß bis zu
drei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark bestraft.
- Ist die Handlung gegen Verwandte aufsteigender Linie begangen, so ist auf Gefängniß nicht unter Einem Monat zu erkennen. [82]
§. 223a.
- Ist die Körperverletzung mittels einer Waffe, insbesondere eines
Messers oder eines anderen gefährlichen Werkzeuges, oder mittels eines
hinterlistigen Ueberfalls, oder von Mehreren gemeinschaftlich, oder
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangen, so tritt
Gefängnißstrafe nicht unter zwei Monaten ein.
§. 224.
- Hat die Körperverletzung zur Folge, daß der Verletzte ein wichtiges
Glied des Körpers, das Sehvermögen auf einem oder beiden Augen, das
Gehör, die Sprache oder die Zeugungsfähigkeit verliert, oder in
erheblicher Weise dauernd entstellt wird, oder in Siechthum, Lähmung
oder Geisteskrankheit verfällt, so ist auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren
oder Gefängniß nicht unter Einem Jahre zu erkennen.
§. 225.
- War eine der vorbezeichneten Folgen beabsichtigt und eingetreten, so ist auf Zuchthaus von zwei bis zu zehn Jahren zu erkennen.
§. 226.
- Ist durch die Körperverletzung der Tod des Verletzten verursacht
worden, so ist auf Zuchthaus nicht unter drei Jahren oder Gefängniß
nicht unter drei Jahren zu erkennen.
§. 227.
- Ist durch eine Schlägerei oder durch einen von Mehreren gemachten
Angriff der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung (§.
224) verursacht worden, so ist Jeder, welcher sich an der Schlägerei
oder dem Angriffe betheiligt hat, schon wegen dieser Betheiligung mit
Gefängniß bis zu drei Jahren zu bestrafen, falls er nicht ohne sein
Verschulden hineingezogen worden ist.
- Ist eine der vorbezeichneten Folgen mehreren Verletzungen
zuzuschreiben, welche dieselbe nicht einzeln, sondern nur durch ihr
Zusammentreffen verursacht haben, so ist Jeder, welchem eine dieser
Verletzungen zur Last fällt, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren zu
bestrafen.
§. 228.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist in den Fällen des §. 223 Absatz 2 und des §. 223a.
auf Gefängniß bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu eintausend
Mark, in den Fällen der §§. 224 und 227 Absatz 2 auf Gefängniß nicht
unter Einem Monat, und im Falle des §. 226 auf Gefängniß nicht unter
drei Monaten zu erkennen.
§. 229.
- Wer vorsätzlich einem Anderen, um dessen Gesundheit zu beschädigen,
Gift oder andere Stoffe beibringt, welche die Gesundheit zu zerstören
geeignet sind, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. [83]
- Ist durch die Handlung eine schwere Körperverletzung verursacht
worden, so ist auf Zuchthaus nicht unter fünf Jahren und, wenn durch die
Handlung der Tod verursacht worden, auf Zuchthaus nicht unter zehn
Jahren oder auf lebenslängliches Zuchthaus zu erkennen.
§. 230.
- Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung eines Anderen
verursacht, wird mit Geldstrafe bis zu neunhundert Mark oder mit
Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.
- War der Thäter zu der Aufmerksamkeit, welche er aus den Augen
setzte, vermöge seines Amtes, Berufes oder Gewerbes besonders
verpflichtet, so kann die Strafe auf drei Jahre Gefängniß erhöht werden.
§. 231.
- In allen Fällen der Körperverletzung kann auf Verlangen des
Verletzten neben der Strafe auf eine an denselben zu erlegende Buße bis
zum Betrage von sechstausend Mark erkannt werden.
- Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruches aus.
- Für diese Buße haften die zu derselben Verurtheilten als Gesammtschuldner.
§. 232.
- Die Verfolgung leichter vorsätzlicher, sowie aller durch
Fahrlässigkeit verursachter Körperverletzungen (§§. 223, 230) tritt nur
auf Antrag ein, insofern nicht die Körperverletzung mit Uebertretung
einer Amts-, Berufs- oder Gewerbspflicht begangen worden ist.
- Ist das Vergehen gegen einen Angehörigen verübt, so ist die Zurücknahme des Antrages zulässig.
- Die in den §§. 195, 196 und 198 enthaltenen Vorschriften finden auch hier Anwendung.
§. 233.
- Wenn leichte Körperverletzungen mit solchen, Beleidigungen mit
leichten Körperverletzungen oder letztere mit ersteren auf der Stelle
erwidert werden, so kann der Richter für beide Angeschuldigte, oder für
einen derselben eine der Art und oder dem Maße nach mildere oder
überhaupt keine Strafe eintreten lassen.
Achtzehnter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider die persönliche Freiheit.
§. 234.
- Wer sich eines Menschen durch List, Drohung oder Gewalt bemächtigt,
um ihn in hülfloser Lage auszusetzen oder in Sklaverei, Leibeigenschaft
oder in auswärtige Kriegs- oder Schiffsdienste zu bringen, wird wegen
Menschenraubes mit Zuchthaus bestraft. [84]
§. 235.
- Wer eine minderjährige Person durch List, Drohung oder Gewalt ihren
Eltern oder ihrem Vormunde entzieht, wird mit Gefängniß und, wenn die
Handlung in der Absicht geschieht, die Person zum Betteln oder zu
gewinnsüchtigen oder unsittlichen Zwecken oder Beschäftigungen zu
gebrauchen, mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft.
§. 236.
- Wer eine Frauensperson wider ihren Willen durch List, Drohung oder
Gewalt entführt, um sie zur Unzucht zu bringen, wird mit Zuchthaus bis
zu zehn Jahren und, wenn die Entführung begangen wurde, um die Entführte
zur Ehe zu bringen, mit Gefängniß bestraft.
- Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.
§. 237.
- Wer eine minderjährige, unverehelichte Frauensperson mit ihrem
Willen, jedoch ohne Einwilligung ihrer Eltern oder ihres Vormundes,
entführt, um sie zur Unzucht oder zur Ehe zu bringen, wird mit Gefängniß
bestraft.
- Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.
§. 238.
- Hat der Entführer die Entführte geheirathet, so findet die
Verfolgung nur statt, nachdem die Ehe für ungültig erklärt worden ist.
§. 239.
- Wer vorsätzlich und widerrechtlich einen Menschen einsperrt oder auf
andere Weise des Gebrauches der persönlichen Freiheit beraubt, wird mit
Gefängniß bestraft.
- Wenn die Freiheitsentziehung über eine Woche gedauert hat, oder wenn
eine schwere Körperverletzung des der Freiheit Beraubten durch die
Freiheitsentziehung oder die ihm während derselben widerfahrene
Behandlung verursacht worden ist, so ist auf Zuchthaus bis zu zehn
Jahren zu erkennen. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt
Gefängnißstrafe nicht unter Einem Monat ein.
- Ist der Tod des der Freiheit Beraubten durch die Freiheitsentziehung
oder die ihm während derselben widerfahrene Behandlung verursacht
worden, so ist auf Zuchthaus nicht unter drei Jahren zu erkennen. Sind
mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei
Monaten ein.
§. 240.
- Wer einen Anderen widerrechtlich durch Gewalt oder durch Bedrohung
mit einem Verbrechen oder Vergehen zu einer Handlung, Duldung oder
Unterlassung nöthigt, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre oder mit
Geldstrafe bis zu sechshundert Mark bestraft.
- Der Versuch ist strafbar. [85]
§. 241.
- Wer einen Anderen mit der Begehung eines Verbrechens bedroht, wird
mit Gefängniß bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu
dreihundert Mark bestraft.
Neunzehnter Abschnitt. Diebstahl und Unterschlagung.
§. 242.
- Wer eine fremde bewegliche Sache einem Anderen in der Absicht
wegnimmt, dieselbe sich rechtswidrig zuzueignen, wird wegen Diebstahls
mit Gefängniß bestraft.
- Der Versuch ist strafbar.
§. 243.
- Auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn
- aus einem zum Gottesdienste bestimmten Gebäude Gegenstände gestohlen werden, welche dem Gottesdienste gewidmet sind;
- aus einem Gebäude oder umschlossenen Raume mittels Einbruchs, Einsteigens oder Erbrechens von Behältnissen gestohlen wird;
- der Diebstahl dadurch bewirkt wird, daß zur Eröffnung eines Gebäudes
oder der Zugänge eines umschlossenen Raumes, oder zur Eröffnung der im
Innern befindlichen Thüren oder Behältnisse falsche Schlüssel oder
andere zur ordnungsgemäßen Eröffnung nicht bestimmte Werkzeuge
angewendet werden;
- auf einem öffentlichen Wege, einer Straße, einem öffentlichen
Platze, einer Wasserstraße oder einer Eisenbahn, oder in einem
Postgebäude oder dem dazu gehörigen Hofraume, oder auf einem
Eisenbahnhofe eine zum Reisegepäck oder zu anderen Gegenständen der
Beförderung gehörende Sache mittels Abschneidens oder Ablösens der
Befestigungs- oder Verwahrungsmittel, oder durch Anwendung falscher
Schlüssel oder anderer zur ordnungsmäßigen Eröffnung nicht bestimmter
Werkzeuge gestohlen wird;
- der Dieb oder einer der Theilnehmer am Diebstahle bei Begehung der That Waffen bei sich führt;
- zu dem Diebstahle Mehrere mitwirken, welche sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden haben, oder
- der Diebstahl zur Nachtzeit in einem bewohnten Gebäude, in welches
sich der Thäter in diebischer Absicht eingeschlichen, oder in welchem er
sich in gleicher Absicht verborgen hatte, begangen wird, auch wenn zur
Zeit des Diebstahls Bewohner in dem Gebäude nicht anwesend sind. Einem
bewohnten Gebäude werden der zu einem bewohnten Gebäude gehörige
umschlossene Raum und die in einem solchen befindlichen Gebäude jeder
Art, sowie Schiffe, welche bewohnt werden, gleich geachtet.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein. [86]
§. 244.
- Wer im Inlande als Dieb, Räuber oder gleich einem Räuber oder als
Hehler bestraft worden ist, darauf abermals eine dieser Handlungen
begangen hat, und wegen derselben bestraft worden ist, wird, wenn er
einen einfachen Diebstahl (§. 242) begeht, mit Zuchthaus bis zu zehn
Jahren, wenn er einen schweren Diebstahl (§. 243) begeht, mit Zuchthaus
nicht unter zwei Jahren bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt beim einfachen Diebstahl
Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten, beim schweren Diebstahl
Gefängnißstrafe nicht unter Einem Jahre ein.
§. 245.
- Die Bestimmungen des §. 244 finden Anwendung, auch wenn die früheren
Strafen nur theilweise verbüßt oder ganz oder theilweise erlassen sind,
bleiben jedoch ausgeschlossen, wenn seit der Verbüßung oder dem Erlasse
der letzten Strafe bis zur Begehung des neuen Diebstahls zehn Jahre
verflossen sind.
§. 246.
- Wer eine fremde bewegliche Sache, die er in Besitz oder Gewahrsam
hat, sich rechtswidrig zueignet, wird wegen Unterschlagung mit Gefängniß
bis zu drei Jahren und, wenn die Sache ihm anvertraut ist, mit
Gefängniß bis zu fünf Jahren bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Geldstrafe bis zu neunhundert Mark erkannt werden.
- Der Versuch ist strafbar.
§. 247.
- Wer einen Diebstahl oder eine Unterschlagung gegen Angehörige,
Vormünder oder Erzieher begeht, oder wer einer Person, zu der er im
Lehrlingsverhältnisse steht, oder in deren häuslicher Gemeinschaft er
als Gesinde sich befindet, Sachen von unbedeutendem Werthe stiehlt oder
unterschlägt, ist nur auf Antrag zu verfolgen. Die Zurücknahme des
Antrages ist zulässig.
- Ein Diebstahl oder eine Unterschlagung, welche von Verwandten
aufsteigender Linie gegen Verwandte absteigender Linie oder von einem
Ehegatten gegen den anderen begangen worden ist, bleibt straflos.
- Diese Bestimmungen finden auf Theilnehmer oder Begünstiger, welche
nicht in einem der vorbezeichneten persönlichen Verhältnisse stehen,
keine Anwendung.
§. 248.
- Neben der wegen Diebstahls oder Unterschlagung erkannten
Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, und neben
der wegen Diebstahls erkannten Zuchthausstrafe auf Zulässigkeit von
Polizei-Aufsicht erkannt werden. [87]
Zwanzigster Abschnitt. Raub und Erpressung.
§. 249.
- Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen
mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben eine fremde bewegliche Sache
einem Anderen in der Absicht wegnimmt, sich dieselbe rechtswidrig
zuzueignen, wird wegen Raubes mit Zuchthaus bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein.
§. 250.
- Auf Zuchthaus nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn
- der Räuber oder einer der Theilnehmer am Raube bei Begehung der That Waffen bei sich führt;
- zu dem Raube Mehrere mitwirken, welche sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden haben;
- der Raub auf einem öffentlichen Wege, einer Straße, einer Eisenbahn,
einem öffentlichen Platze, auf offener See oder einer Wasserstraße
begangen wird;
- der Raub zur Nachtzeit in einem bewohnten Gebäude (§. 243 Nr. 7)
begangen wird, in welches sich der Thäter zur Begehung eines Raubes oder
Diebstahls eingeschlichen oder sich gewaltsam Eingang verschafft oder
in welchem er sich in gleicher Absicht verborgen hatte, oder
- der Räuber bereits einmal als Räuber oder gleich einem Räuber im
Inlande bestraft worden ist. Die im §. 245 enthaltenen Vorschriften
finden auch hier Anwendung.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter Einem Jahre ein.
§. 251.
- Mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem
Zuchthaus wird der Räuber bestraft, wenn bei dem Raube ein Mensch
gemartert, oder durch die gegen ihn verübte Gewalt eine schwere
Körperverletzung oder der Tod desselben verursacht worden ist.
§. 252.
- Wer, bei einem Diebstahle auf frischer That betroffen, gegen eine
Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib
oder Leben anwendet, um sich im Besitze des gestohlenen Gutes zu
erhalten, ist gleich einem Räuber zu bestrafen. [88]
§. 253.
- Wer, um sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen
Vermögensvortheil zu verschaffen, einen Anderen durch Gewalt oder
Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nöthigt, ist wegen
Erpressung mit Gefängniß nicht unter Einem Monat zu bestrafen.
- Der Versuch ist strafbar.
§. 254.
- Wird die Erpressung durch Bedrohung mit Mord, mit Brandstiftung oder
mit Verursachung einer Ueberschwemmung begangen, so ist auf Zuchthaus
bis zu fünf Jahren zu erkennen.
§. 255.
- Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter
Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben
begangen, so ist der Thäter gleich einem Räuber zu bestrafen.
§. 256.
- Neben der wegen Erpressung erkannten Gefängnißstrafe kann auf
Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und neben der wegen Raubes oder
Erpressung erkannten Zuchthausstrafe auf Zulässigkeit von
Polizei-Aufsicht erkannt werden.
Einundzwanzigster Abschnitt. Begünstigung und Hehlerei.
§. 257.
- Wer nach Begehung eines Verbrechens oder Vergehens dem Thäter oder
Theilnehmer wissentlich Beistand leistet, um denselben der Bestrafung zu
entziehen oder um ihm die Vortheile des Verbrechens oder Vergehens zu
sichern, ist wegen Begünstigung mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark
oder mit Gefängniß bis zu Einem Jahre und, wenn er diesen Beistand
seines Vortheils wegen leistet, mit Gefängniß zu bestrafen. Die Strafe
darf jedoch, der Art oder dem Maße nach, keine schwerere sein, als die
auf die Handlung selbst angedrohte.
- Die Begünstigung ist straflos, wenn dieselbe dem Thäter oder
Theilnehmer von einem Angehörigen gewährt worden ist, um ihn der
Bestrafung zu entziehen.
- Die Begünstigung ist als Beihülfe zu bestrafen, wenn sie vor
Begehung der That zugesagt worden ist. Diese Bestimmung leidet auch auf
Angehörige Anwendung.
§. 258.
- Wer seines Vortheils wegen sich einer Begünstigung schuldig macht, wird als Hehler bestraft, wenn der Begünstigte
- einen einfachen Diebstahl oder eine Unterschlagung begangen hat, mit Gefängniß,
- einen schweren Diebstahl, einen Raub oder ein dem Raube gleich zu
bestrafendes Verbrechen begangen hat, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren.
-
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein. [89]
- Diese Strafvorschriften finden auch dann Anwendung, wenn der Hehler ein Angehöriger ist.
§. 259.
- Wer seines Vortheils wegen Sachen, von denen er weiß oder den
Umständen nach annehmen muß, daß sie mittels eines strafbaren Handlung
erlangt sind, verheimlicht, ankauft, zum Pfande nimmt oder sonst an sich
bringt oder zu deren Absatze bei Anderen mitwirkt, wird als Hehler mit
Gefängniß bestraft.
§. 260.
- Wer die Hehlerei gewerbs- oder gewohnheitsmäßig betreibt, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft.
§. 261.
- Wer im Inlande wegen Hehlerei einmal und wegen darauf begangener
Hehlerei zum zweiten Male bestraft worden ist, wird, wenn sich die
abermals begangene Hehlerei auf einen schweren Diebstahl, einen Raub
oder ein dem Raube gleich zu bestrafendes Verbrechen bezieht, mit
Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft. Sind milderne Umstände
vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter Einem Jahre ein.
- Bezieht sich die Hehlerei auf eine andere strafbare Handlung, so ist
auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu erkennen. Sind mildernde Umstände
vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein.
- Die in dem §. 245 enthaltenen Vorschriften finden auch hier Anwendung.
§. 262.
- Neben der wegen Hehlerei erkannten Gefängnißstrafe kann auf Verlust
der bürgerlichen Ehrenrechte und neben jeder Verurtheilung wegen
Hehlerei auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden.
Zweiundzwanzigster Abschnitt. Betrug und Untreue.
§. 263.
- Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen
Vermögensvortheil zu verschaffen, das Vermögen eines Anderen dadurch
beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung
oder Unterdrückung wahrer Thatsachen einen Irrthum erregt oder
unterhält, wird wegen Betruges mit Gefängniß bestraft, neben welchem auf
Geldstrafe bis zu dreitausend Mark, sowie auf Verlust der bürgerlichen
Ehrenrechte erkannt werden kann. [90]
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann ausschließlich auf die Geldstrafe erkannt werden.
- Der Versuch ist strafbar.
- Wer einen Betrug gegen Angehörige, Vormünder oder Erzieher begeht,
ist nur auf Antrag zu verfolgen. Die Zurücknahme des Antrages ist
zulässig.
§. 264.
- Wer im Inlande wegen Betruges einmal und wegen darauf begangenen
Betruges zum zweiten Male bestraft worden ist, wird wegen abermals
begangenen Betruges mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und zugleich mit
Geldstrafe von einhundertfunfzig bis zu sechstausend Mark bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht
unter drei Monaten ein, neben welcher zugleich auf Geldstrafe bis zu
dreitausend Mark erkannt werden kann.
- Die im §. 245 enthaltenen Vorschriften finden auch hier Anwendung.
§. 265.
- Wer in betrügerischer Absicht eine gegen Feuersgefahr versicherte
Sache in Brand setzt, oder ein Schiff, welches als solches oder in
seiner Ladung oder in seinem Frachtlohn versichert ist, sinken oder
stranden macht, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und zugleich mit
Geldstrafe von einhundertfunfzig bis zu sechstausend Mark bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht
unter sechs Monaten ein, neben welcher auf Geldstrafe bis zu dreitausend
Mark erkannt werden kann.
§. 266.
- Wegen Untreue werden mit Gefängniß, neben welchem auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann, bestraft:
- Vormünder, Kuratoren, Güterpfleger, Sequester, Massenverwalter,
Vollstrecker letztwilliger Verfügungen und Verwalter von Stiftungen,
wenn sie absichtlich zum Nachtheile der ihrer Aufsicht anvertrauten
Personen oder Sachen handeln;
- Bevollmächtigte, welche über Forderungen oder andere Vermögensstücke
des Auftraggebers absichtlich zum Nachtheile desselben verfügen;
- Feldmesser, Versteigerer, Mäkler, Güterbestätiger, Schaffner, Wäger,
Messer, Bracker, Schauer, Stauer und andere zur Betreibung ihres
Gewerbes von der Obrigkeit verpflichtete Personen, wenn sie bei den
ihnen übertragenen Geschäften absichtlich diejenigen benachtheiligen,
deren Geschäfte sie besorgen.
- Wird die Untreue begangen, um sich oder einem Anderen einen
Vermögensvortheil zu verschaffen, so kann neben der Gefängnißstrafe auf
Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden. [91]
Dreiundzwanzigster Abschnitt. Urkundenfälschung.
§. 267.
- Wer in rechtswidriger Absicht eine inländische oder ausländische
öffentliche Urkunde oder eine solche Privaturkunde, welche zum Beweise
von Rechten oder Rechtsverhältnissen von Erheblichkeit ist, verfälscht
oder fälschlich anfertigt und von derselben zum Zwecke einer Täuschung
Gebrauch macht, ward wegen Urkundenfälschung mit Gefängniß bestraft.
§. 268.
- Eine Urkundenfälschung, welche in der Absicht begangen wird, sich
oder einem Anderen einen Vermögensvortheil zu verschaffen oder einem
Anderen Schaden zuzufügen, wird bestraft, wenn
- die Urkunde eine Privaturkunde ist, mit Zuchthaus bis zu fünf
Jahren, neben welchem auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt
werden kann;
- die Urkunde eine öffentliche ist, mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren,
neben welchem auf Geldstrafe von einhundertfunfzig bis zu sechstausend
Mark erkannt werden kann.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe ein,
welche bei der Fälschung einer Privaturkunde nicht unter Einer Woche,
bei der Fälschung einer öffentlichen Urkunde nicht unter drei Monaten
betragen soll. Neben der Gefängnißstrafe kann zugleich auf Geldstrafe
bis zu dreitausend Mark erkannt werden.
§. 269.
- Der fälschlichen Anfertigung einer Urkunde wird es gleich geachtet,
wenn Jemand einem mit der Unterschrift eines Anderen versehenen Papiere
ohne dessen Willen oder dessen Anordnungen zuwider durch Ausfüllung
einen urkundlichen Inhalt gibt.
§. 270.
- Der Urkundenfälschung wird es gleich geachtet, wenn Jemand von einer
falschen oder verfälschten Urkunde, wissend, daß sie falsch oder
verfälscht ist, zum Zwecke einer Täuschung Gebraucht macht. [92]
§. 271.
- Wer vorsätzlich bewirkt, daß Erklärungen, Verhandlungen oder
Thatsachen, welche für Rechte oder Rechtsverhältnisse von Erheblichkeit
sind, in öffentlichen Urkunden, Büchern oder Registern als abgegeben
oder geschehen beurkundet werden, während sie überhaupt nicht oder in
anderer Weise oder von einer Person in einer ihr nicht zustehenden
Eigenschaft oder von einer anderen Person abgegeben oder geschehen sind,
wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu
dreihundert Mark bestraft.
§. 272.
- Wer die vorbezeichnete Handlung in der Absicht begeht, sich oder
einem Anderen einen Vermögensvortheil zu verschaffen oder einem Anderen
Schaden zuzufügen, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft, neben
welchem auf Geldstrafe von einhundertfunfzig bis zu sechstausend Mark
erkannt werden kann.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe ein,
neben welcher auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden
kann.
§. 273.
- Wer wissentlich von einer falschen Beurkundung der im §. 271
bezeichneten Art zum Zwecke einer Täuschung Gebrauch macht, wird nach
Vorschrift jenes Paragraphen und, wenn die Absicht dahin gerichtet war,
sich oder einem Anderen einen Vermögensvortheil zu verschaffen oder
einem Anderen Schaden zuzufügen, nach Vorschrift des §. 272 bestraft.
§. 274.
- Mit Gefängniß, neben welchem auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden kann, wird bestraft, wer
- eine Urkunde, welche ihm entweder überhaupt nicht oder nicht
ausschließlich gehört, in der Absicht, einem Anderen Nachtheile
zuzufügen, vernichtet, beschädigt oder unterdrückt, oder
- einen Grenzstein oder ein anderes zur Bezeichnung einer Grenze oder
eines Wasserstandes bestimmtes Merkmal in der Absicht, einem Anderen
Nachtheil zuzufügen, wegnimmt, vernichtet, unkenntlich macht, verrückt
oder fälschlich setzt.
§. 275.
- Mit Gefängniß nicht unter drei Monaten wird bestraft, wer [93]
- wissentlich von falschem oder gefälschtem Stempelpapier, von
falschen oder gefälschten Stempelmarken, Stempelblanketten,
Stempelabdrücken, Post- oder Telegraphen-Freimarken oder gestempelten
Briefcouverts Gebrauch macht,
- unechtes Stempelpapier, unechte Stempelmarken, Stempelblankette oder
Stempelabdrücke für Spielkarten, Pässe oder sonstige Drucksachen oder
Schriftstücke, ingleichen wer unechte Post- oder Telegraphen-Freimarken
oder gestempelte Briefkuverts in der Absicht anfertigt, sie als echt zu
verwenden, oder
- echtes Stempelpapier, echte Stempelmarken, Stempelblankette,
Stempelabdrücke, Post- oder Telegraphen-Freimarken oder gestempelte
Briefcouverts in der Absicht verfälscht, sie zu einem höheren Werthe zu
verwenden.
§. 276.
- Wer wissentlich schon einmal zu stempelpflichtigen Urkunden,
Schriftstücken oder Formularen verwendetes Stempelpapier oder schon
einmal verwendete Stempelmarken oder Stempelblankette, ingleichen
Stempelabdrücke, welche zum Zeichen stattgehabter Versteuerung gedient
haben, zu stempelpflichtigen Schriftstücken verwendet, wird, außer der
Strafe, welche durch die Entziehung der Stempelsteuer begründet ist, mit
Geldstrafe bis zu sechshundert Mark bestraft.
§. 277.
- Wer unter der ihm nicht zustehenden Bezeichnung als Arzt oder als
eine andere approbirte Medizinalperson oder unberechtigt unter dem Namen
solcher Personen ein Zeugniß über seinen oder eines Anderen
Gesundheitszustand ausstellt oder ein derartiges echtes Zeugniß
verfälscht, und davon zur Täuschung von Behörden und
Versicherungsgesellschaften Gebrauch macht, wird mit Gefängniß bis zu
Einem Jahre bestraft.
§. 278.
- Aerzte und andere approbirte Medizinalpersonen, welche ein
unrichtiges Zeugniß über den Gesundheitszustand eines Menschen zum
Gebrauche bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft wider
besseres Wissen ausstellen, werden mit Gefängniß von Einem Monat bis zu
zwei Jahren bestraft.
§. 279.
- Wer, um eine Behörde oder eine Versicherungsgesellschaft über seinen
oder eines Anderen Gesundheitszustand zu täuschen, von einem Zeugnisse
der in den §§. 277 und 278 bezeichneten Art Gebrauch macht, wird mit
Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft.
§. 280.
- Neben einer nach Vorschrift der §§. 267, 274, 275, 277 bis 279
erkannten Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte
erkannt werden. [94]
Vierundzwanzigster Abschnitt. Bankerutt.
§. 281.
- Kaufleute, welche ihre Zahlungen eingestellt haben, werden wegen
betrüglichen Bankerutts mit Zuchthaus bestraft, wenn sie in der Absicht,
ihre Gläubiger zu benachtheiligen,
- Vermögensstücke verheimlicht oder bei Seite geschafft haben,
- Schulden oder Rechtsgeschäfte anerkannt oder aufgestellt haben, welche ganz oder theilweise erdichtet sind,
- Handelsbücher zu führen unterlassen haben, deren Führung ihnen gesetzlich oblag, oder
- ihre Handelsbücher vernichtet oder verheimlicht oder so geführt oder
verändert haben, daß dieselben keine Uebersicht des Vermögenszustandes
gewähren.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein.
§. 282.
- Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
- im Interesse eines Kaufmanns, welcher seine Zahlungen eingestellt
hat, Vermögensstücke desselben verheimlicht oder bei Seite geschafft
hat, oder
- im Interesse eines Kaufmanns, welcher seine Zahlungen eingestellt
hat, oder, um sich oder einem Anderen Vermögensvortheil zu verschaffen,
erdichtete Forderungen im eigenen Namen oder durch vorgeschobene
Personen geltend gemacht hat.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe oder Geldstrafe bis zu sechstausend Mark ein.
§. 283.
- Kaufleute, welche ihre Zahlungen eingestellt haben, werden wegen
einfachen Bankerutts mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft, wenn sie
- durch Aufwand, Spiel oder Differenzhandel mit Waaren oder
Börsenpapieren übermäßige Summen verbraucht haben oder schuldig geworden
sind,
- Handelsbücher zu führen unterlassen haben, deren Führung ihnen
gesetzlich oblag, oder dieselben verheimlicht, vernichtet oder so
unordentlich geführt haben, daß sie keine Uebersicht des
Vermögenszustandes gewähren, oder
- es unterlassen haben, die Bilanz ihres Vermögens in der gesetzlich vorgeschriebenen Zeit zu ziehen. [95]
Fünfundzwanzigster Abschnitt. Strafbarer Eigennutz und Verletzung fremder Geheimnisse.
§. 284.
- Wer aus dem Glücksspiele ein Gewerbe macht, wird mit Gefängniß bis
zu zwei Jahren bestraft, neben welchem auf Geldstrafe von dreihundert
bis zu sechstausend Mark, sowie auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte
erkannt werden kann.
- Ist der Verurtheilte ein Ausländer, so ist die Landespolizeibehörde befugt, denselben aus dem Bundesgebiete zu verweisen.
§. 285.
- Der Inhaber eines öffentlichen Versammlungsorts, welcher
Glücksspiele daselbst gestattet oder zur Verheimlichung solcher Spiele
mitwirkt, wird mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark
bestraft.
§. 286.
- Wer ohne obrigkeitliche Erlaubniß öffentliche Lotterien
veranstaltet, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe
bis zu dreitausend Mark bestraft.
- Den Lotterien sind öffentlich veranstaltete Ausspielungen beweglicher oder unbeweglicher Sachen gleich zu achten.
§. 288.[1]
- Wer bei einer ihm drohenden Zwangsvollstreckung in der Absicht, die
Befriedigung des Gläubigers zu vereiteln, Bestandtheile seines Vermögens
veräußert oder bei Seite schafft, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren
bestraft.
- Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des Gläubigers ein.
§. 289.
- Wer seine eigene bewegliche Sache, oder eine fremde bewegliche Sache
zu Gunsten des Eigenthümers derselben, dem Nutznießer, Pfandgläubiger
oder demjenigen, welchem an der Sache ein Gebrauchs- und
Zurückhaltungsrecht zusteht, in rechtswidriger Absicht wegnimmt, wird
mit Gefängniß bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu neunhundert
Mark bestraft.
- Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. [96]
- Der Versuch ist strafbar.
- Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.
- Die Bestimmungen des §. 247 Absatz 2 und 3 finden auch hier Anwendung.
§. 290.
- Oeffentliche Pfandleiher, welche die von ihnen in Pfand genommenen
Gegenstände unbefugt in Gebrauch nehmen, werden mit Gefängniß bis zu
Einem Jahre, neben welchem auf Geldstrafe bis zu neunhundert Mark
erkannt werden kann, bestraft.
§. 291.
- Wer die bei den Uebungen der Artillerie verschossene Munition, oder
wer Bleikugeln aus den Kugelfängen der Schießstände der Truppen sich
widerrechtlich zueignet, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre oder mit
Geldstrafe bis zu neunhundert Mark bestraft.
§. 292.
- Wer an Orten, an denen zu jagen er nicht berechtigt ist, die Jagd
ausübt, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängniß
bis zu drei Monaten bestraft.
- Ist der Thäter ein Angehöriger des Jagdberechtigten, so tritt die
Verfolgung nur auf Antrag ein. Die Zurücknahme des Antrages ist
zulässig.
§. 293.
- Die Strafe kann auf Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder auf
Gefängniß bis zu sechs Monaten erhöht werden, wenn dem Wilde nicht mit
Schießgewehr oder Hunden, sondern mit Schlingen, Netzen, Fallen oder
anderen Vorrichtungen nachgestellt oder, wenn das Vergehen während der
gesetzlichen Schonzeit, in Wäldern, zur Nachtzeit oder gemeinschaftlich
von Mehreren begangen wird.
§. 294.
- Wer unberechtigtes Jagen gewerbsmäßig betreibt, wird mit Gefängniß
nicht unter drei Monaten bestraft; auch kann auf Verlust der
bürgerlichen Ehrenrechte, sowie auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht
erkannt werden.
§. 295.
- Neben der durch das Jagdvergehen verwirkten Strafe ist auf
Einziehung des Gewehrs, des Jagdgeräths und der Hunde, welche der Thäter
bei dem unberechtigten Jagen bei sich geführt hat, ingleichen der
Schlingen, Netze, Fallen und anderen Vorrichtungen zu erkennen, ohne
Unterschied, ob sie dem Verurtheilten gehören oder nicht. [97]
§. 296.
- Wer zur Nachtzeit, bei Fackellicht oder unter Anwendung schädlicher
oder explodirender Stoffe unberechtigt fischt oder krebst, wird mit
Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu sechs
Monaten bestraft.
§. 296a.
- Ausländer, welche in Deutschen Küstengewässern unbefugt fischen,
werden mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu
sechs Monaten bestraft.
- Neben der Geld- oder Gefängnißstrafe ist auf Einziehung der
Fanggeräthe, welche der Thäter bei dem unbefugten Fischen bei sich
geführt hat, ingleichen der in dem Fahrzeuge enthaltenen Fische zu
erkennen, ohne Unterschied, ob die Fanggeräthe und Fische dem
Verurtheilten gehören oder nicht.
§. 297.
- Ein Reisender oder Schiffsmann, welcher ohne Vorwissen des
Schiffers, ingleichen ein Schiffer, welcher ohne Vorwissen des Rheders
Gegenstände an Bord nimmt, welche das Schiff oder die Ladung gefährden,
indem sie die Beschlagnahme oder Einziehung des Schiffes oder der Ladung
veranlassen können, wird mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert
Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.
§. 298.
- Ein Schiffsmann, welcher mit der Heuer entläuft, oder sich verborgen
hält, um sich dem übernommenen Dienste zu entziehen, wird, ohne
Unterschied, ob das Vergehen im Inlande oder im Auslande begangen worden
ist, mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft.
§. 299.
- Wer einen verschlossenen Brief oder eine andere verschlossene
Urkunde, die nicht zu seiner Kenntnißnahme bestimmt ist, vorsätzlich und
unbefugter Weise eröffnet, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark
oder mit Gefängniß bis zu drei Monaten bestraft.
- Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.
§. 300.
- Rechtsanwalte, Advokaten, Notare, Vertheidiger in Strafsachen,
Aerzte, Wundärzte, Hebammen, Apotheker, sowie die Gehülfen dieser
Personen werden, wenn sie unbefugt Privatgeheimnisse offenbaren, die
ihnen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes anvertraut sind, mit
Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit Gefängniß bis zu
drei Monaten bestraft.
- Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. [98]
§. 301.
- Wer in gewinnsüchtiger Absicht und unter Benutzung des Leichtsinns
oder der Unerfahrenheit eines Minderjährigen sich von demselben
Schuldscheine, Wechsel, Empfangsbekenntnisse, Bürgschaftsinstrumente
oder eine andere, eine Verpflichtung enthaltende Urkunde ausstellen oder
auch nur mündlich ein Zahlungsversprechen ertheilen läßt, wird mit
Gefängniß bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu
eintausendfünfhundert Mark bestraft.
- Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.
§. 302.
- Wer in gewinnsüchtiger Absicht und unter Benutzung des Leichtsinns
oder der Unerfahrenheit eines Minderjährigen sich von demselben unter
Verpfändung der Ehre, auf Ehrenwort, eidlich oder unter ähnlichen
Versicherungen oder Betheuerungen die Zahlung einer Geldsumme oder die
Erfüllung einer anderen, auf Gewährung geldwerther Sachen gerichteten
Verpflichtung aus einem Rechtsgeschäfte versprechen läßt, wird mit
Gefängniß bis zu Einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark
bestraft.
- Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
- Dieselbe Strafe trifft denjenigen, welcher sich eine Forderung, von
der er weiß, daß deren Berichtigung ein Minderjähriger in der
vorbezeichneten Weise versprochen hat, abtreten läßt.
- Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.
Sechsundzwanzigster Abschnitt. Sachbeschädigung.
§. 303.
- Wer vorsätzlich und rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder
zerstört, wird mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder mit Gefängniß
bis zu zwei Jahren bestraft.
- Der Versuch ist strafbar.
- Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.
- Ist das Vergehen gegen einen Angehörigen verübt, so ist die Zurücknahme des Antrages zulässig. [99]
§. 304.
- Wer vorsätzlich und rechtswidrig Gegenstände der Verehrung einer im
Staate bestehenden Religionsgesellschaft, oder Sachen, die dem
Gottesdienste gewidmet sind, oder Grabmäler, öffentliche Denkmäler,
Gegenstände der Kunst, der Wissenschaft oder des Gewerbes, welche in
öffentlichen Sammlungen aufbewahrt werden oder öffentlich ausgestellt
sind, oder Gegenstände, welche zum öffentlichen Nutzen oder zur
Verschönerung öffentlicher Wege, Plätze oder Anlagen dienen, beschädigt
oder zerstört, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe
bis zu eintausendfünfhundert Mark bestraft.
- Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
- Der Versuch ist strafbar.
§. 305.
- Wer vorsätzlich und rechtswidrig ein Gebäude, ein Schiff, eine
Brücke, einen Damm, eine gebaute Straße, eine Eisenbahn oder ein anderes
Bauwerk, welche fremdes Eigenthum sind, ganz oder theilweise zerstört,
wird mit Gefängniß nicht unter Einem Monat bestraft.
- Der Versuch ist strafbar.
Siebenundzwanzigster Abschnitt. Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen.
§. 306.
- Wegen Brandstiftung wird mit Zuchthaus bestraft, wer vorsätzlich in Brand setzt
- ein zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmtes Gebäude,
- ein Gebäude, ein Schiff oder eine Hütte, welche zur Wohnung von Menschen dienen, oder
- eine Räumlichkeit, welche zeitweise zum Aufenthalt von Menschen
dient, und zwar zu einer Zeit, während welcher Menschen in derselben
sich aufzuhalten pflegen.
§ 307.
- Die Brandstiftung (§. 306) wird mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft, wenn
- der Brand den Tod eines Menschen dadurch verursacht hat, daß dieser
zur Zeit der That in einer der in Brand gesetzten Räumlichkeiten sich
befand,
- die Brandstiftung in der Absicht begangen worden ist, um unter
Begünstigung derselben Mord oder Raub zu begehen oder einen Aufruhr zu
erregen, oder
- der Brandstifter, um das Löschen des Feuers zu verhindern oder zu
erschweren, Löschgeräthschaften entfernt oder unbrauchbar gemacht hat. [100]
§ 308.
- Wegen Brandstiftung wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft,
wer vorsätzlich Gebäude, Schiffe, Hütten, Bergwerke, Magazine,
Waarenvorräthe, welche auf dazu bestimmten öffentlichen Plätzen lagern,
Vorräthe an landwirthschaftlichen Erzeugnissen oder von Bau- oder
Brennmaterialien, Früchte auf dem Felde, Waldungen oder Torfmoore in
Brand setzt, wenn diese Gegenstände entweder fremdes Eigenthum sind,
oder zwar dem Brandstifter eigenthümlich gehören, jedoch ihrer
Beschaffenheit und Lage nach geeignet sind, das Feuer einer der im §.
306 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Räumlichkeiten oder einem der vorstehend
bezeichneten fremden Gegenstände mitzutheilen.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten ein.
§. 309.
- Wer durch Fahrlässigkeit einen Brand der in den §§. 306 und 308
bezeichneten Art herbeiführt, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre oder
mit Geldstrafe bis zu neunhundert Mark und, wenn durch den Brand der
Tod eines Menschen verursacht worden ist, mit Gefängniß von Einem Monat
bis zu drei Jahren bestraft.
§. 310.
- Hat der Thäter den Brand, bevor derselbe entdeckt und ein weiterer
als der durch die bloße Inbrandsetzung bewirkte Schade entstanden war,
wieder gelöscht, so tritt Straflosigkeit ein.
§. 311.
- Die gänzliche oder theilweise Zerstörung einer Sache durch Gebrauch
von Pulver oder anderen explodirenden Stoffen ist der Inbrandsetzung der
Sache gleich zu achten.
§. 312.
- Wer mit gemeiner Gefahr für Menschenleben vorsätzlich eine
Ueberschwemmung herbeiführt, wird mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren
und, wenn durch die Ueberschwemmung der Tod eines Menschen verursacht
worden ist, mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit
lebenslänglichem Zuchthaus bestraft.
§. 313.
- Wer mit gemeiner Gefahr für das Eigenthum vorsätzlich eine Ueberschwemmung herbeiführt, wird mit Zuchthaus bestraft.
- Ist jedoch die Absicht des Thäters nur auf Schutz seines Eigenthums
gerichtet gewesen, so ist auf Gefängniß nicht unter Einem Jahre zu
erkennen. [101]
§. 314.
- Wer eine Ueberschwemmung mit gemeiner Gefahr für Leben oder
Eigenthum durch Fahrlässigkeit herbeiführt, wird mit Gefängniß bis zu
Einem Jahre und, wenn durch die Ueberschwemmung der Tod eines Menschen
verursacht worden ist, mit Gefängniß von Einem Monat bis zu drei Jahren
bestraft.
§. 315.
- Wer vorsätzlich Eisenbahnanlagen, Beförderungsmittel oder sonstiges
Zubehör derselben dergestalt beschädigt, oder auf der Fahrbahn durch
falsche Zeichen oder Signale oder auf andere Weise solche Hindernisse
bereitet, daß dadurch der Transport in Gefahr gesetzt wird, wird mit
Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft.
- Ist durch die Handlung eine schwere Körperverletzung verursacht
worden, so tritt Zuchthausstrafe nicht unter fünf Jahren und, wenn der
Tod eines Menschen verursacht worden ist, Zuchthausstrafe nicht unter
zehn Jahren oder lebenslängliche Zuchthausstrafe ein.
§. 316.
- Wer fahrlässigerweise durch eine der vorbezeichneten Handlungen den
Transport auf einer Eisenbahn in Gefahr setzt, wird mit Gefängniß bis zu
Einem Jahre und, wenn durch die Handlung der Tod eines Menschen
verursacht worden ist, mit Gefängniß von Einem Monat bis zu drei Jahren
bestraft.
- Gleiche Strafe trifft die zur Leitung der Eisenbahnfahrten und zur
Aufsicht über die Bahn und den Beförderungsbetrieb angestellten
Personen, wenn sie durch Vernachlässigung der ihnen obliegenden
Pflichten einen Transport in Gefahr setzen.
§. 317.
- Wer gegen eine zu öffentlichen Zwecken dienende Telegraphenanstalt
vorsätzliche Handlungen begeht, welche die Benutzung dieser Anstalt
verhindern oder stören, wird mit Gefängniß von Einem Monat bis zu drei
Jahren bestraft.
§. 318.
- Wer gegen eine zu öffentlichen Zwecken dienende Telegraphenanstalt
fahrlässiger Weise Handlungen begeht, welche die Benutzung dieser
Anstalt verhindern oder stören, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre
oder mit Geldstrafe bis zu neunhundert Mark bestraft.
- Gleiche Strafe trifft die zur Beaufsichtigung und Bedienung der
Telegraphenanstalten und ihrer Zubehörungen angestellten Personen, wenn
sie durch Vernachlässigung der ihnen obliegenden Pflichten die Benutzung
dieser Anstalt verhindern oder stören. [102]
§. 319.
- Wird einer der in den §§. 316 und 318 erwähnten Angestellten wegen
einer der in den §§ 315 bis 318 bezeichneten Handlungen verurtheilt, so
kann derselbe zugleich für unfähig zu einer Beschäftigung im Eisenbahn-
oder Telegraphendienste oder in bestimmten Zweigen dieser Dienste
erklärt werden.
§. 320.
- Die Vorsteher einer Eisenbahngesellschaft, sowie die Vorsteher einer
zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegraphenanstalt, welche nicht
sofort nach Mittheilung des rechtskräftigen Erkenntnisses die Entfernung
des Verurtheilten bewirken, werden mit Geldstrafe bis zu dreihundert
Mark oder mit Gefängniß bis zu drei Monaten bestraft.
- Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher für unfähig zum Eisenbahn-
oder Telegraphendienste erklärt worden ist, wenn er sich nachher bei
einer Eisenbahn oder Telegraphenanstalt wieder anstellen läßt, sowie
diejenigen, welcher ihn wieder angestellt haben, obgleich ihnen die
erfolgte Unfähigkeitserklärung bekannt war.
§. 321.
- Wer vorsätzlich Wasserleitungen, Schleusen, Wehre, Deiche, Dämme
oder andere Wasserbauten, oder Brücken, Fähren, Wege oder Schutzwehre,
oder dem Bergwerksbetriebe dienende Vorrichtungen zur Wasserhaltung, zur
Wetterführung oder zum Ein- und Ausfahren der Arbeiter zerstört oder
beschädigt, oder in schiffbaren Strömen, Flüssen oder Kanälen das
Fahrwasser stört und durch eine dieser Handlungen Gefahr für das Leben
oder die Gesundheit Anderer herbeiführt, wird mit Gefängniß nicht unter
drei Monaten bestraft.
- Ist durch eine dieser Handlungen eine schwere Körperverletzung
verursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe bis zu fünf Jahren und, wenn
der Tod eines Menschen verursacht worden ist, Zuchthausstrafe nicht
unter fünf Jahren ein.
§. 322.
- Wer vorsätzlich ein zur Sicherung der Schifffahrt bestimmtes
Feuerzeichen oder ein anderes zu diesem Zwecke aufgestelltes Zeichen
zerstört, wegschafft oder unbrauchbar macht, oder ein solches
Feuerzeichen auslöscht oder seiner Dienstpflicht zuwider nicht
aufstellt, oder ein falsches Zeichen, welches geeignet ist, die
Schifffahrt unsicher zu machen, aufstellt, insbesondere zur Nachtzeit
auf der Strandhöhe Feuer anzündet, welches die Schifffahrt zu gefährden
geeignet ist, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft.
- Ist durch die Handlung die Strandung eines Schiffes verursacht
worden, so tritt Zuchthausstrafe nicht unter fünf Jahren und, wenn der
Tod eines Menschen verursacht worden ist, Zuchthausstrafe nicht unter
zehn Jahren oder lebenslängliche Zuchthausstrafe ein. [103]
§. 323.
- Wer vorsätzlich die Strandung oder das Sinken eines Schiffes bewirkt
und dadurch Gefahr für das Leben eines Anderen herbeiführt, wird mit
Zuchthaus nicht unter fünf Jahren und, wenn durch die Handlung der Tod
eines Menschen verursacht worden ist, mit Zuchthaus nicht unter zehn
Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft.
§. 324.
- Wer vorsätzlich Brunnen- oder Wasserbehälter, welche zum Gebrauche
Anderer dienen, oder Gegenstände, welche zum öffentlichen Verkaufe oder
Verbrauche bestimmt sind, vergiftet oder denselben Stoffe beimischt, von
denen ihm bekannt ist, daß sie die menschliche Gesundheit zu zerstören
geeignet sind, ingleichen wer solche vergiftete oder mit gefährlichen
Stoffen vermischte Sachen wissentlich und mit Verschweigung dieser
Eigenschaft verkauft, feilhält oder sonst in Verkehr bringt, wird mit
Zuchthaus bis zu zehn Jahren und, wenn durch die Handlung der Tod eines
Menschen verursacht worden ist, mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren
oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft.
§. 325.
- Neben der nach den Vorschriften der §§. 306 bis 308, 311, bis 313,
315, 321 bis 324 erkannten Zuchthausstrafe kann auf Zulässigkeit von
Polizei-Aufsicht erkannt werden.
§. 326.
- Ist eine der in den §§. 321 bis 324 bezeichneten Handlungen aus
Fahrlässigkeit begangen worden, so ist, wenn durch die Handlung ein
Schaden verursacht worden ist, auf Gefängniß bis zu Einem Jahre und,
wenn der Tod eines Menschen verursacht worden ist, auf Gefängniß von
Einem Monat bis zu drei Jahren zu erkennen.
§. 327.
- Wer die Absperrungs- oder Aufsichts-Maßregeln oder Einfuhrverbote,
welche von der zuständigen Behörde zur Verhütung des Einführens oder
Verbreitens einer ansteckenden Krankheit angeordnet worden sind,
wissentlich verletzt, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.
- Ist in Folge dieser Verletzung ein Mensch von der ansteckenden
Krankheit ergriffen worden, so tritt Gefängnißstrafe von drei Monaten
bis zu drei Jahren ein.
§. 328.
- Wer die Absperrungs- oder Aufsichts-Maßregeln oder Einfuhrverbote,
welche von der zuständigen Behörde zur Verhütung des Einführens oder
Verbreitens von Viehseuchen angeordnet worden sind, wissentlich
verletzt, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft. [104]
- Ist in Folge dieser Verletzung Vieh von der Seuche ergriffen worden,
so tritt Gefängnißstrafe von Einem Monat bis zu zwei Jahren ein.
§. 329.
- Wer die mit einer Behörde geschlossenen Lieferungsverträge über
Bedürfnisse des Heeres oder der Marine zur Zeit eines Krieges, oder über
Lebensmittel zur Abwendung oder Beseitigung eines Nothstandes,
vorsätzlich entweder nicht zur bestimmten Zeit oder nicht in der
vorbedungenen Weise erfüllt, wird mit Gefängniß nicht unter sechs
Monaten bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte
erkannt werden.
- Liegt der Nichterfüllung des Vertrages Fahrlässigkeit zum Grunde, so
ist, wenn durch die Handlung ein Schaden verursacht worden ist, auf
Gefängniß bis zu zwei Jahren zu erkennen.
- Dieselben Strafen finden auch gegen die Unterlieferanten, Vermittler
und Bevollmächtigten des Lieferanten Anwendung, welche mit Kenntniß des
Zweckes der Lieferung die Nichterfüllung derselben vorsätzlich oder aus
Fahrlässigkeit verursachen.
§. 330.
- Wer bei der Leitung oder Ausführung eines Baues wider der allgemein
anerkannten Regeln der Baukunst dergestalt handelt, daß hieraus für
Andere Gefahr entsteht, wird mit Geldstrafe bis zu neunhundert Mark oder
mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft.
Achtundzwanzigster Abschnitt. Verbrechen und Vergehen im Amte.
§. 331.
- Ein Beamter, welcher für eine in sein Amt einschlagende, an sich
nicht pflichtwidrige Handlung Geschenke oder andere Vortheile annimmt,
fordert oder sich versprechen läßt, wird mit Geldstrafe bis zu
dreihundert Mark oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft.
§. 332.
- Ein Beamter, welcher für eine Handlung, die eine Verletzung einer
Amts- oder Dienstpflicht enthält, Geschenke oder andere Vortheile
annimmt, fordert oder sich versprechen läßt, wird wegen Bestechung mit
Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe ein. [105]
§. 333.
- Wer einem Beamten oder einem Mitgliede der bewaffneten Macht
Geschenke oder andere Vortheile anbietet, verspricht oder gewährt, um
ihn zu einer Handlung, die eine Verletzung einer Amts- oder
Dienstpflicht enthält, zu bestimmen, wird wegen Bestechung mit Gefängniß
bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt
werden.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark erkannt werden.
§. 334.
- Ein Richter, Schiedsrichter, Geschworener oder Schöffe, welcher
Geschenke oder andere Vortheile fordert, annimmt oder sich versprechen
läßt, um eine Rechtssache, deren Leitung oder Entscheidung ihm obliegt,
zu Gunsten oder zum Nachtheile eines Betheiligten zu leiten oder zu
entscheiden, wird mit Zuchthaus bestraft.
- Derjenige, welcher einem Richter, Schiedsrichter, Geschworenen oder
Schöffen zu dem vorbezeichneten Zwecke Geschenke oder andere Vortheile
anbietet, verspricht oder gewährt, wird mit Zuchthaus bestraft. Sind
mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe ein.
§. 335.
- In den Fällen der §§. 331 bis 334 ist im Urtheile das Empfangene oder der Werth desselben für dem Staate verfallen zu erklären.
§. 336.
- Ein Beamter oder Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder
Entscheidung einer Rechtssache vorsätzlich zu Gunsten oder zum
Nachtheile einer Partei einer Beugung des Rechtes schuldig macht, wird
mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft.
§. 338.[2]
- Ein Religionsdiener oder Personenstandsbeamter, welcher, wissend,
daß eine Person verheirathet ist, eine neue Ehe derselben schließt, wird
mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft.
§. 339.
- Ein Beamter, welcher durch Mißbrauch seiner Amtsgewalt oder durch
Androhung eines bestimmten Mißbrauchs derselben Jemand zu einer
Handlung, Duldung oder Unterlassung widerrechtlich nöthigt, wird mit
Gefängniß bestraft.
- Der Versuch ist strafbar. [106]
- In den Fällen der §§. 106, 107, 167 und 253 tritt die daselbst
angedrohte Strafe ein, wenn die Handlung von einem Beamten, wenn auch
ohne Gewalt oder Drohung, aber durch Mißbrauch seiner Amtsgewalt oder
Androhung eines bestimmten Mißbrauchs derselben begangen ist.
§. 340.
- Ein Beamter, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung
seines Amtes vorsätzlich eine Körperverletzung begeht oder begehen läßt,
wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft. Sind mildernde
Umstände vorhanden, so kann die Strafe bis auf Einen Tag Gefängniß
ermäßigt oder auf Geldstrafe bis zu neunhundert Mark erkannt werden.
- Ist die Körperverletzung eine schwere, so ist auf Zuchthaus nicht
unter zwei Jahren zu erkennen. Sind mildernde Umstände vorhanden, so
tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein.
§. 341.
- Ein Beamter, welcher vorsätzlich, ohne hierzu berechtigt zu sein,
eine Verhaftung oder vorläufige Ergreifung und Festnahme oder
Zwangsgestellung vornimmt oder vornehmen läßt, oder die Dauer einer
Freiheitsentziehung verlängert, wird nach Vorschrift des §. 239, jedoch
mindestens mit Gefängniß von drei Monaten bestraft.
§. 342.
- Ein Beamter, der in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung
seines Amtes einen Hausfriedensbruch (§. 123) begeht, wird mit Gefängniß
bis zu Einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu neunhundert Mark
bestraft.
§. 343.
- Ein Beamter, welcher in einer Untersuchung Zwangsmittel anwendet
oder anwenden läßt, um Geständnisse oder Aussagen zu erpressen, wird mit
Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft.
§. 344.
- Ein Beamter, welcher vorsätzlich zum Nachtheile einer Person, deren
Unschuld ihm bekannt ist, die Eröffnung oder Fortsetzung einer
Untersuchung beantragt oder beschließt, wird mit Zuchthaus bestraft.
§. 345.
- Gleiche Strafe trifft den Beamten, welcher vorsätzlich eine Strafe
vollstrecken läßt, von der er weiß, daß sie überhaupt nicht oder nicht
der Art oder dem Maße nach vollstreckt werden darf. [107]
- Ist die Handlung aus Fahrlässigkeit begangen, so tritt
Gefängnißstrafe oder Festungshaft bis zu Einem Jahre oder Geldstrafe bis
zu neunhundert Mark ein.
§. 346.
- Ein Beamter, welcher vermöge seines Amtes bei Ausübung der
Strafgewalt oder bei Vollstreckung der Strafe mitzuwirken hat, wird mit
Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft, wenn er in der Absicht, Jemand
der gesetzlichen Strafe rechtswidrig zu entziehen, die Verfolgung einer
strafbaren Handlung unterläßt, oder eine Handlung begeht, welche
geeignet ist, eine Freisprechung oder eine dem Gesetze nicht
entsprechende Bestrafung zu bewirken, oder die Vollstreckung der
ausgesprochenen Strafe nicht betreibt, oder eine gelindere als die
erkannte Strafe zur Vollstreckung bringt.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter Einem Monat ein.
§. 347.
- Ein Beamter, welcher einen Gefangenen, dessen Beaufsichtigung,
Begleitung oder Bewachung ihm anvertraut ist, vorsätzlich entweichen
läßt oder dessen Befreiung vorsätzlich bewirkt oder befördert, wird mit
Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände
vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter Einem Monat ein.
- Ist die Entweichung durch Fahrlässigkeit befördert oder erleichtert
worden, so tritt Gefängnißstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe
bis zu sechshundert Mark ein.
§. 348.
- Ein Beamter, welcher, zur Aufnahme öffentlicher Urkunden befugt,
innerhalb seiner Zuständigkeit vorsätzlich eine rechtlich erhebliche
Thatsache falsch beurkundet oder in öffentliche Register oder Bücher
falsch einträgt, wird mit Gefängniß nicht unter Einem Monat bestraft.
- Dieselbe Strafe trifft einen Beamten, welcher eine ihm amtlich
anvertraute oder zugängliche Urkunde vorsätzlich vernichtet, bei Seite
schafft, beschädigt oder verfälscht.
§. 349.
- Wird eine der im §. 348 bezeichnete Handlung in der Absicht
begangen, sich oder einem Anderen einen Vermögensvortheil zu verschaffen
oder einem Anderen Schaden zuzufügen, so ist auf Zuchthaus bis zu zehn
Jahren und zugleich auf Geldstrafe von eintausendfunfzig bis zu
dreitausend Mark zu erkennen.
§. 350.
- Ein Beamter, welcher Gelder oder andere Sachen, die er in amtlicher
Eigenschaft empfangen oder in Gewahrsam hat, unterschlägt, wird mit
Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft; auch kann auf Verlust der
bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. [108]
- Der Versuch ist strafbar.
§. 351.
- Hat der Beamte in Beziehung auf die Unterschlagung die zur
Eintragung oder Kontrole der Einnahmen oder Ausgaben bestimmten
Rechnungen, Register oder Bücher unrichtig geführt, verfälscht oder
unterdrückt, oder unrichtige Abschlüsse oder Auszüge aus diesen
Rechnungen, Registern oder Büchern, oder unrichtige Beläge zu denselben
vorgelegt, oder ist in Beziehung auf die Unterschlagung auf Fässern,
Beuteln oder Packeten der Geldinhalt fälschlich bezeichnet, so ist auf
Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu erkennen.
- Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein.
§. 352.
- Ein Beamter, Advokat, Anwalt oder sonstiger Rechtsbeistand, welcher
Gebühren oder andere Vergütungen für amtliche Verrichtungen zu seinem
Vortheile zu erheben hat, wird, wenn er Gebühren oder Vergütungen
erhebt, von denen er weiß, daß der Zahlende sie überhaupt nicht oder nur
in geringerem Betrage verschuldet, mit Geldstrafe bis zu dreihundert
Mark oder mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft.
- Der Versuch ist strafbar.
§. 353.
- Ein Beamter, welcher Steuern, Gebühren oder andere Abgaben für eine
öffentliche Kasse zu erheben hat, wird, wenn er Abgaben, von denen er
weiß, daß der Zahlende sie überhaupt nicht oder nur in geringerem
Betrage verschuldet, erhebt, und das rechtswidrig Erhobene ganz oder zum
Theil nicht zur Kasse bringt, mit Gefängniß nicht unter drei Monaten
bestraft.
- Gleiche Strafe trifft den Beamten, welcher bei amtlichen Ausgaben an
Geld oder Naturalien dem Empfänger vorsätzlich und rechtswidrig Abzüge
macht und die Ausgaben als vollständig geleistet in Rechnung stellt.
§. 353a.
- Ein Beamter im Dienste des Auswärtigen Amtes des Deutschen Reichs,
welcher die Amtsverschwiegenheit dadurch verletzt, daß er ihm amtlich
anvertraute oder zugängliche Schriftstücke oder eine ihm von seinem
Vorgesetzten ertheilte Anweisung oder deren Inhalt Anderen
widerrechtlich mittheilt, wird, sofern nicht nach anderen Bestimmungen
eine schwerere Strafe verwirkt ist, mit Gefängniß oder mit Geldstrafe
bis zu fünftausend Mark bestraft.
- Gleiche Strafe trifft einen mit einer auswärtigen Mission betrauten
oder bei einer solchen beschäftigten Beamten, welcher den ihm durch
seinen Vorgesetzten amtlich ertheilten Anweisungen vorsätzlich
zuwiderhandelt, oder welcher in der Absicht, seinen Vorgesetzten in
dessen amtlichen Handlungen irre zu leiten, demselben erdichtete oder
entstellte Thatsachen berichtet. [109]
§. 354.
- Ein Postbeamter, welcher die der Post anvertrauten Briefe oder
Packete in anderen, als den im Gesetze vorgesehenen Fällen eröffnet oder
unterdrückt, oder einem Anderen wissentlich eine solche Handlung
gestattet, oder ihm dabei wissentlich Hülfe leistet, wird mit Gefängniß
nicht unter drei Monaten bestraft.
§. 355.
- Telegraphenbeamte oder andere mit der Beaufsichtigung und Bedienung
einer zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegraphenanstalt betrauten
Personen, welche die einer Telegraphenanstalt anvertrauten Depeschen
verfälschen oder in anderen, als in den im Gesetze vorgesehenen Fällen
eröffnen oder unterdrücken, oder von ihrem Inhalte Dritte rechtswidrig
benachrichtigen, oder einem Anderen wissentlich eine solche Handlung
gestatten oder ihm dabei wissentlich Hülfe leisten, werden mit Gefängniß
nicht unter drei Monaten bestraft.
§. 356.
- Ein Advokat, Anwalt oder ein anderer Rechtsbeistand, welcher bei den
ihm vermöge seiner amtlichen Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten
in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rath oder Beistand
pflichtwidrig dient, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten
bestraft.
- Handelt derselbe im Einverständnisse mit der Gegenpartei zum
Nachtheile seiner Partei, so tritt Zuchthausstrafe bis zu fünf Jahren
ein.
§. 357.
- Ein Amtsvorgesetzter, welcher seine Untergebenen zu einer strafbaren
Handlung im Amte vorsätzlich verleitet oder zu verleiten unternimmt,
oder eine solche strafbare Handlung seiner Untergebenen wissentlich
geschehen läßt, hat die auf diese strafbare Handlung angedrohte Strafe
verwirkt.
- Dieselbe Bestimmung findet auf einen Beamten Anwendung, welchem eine
Aufsicht oder Kontrole über die Amtsgeschäfte eines anderen Beamten
übertragen ist, sofern die von diesem letzteren Beamten begangene
strafbare Handlung die zur Aufsicht oder Kontrole gehörenden Geschäfte
betrifft.
§. 358.
- Neben der nach Vorschrift der §§. 331, 339 bis 341, 352 bis 355 und
357 erkannten Gefängnißstrafe kann auf Verlust der Fähigkeit zur
Bekleidung öffentlicher Aemter auf die Dauer von Einem bis zu fünf
Jahren erkannt werden. [110]
§. 359.
- Unter Beamten im Sinne dieses Strafgesetzes sind zu verstehen alle
im Dienste des Reichs oder in unmittelbarem oder mittelbarem Dienste
eines Bundesstaats, auf Lebenszeit, auf Zeit oder nur vorläufig
angestellte Personen, ohne Unterschied, ob sie einen Diensteid geleistet
haben oder nicht, ingleichen Notare, nicht aber Advokaten und Anwalte.
Neunundzwanzigster Abschnitt. Uebertretungen.
§. 360.
- Mit Geldstrafe bis zu einhundertfunfzig Mark oder mit Haft wird bestraft:
- wer ohne besondere Erlaubniß Risse von Festungen oder einzelnen Festungswerken aufnimmt oder veröffentlicht;
- wer außerhalb seines Gewerbebetriebes heimlich oder wider das Verbot
der Behörde Vorräthe von Waffen oder Schießbedarf aufsammelt;
- wer als beurlaubter Reservist oder Wehrmann der Land- oder Seewehr
ohne Erlaubniß auswandert, ebenso wer als Ersatzreservist erster Klasse
auswandert, ohne von seiner bevorstehenden Auswanderung der
Militärbehörde Anzeige erstattet zu haben;
- wer ohne schriftlichen Auftrag einer Behörde Stempel, Siegel,
Stiche, Platten oder andere Formen, welche zur Anfertigung von Metall-
oder Papiergeld, oder von solchen Papieren, welche nach §. 149 dem
Papiergelde gleich geachtet werden, oder von Stempelpapier,
Stempelmarken, Stempelblanketten, Stempelabdrücken, öffentlichen
Bescheinigungen oder Beglaubigungen dienen können, anfertigt oder an
einen Anderen als die Behörde verabfolgt;
- wer ohne schriftlichen Auftrag einer Behörde den Abdruck der in Nr.
4. genannten Stempel, Siegel, Stiche, Platten oder Formen, oder einen
Druck von Formularen zu den daselbst bezeichneten öffentlichen Papieren,
Beglaubigungen oder Bescheinigungen unternimmt, oder Abdrücke an einen
Anderen als die Behörde verabfolgt;
- wer Waaren-Empfehlungskarten, Ankündigungen oder andere Drucksachen
oder Abbildungen, welche in der Form oder Verzierung dem Papiergelde
oder den dem Papiergelde nach §. 149 gleich geachteten Papieren ähnlich
sind, anfertigt oder verbreitet, oder wer Stempel, Stiche, Platten oder
andere Formen, welche zur Anfertigung von solchen Drucksachen oder
Abbildungen dienen können, anfertigt; [111]
- wer unbefugt die Abbildung des Kaiserlichen Wappens oder von Wappen eines Bundesfürsten oder von Landeswappen gebraucht;
- wer unbefugt eine Uniform, eine Amtskleidung, ein Amtszeichen, einen
Orden oder ein Ehrenzeichen trägt oder Titel, Würden oder
Adelsprädikate annimmt, ingleichen wer sich eines ihm nicht zukommenden
Namens einem zuständigen Beamten gegenüber bedient;
- wer gesetzlichen Bestimmungen zuwider ohne Genehmigung der
Staatsbehörde Aussteuer-, Sterbe-, oder Wittwenkassen,
Versicherungsanstalten oder andere dergleichen Gesellschaften oder
Anstalten errichtet, welche bestimmt sind, gegen Zahlung eines
Einkaufsgeldes oder gegen Leistung von Geldbeträgen beim Eintritte
gewisser Bedingungen oder Fristen, Zahlungen an Kapital oder Rente zu
leisten;
- wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Noth von der
Polizeibehörde oder deren Stellvertreter zur Hülfe aufgefordert, keine
Folge leistet, obgleich er der Aufforderung ohne erhebliche eigene
Gefahr genügen konnte;
- wer ungebührlicherweise ruhestörenden Lärm erregt oder wer groben Unfug verübt;
- wer als Pfandleiher oder Rückkaufshändler bei Ausübung seines Gewerbes den darüber erlassenen Anordnungen zuwiderhandelt;
- wer öffentlich oder in Aergerniß erregender Weise Thiere boshaft quält oder roh mißhandelt;
- wer unbefugt auf einem öffentlichen Wege, einer Straße, einem
öffentlichen Platze oder in einem öffentlichen Versammlungsorte
Glücksspiele hält.
- In den Fällen der Nummern 1, 2, 4, 5, 6 und 14 kann neben der
Geldstrafe oder der Haft auf Einziehung der Risse von Festungen oder
Festungswerken, der Vorräthe von Waffen oder Schießbedarf, der Stempel,
Siegel, Stiche, Platten, oder anderen Formen, der Abdrücke oder
Abbildungen, oder der auf dem Spieltische oder in der Bank befindlichen
Gelder erkannt werden, ohne Unterschied, ob sie dem Verurtheilten
gehören oder nicht.
§. 361.
- Mit Haft wird bestraft:
- wer, nachdem er unter Polizei-Aufsicht gestellt worden ist, den in
Folge derselben ihm auferlegten Beschränkungen zuwiderhandelt;
- wer, nachdem er des Bundesgebietes oder des Gebietes eines Bundesstaats verwiesen ist, ohne Erlaubniß zurückkehrt;
- wer als Landstreicher umherzieht; [112]
- wer bettelt oder Kinder zum Betteln anleitet oder ausschickt, oder
Personen, welche seiner Gewalt und Aufsicht untergeben sind und zu
seiner Hausgenossenschaft gehören, vom Betteln abzuhalten unterläßt;
- wer sich dem Spiel, Trunk oder Müßiggang dergestalt hingibt, daß er
in einen Zustand geräth, in welchem zu seinem Unterhalte oder zum
Unterhalte derjenigen, zu deren Ernährung er verpflichtet ist, durch
Vermittelung der Behörde fremde Hülfe in Anspruch genommen werden muß;
- eine Weibsperson, welche wegen gewerbsmäßiger Unzucht einer
polizeilichen Aufsicht unterstellt ist, wenn sie den in dieser Hinsicht
zur Sicherung der Gesundheit, der öffentlichen Ordnung und des
öffentlichen Anstandes erlassenen polizeilichen Vorschriften
zuwiderhandelt, oder welche, ohne einer solchen Aufsicht unterstellt zu
sein, gewerbsmäßig Unzucht treibt;
- wer, wenn er aus öffentlichen Armenmitteln eine Unterstützung
empfängt, sich aus Arbeitsscheu weigert, die ihm von der Behörde
angewiesene, seinen Kräften angemessene Arbeit zu verrichten;
- wer nach Verlust seines bisherigen Unterkommens binnen der ihm von
der zuständigen Behörde bestimmten Frist sich kein anderweitiges
Unterkommen verschafft hat und auch nicht nachweisen kann, daß er
solches der von ihm angewandten Bemühungen ungeachtet nicht vermocht
habe;
- wer Kinder oder andere unter seiner Gewalt stehende Personen, welche
seiner Aufsicht untergeben sind und zu seiner Hausgenossenschaft
gehören, von der Begehung von Diebstählen, sowie von der Begehung
strafbarer Verletzungen, der Zoll- oder Steuergesetze, oder der Gesetze
zum Schutze der Forsten, der Feldfrüchte, der Jagd oder der Fischerei
abzuhalten unterläßt. Die Vorschriften dieser Gesetze über die
Haftbarkeit für die den Thäter treffenden Geldstrafen oder anderen
Geldleistungen werden hierdurch nicht berührt.
-
- In den Fällen der Nr. 9 kann statt der Haft auf Geldstrafe bis zu einhundertfunfzig Mark erkannt werden.
§. 362.
- Die nach Vorschrift des §. 361 Nr. 3 bis 8 Verurtheilten können zu
Arbeiten, welche ihren Fähigkeiten und Verhältnissen angemessen sind,
innerhalb und, sofern sie von anderen freien Arbeitern getrennt gehalten
werden, auch außerhalb der Strafanstalt angehalten werden. [113]
- Bei der Veurtheilung zur Haft kann zugleich erkannt werden, daß die
verurtheilte Person nach verbüßter Strafe der Landespolizeibehörde zu
überweisen sei. Die Landespolizeibehörde erhält dadurch die Befugniß,
die verurtheilte Person entweder bis zu zwei Jahren in ein Arbeitshaus
unterzubringen oder zu gemeinnützigen Arbeiten zu verwenden. Im Falle
des §. 361 Nr. 4 ist dieses jedoch nur dann zulässig, wenn der
Verurtheilte in den letzten drei Jahren wegen dieser Uebertretung
mehrmals rechtskräftig verurtheilt worden ist, oder wenn derselbe unter
Drohungen oder mit Waffen gebettelt hat.
- Ist gegen einen Ausländer auf Ueberweisung an die
Landespolizeibehörde erkannt, so kann an Stelle der Unterbringung in ein
Arbeitshaus Verweisung aus dem Bundesgebiete eintreten.
§. 363.
- Wer, um Behörden oder Privatpersonen zum Zwecke seines besseren
Fortkommens oder des besseren Fortkommens eines Anderen zu täuschen,
Pässe, Militärabschiede, Wanderbücher oder sonstige
Legitimationspapiere, Dienst- oder Arbeitsbücher oder sonstige auf Grund
besonderer Vorschriften auszustellende Zeugnisse, sowie Führungs- oder
Fähigkeitszeugnisse falsch anfertigt oder verfälscht, oder wissentlich
von einer solchen falschen oder verfälschten Urkunde Gebrauch macht,
wird mit Haft oder mit Geldstrafe bis zu einhundertfunfzig Mark
bestraft.
- Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher zu demselben Zwecke von
solchen für einen Anderen ausgestellten echten Urkunden, als ob sie für
ihn ausgestellt seien, Gebrauch macht, oder welcher solche für ihn
ausgestellte Urkunden einem Anderen zu dem gedachten Zwecke überläßt.
§. 364.
- Mit Geldstrafe bis zu einhundertfunfzig Mark wird bestraft, wer
wissentlich schon einmal verwendetes Stempelpapier nach gänzlicher oder
theilweiser Entfernung der darauf gesetzten Schriftzeichen, oder schon
einmal verwendete Stempelmarken, Stempelblankette oder ausgeschnittene
oder sonst abgetrennte Stempelabdrücke der im §. 276 bezeichneten Art
veräußert oder feilhält.
§. 365.
- Wer in einer Schankstube oder an einem öffentlichen Vergnügungsorte
über die gebotene Polizeistunde hinaus verweilt, ungeachtet der Wirth,
sein Vertreter oder ein Polizeibeamter ihn zum Fortgehen aufgefordert
hat, wird mit Geldstrafe bis zu funfzehn Mark bestraft.
- Der Wirth, welcher das Verweilen seiner Gäste über die gebotene
Polizeistunde hinaus duldet, wird mit Geldstrafe bis zu sechszig Mark
oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen bestraft.
§. 366.
- Mit Geldstrafe bis zu sechszig Mark oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen wird bestraft: [114]
- wer den gegen die Störung der Feier der Sonn- und Festtage erlassenen Anordnungen zuwiderhandelt;
- wer in Städten oder Dörfern übermäßig schnell fährt oder reitet,
oder auf öffentlichen Straßen oder Plätzen der Städte oder Dörfer mit
gemeiner Gefahr Pferde einfährt oder zureitet;
- wer auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder Wasserstraßen das Vorbeifahren Anderer muthwillig verhindert;
- wer in Städten mit Schlitten ohne feste Deichsel oder ohne Geläute oder Schelle fährt;
- wer Thiere in Städten oder Dörfern, auf öffentlichen Wegen, Straßen
oder Plätzen, oder an anderen Orten, wo sie durch Ausreißen, Schlagen
oder auf andere Weise Schaden anrichten können, mit Vernachlässigung der
erforderlichen Sicherheitsmaßregeln stehen läßt oder führt;
- wer Hunde auf Menschen hetzt;
- wer Steine oder andere harte Körper oder Unrath auf Menschen, auf
Pferde oder andere Zug- oder Lastthiere, gegen fremde Häuser, Gebäude
oder Einschließungen, oder in Gärten oder eingeschlossene Räume wirft;
- wer nach einer öffentlichen Straße oder Wasserstraße, oder nach
Orten hinaus, wo Menschen zu verkehren pflegen, Sachen, durch deren
Umstürzen oder Herabfallen Jemand beschädigt werden kann, ohne gehörige
Befestigung aufstellt oder aufhängt, oder Sachen auf eine Weise ausgießt
oder auswirft, daß dadurch Jemand beschädigt oder verunreinigt werden
kann;
- wer auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder Wasserstraßen
Gegenstände, durch welche der freie Verkehr gehindert wird, aufstellt,
hinlegt oder liegen läßt;
- wer die zur Erhaltung der Sicherheit, Bequemlichkeit, Reinlichkeit
und Ruhe auf den öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder Wasserstraßen
erlassenen Polizei-Verordnungen übertritt.
§. 366a.
- Wer die zum Schutze der Dünen und der Fluß- und Meeresufer, sowie
der auf denselben vorhandenen Anpflanzungen und Anlagen erlassenen
Polizei-Verordnungen übertritt, wird mit Geldstrafe bis zu
einhundertfunfzig Mark oder mit Haft bestraft.
§. 367.
- Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft wird bestraft: [115]
- wer ohne Vorwissen der Behörde einen Leichnam beerdigt oder bei
Seite schafft, oder wer unbefugt einen Theil der Leiche aus dem
Gewahrsam der dazu berechtigten Personen wegnimmt;
- wer den polizeilichen Anordnungen über vorzeitige Beerdingungen entgegenhandelt;
- wer ohne polizeiliche Erlaubniß Gift oder Arzneien, soweit der
Handel mit denselben nicht freigegeben ist, zubereitet, feilhält,
verkauft oder sonst an Andere überläßt;
- wer ohne die vorgeschriebene Erlaubniß Schießpulver oder andere explodirende Stoffe oder Feuerwerke zubereitet;
- wer bei der Aufbewahrung oder bei der Beförderung von Giftwaaren,
Schießpulver oder Feuerwerken, oder bei der Aufbewahrung, Beförderung,
Verausgabung oder Verwendung von Sprengstoffen oder anderen
explodirenden Stoffen, oder bei Ausübung der Befugniß zur Zubereitung
oder Feilhaltung dieser Gegenstände, sowie der Arzeneien die deshalb
ergangenen Verordnungen nicht befolgt;
- wer Waaren, Materialien oder andere Vorräthe, welche sich leicht von
selbst entzünden oder leicht Feuer fangen, an Orten oder in
Behältnissen aufbewahrt, wo ihre Entzündung gefährlich werden kann, oder
wer Stoffe, die nicht ohne Gefahr einer Entzündung bei einander liegen
können, ohne Absonderung aufbewahrt;
- wer verfälschte oder verdorbene Getränke oder Eßwaaren, insbesondere trichinenhaltiges Fleisch feilhält oder verkauft;
- wer ohne polizeiliche Erlaubniß an bewohnten oder von Menschen
besuchten Orten Selbstgeschosse, Schlageisen oder Fußangeln legt, oder
an solchen Orten mit Feuergewehr oder anderem Schießwerkzeuge schießt,
oder Feuerwerkskörper abbrennt;
- wer einem gesetzlichen Verbot zuwider Stoß-, Hieb- oder Schußwaffen,
welche in Stöcken oder Röhren oder in ähnlicher Weise verborgen sind,
feilhält oder mit sich führt;
- wer bei einer Schlägerei, in welche er nicht ohne sein Verschulden
hineingezogen worden ist, oder bei einem Angriff sich einer Waffe,
insbesondere eines Messers oder eines anderen gefährlichen Werkzeuges
bedient;
- wer ohne polizeiliche Erlaubniß gefährliche wilde Thiere hält, oder
wilde oder bösartige Thiere frei umherlaufen läßt, oder in Ansehung
ihrer die erforderlichen Vorsichtsmaßregeln zur Verhütung von
Beschädigungen unterläßt;
- wer auf öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen, auf Höfen, in
Häusern und überhaupt an Orten, an welchen Menschen verkehren, Brunnen,
Keller, Gruben, Oeffnungen oder Abhänge dergestalt unverdeckt oder
unverwahrt läßt, daß daraus Gefahr für Andere entstehen kann; [116]
- wer trotz der polizeilichen Aufforderung es unterläßt, Gebäude, welche den Einsturz drohen, auszubessern oder niederzureißen;
- wer Bauten oder Ausbesserungen von Gebäuden, Brunnen, Brücken,
Schleusen oder anderen Bauwerken vornimmt, ohne die von der Polizei
angeordneten oder sonst erforderlichen Sicherungsmaßregeln zu treffen;
- wer als Bauherr, Baumeister oder Bauhandwerker einen Bau oder eine
Ausbesserung, wozu die polizeiliche Genehmigung erforderlich ist, ohne
diese Genehmigung oder mit eigenmächtiger Abweichung von dem durch die
Behörde genehmigten Bauplane ausführt oder ausführen läßt.
- In den Fällen der Nr. 7 bis 9 kann neben der Geldstrafe oder der
Haft auf die Einziehung der verfälschten oder verdorbenen Getränke oder
Eßwaaren, ingleichen der Selbstgeschosse, Schlageisen oder Fußangeln,
sowie der verbotenen Waffen erkannt werden, ohne Unterschied, ob sie dem
Verurtheilten gehören oder nicht.
§. 368.
- Mit Geldstrafe bis zu sechszig Mark oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen wird bestraft:
- wer den polizeilichen Anordnungen über die Schließung der Weinberge zuwiderhandelt;
- wer das durch gesetzliche oder polizeiliche Anordnungen gebotene Raupen unterläßt;
- wer ohne polizeiliche Erlaubniß eine neue Feuerstätte errichtet oder eine bereits vorhandene an einen anderen Ort verlegt;
- wer es unterläßt, dafür zu sorgen, daß die Feuerstätten in seinem
Hause in baulichem und brandsicherem Zustande unterhalten, oder daß die
Schornsteine zur rechten Zeit gereinigt werden;
- wer Scheunen, Ställe, Böden oder andere Räume, welche zur
Aufbewahrung feuerfangender Sachen dienen, mit unverwahrtem Feuer oder
Licht betritt, oder sich denselben mit unverwahrtem Feuer oder Licht
nähert;
- wer an gefährlichen Stellen in Wäldern oder Haiden, oder in
gefährlicher Nähe von Gebäuden oder feuerfangenden Sachen Feuer
anzündet;
- wer in gefährlicher Nähe von Gebäuden oder feuerfangenden Sachen mit Feuergewehr schießt oder Feuerwerke abbrennt;
- wer die polizeilich vorgeschriebenen Feuerlöschgeräthschaften
überhaupt nicht oder nicht in brauchbarem Zustande hält oder andere
feuerpolizeiliche Anordnungen nicht befolgt; [117]
- wer unbefugt über Gärten oder Weinberge, oder vor beendeter Ernte
über Wiesen oder bestellte Aecker, oder über solche Aecker, Wiesen,
Weiden oder Schonungen, welche mit einer Einfriedung versehen sind, oder
deren Betreten durch Warnungszeichen untersagt ist, oder auf einem
durch Warnungszeichen geschlossenen Privatwege geht, fährt, reitet oder
Vieh treibt;
- wer ohne Genehmigung des Jagdberechtigten oder ohne sonstige
Befugniß auf einem fremden Jagdgebiete außerhalb des öffentlichen, zum
gemeinen Gebrauche bestimmten Weges, wenn auch nicht jagend, doch zur
Jagd ausgerüstet, betroffen wird;
- wer unbefugt Eier oder Junge von jagdbarem Federwild oder von Singvögeln ausnimmt.
§. 369.
- Mit Geldstrafe bis zu einhundert Mark oder mit Haft bis zu vier Wochen werden bestraft:
- Schlosser, welche ohne obrigkeitliche Anweisung oder ohne
Genehmigung des Inhabers einer Wohnung Schlüssel zu Zimmern oder
Behältnissen in der letzteren anfertigen oder Schlösser an denselben
öffnen, ohne Genehmigung des Hausbesitzers oder seines Stellvertreters
einen Hausschlüssel anfertigen, oder ohne Erlaubniß der Polizeibehörde
Nachschlüssel oder Dietriche verabfolgen;
- Gewerbtreibende, bei denen zum Gebrauche in ihrem Gewerbe geeignete,
mit dem gesetzlichen Eichungsstempel nicht versehene oder unrichtige
Maße, Gewichte oder Waagen vorgefunden werden, oder welche sich einer
anderen Verletzung der Vorschriften über die Maß- und Gewichtspolizei
schuldig machen;
- Gewerbtreibende, welche in Feuer arbeiten, wenn sie die Vorschriften
nicht befolgen, welche von der Polizeibehörde wegen Anlegung und
Verwahrung ihrer Feuerstätten, sowie wegen der Art und der Zeit, sich
des Feuers zu bedienen, erlassen sind.
- Im Falle der Nr. 2 ist neben der Geldstrafe oder der Haft auf die
Einziehung der vorschriftswidrigen Maße, Gewichte, Waagen oder sonstigen
Meßwerkzeuge zu erkennen.
§. 370.
- Mit Geldstrafe bis zu einhundertfunfzig Mark oder mit Haft wird bestraft:
- wer unbefugt ein fremdes Grundstück, einen öffentlichen oder
Privatweg oder einen Grenzrain durch Abgraben oder Abpflügen verringert;
[118]
- wer unbefugt von öffentlichen oder Privatwegen Erde, Steine oder
Rasen, oder aus Grundstücken, welche einem Anderen gehören, Erde, Lehm,
Sand, Grand oder Mergel gräbt, Plaggen oder Bülten haut, Rasen, Steine,
Mineralien, zu deren Gewinnung es einer Verleihung, einer Konzession
oder einer Erlaubniß der Behörde nicht bedarf, oder ähnliche Gegenstände
wegnimmt;
- wer von einem zum Dienststande gehörenden Unteroffizier oder
Gemeinen des Heeres oder der Marine ohne die schriftliche Erlaubniß des
vorgesetzten Kommandeurs Montirungs- oder Armaturstücke kauft oder zum
Pfande nimmt;
- wer unberechtigt fischt oder krebst;
- wer Nahrungs- oder Genußmittel von unbedeutendem Werthe oder in
geringer Menge zum alsbaldigen Verbrauche entwendet. Eine Entwendung,
welche von Verwandten aufsteigender Linie gegen Verwandte absteigender
Linie oder von einem Ehegatten gegen den anderen begangen worden ist,
bleibt straflos;
- wer Getreide oder andere zur Fütterung des Viehes bestimmte oder
geeignete Gegenstände wider Willen des Eigenthümers wegnimmt, um dessen
Vieh damit zu füttern.
- In den Fällen der Nr. 5 und 6 tritt die Verfolgung nur auf Antrag ein. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig.
|
zentrale@deutscher-reichsanzeiger.de
Hier können Sie das gesamte Gesetz ausdrucken 
|
|
|